Nach der Weinrallye Tout Blanc zum Thema Weißweine aus Südfrankreich entspann sich auch offline eine Diskussion mit meinem Weinfreund Gernot Freund, Weinagentur Les Individuels in Merdingen, über vermeintliche und tatsächlich große Winzer im Midi – ohne freilich dabei in Sachen „Größe“ irgendwelche Vergleiche mit Bordeaux oder der Bourgogne bemühen zu wollen.
Hier eine Antwort von Gernot, die ich der Lesbarkeit halber in einen eigenen Artikel verschiebe…
Die Frage war sinngemäß: Welche Erzeuger fallen Euch ein, die Ihr als „Spitzenwinzer des Südens“ bezeichnen würdet?
International oder Regional?
[GF] … lass uns nur mal kurz rüber wechseln nach Pic St. Loup, Gres de Montpellier oder den Terrazes de Larzac. Leider haben sich die meisten dieser Weingüter einen Namen mit ihren internationalen Weinen gemacht und nicht mit ihren regionalen. Das gilt für mich vor allen für Negly, Chapoutier, Mas de Daumas Gassac oder Cazes, aber auch andere. Ich sage damit nicht, sie stellen keine tollen Weine her, nur es ist nicht mein Stil. Dazu zählen für mich Mas Soleilla, Aussieres, Mas d’Auziers, Gerard Bertrand (Hospitalet), Mansenoble.
Mansenoble ist dabei ein sehr gutes Beispiel. Es liegt in Moux, ein kleines Örtchen, das Terroir ist außergewöhnlich gut. Da waren schon sehr früh die Benediktiner, um Wein zu machen. Mansenobles Weine sind gut und international. Gleich daneben liegt das kleine Weingut Prieure Ste. Marie d’Albas. Wer in die Gegend kommt, sollte sich die Weine antun im Vergleich mit Mansenoble. Für mich macht die Prieure einen der tollsten regionalen Corbières. Über Hospitalet, Mas Soleilla, Negly (Ausnahme Falaise) und den Gegensatz zu Pech Redon rede ich schon gar nicht mehr. Und so gibt es vieles mehr.
Borie la Vitarelle, Domaine La Prose gehören für mich zu den großen regionalen Weinmachern im Süden, oben [hier] schon genannt Gauby und Matassa im Roussillon.
Leider ist es richtig schwer, solche Sachen nach Deutschland zu bringen. Wie wird denn in Deutschland Wein konsumiert? Viele Leute finden einen Wein, der Ihnen schmeckt, danach wird kein Risiko mehr eingegangen und man bleibt dabei. Empfohlen werden in den dt. Weinzeitschriften ebenso wie in der Presse zu 99,8% nur die großen Namen, Parker und Co. lassen wir gleich außen vor.
Selbst in den meisten Internetforen findet man immer die gleichen Weine, die besprochen werden. Von Neuentdeckungen, die ein Sommelier (Ausnahmen bestätigen die Regel) im Restaurant empfiehlt, wollen wir erst gar nicht reden. Hier bestimmen die Etiketten das Bild, was auch den Restaurantführern geschuldet ist. Ein Michellin-Stern ist für ein Restaurant eine Einschränkung im Wein und der Kreativität, meiner Meinung nach. Ich verallgemeinere jetzt stark, ein wenig auch um zu polarisieren. Leute wie Martin Kössler oder auch ich haben vielleicht auch schon ein wenig kapituliert vor den Mächten des Marktes. Doch aufgeben, geht einfach auch nicht.
Ich stelle nie einen Wein bei einer Verkostung in Deutschland an. Hat überhaupt keinen Sinn. Hat der Wein einen Böckser, bei Naturhefen immer wieder gut möglich, gilt das den meisten Verkostern in Deutschland als Fehler. Eine halbe Stunde, Stunde belüftet und es kommt oft ein kleiner Traum heraus. Nun mal ehrlich, wer hat jemals einen der großen Bordeaux ohne Böckser getrunken. Ach so, Stopp, geht ja nicht, große Bordeaux haben keine Böckser, das wäre ja ein Fehler. Oxidativ ausgebaute Weine haben so oder so keine Chance.
Mein Freund Stefan versuchte über lange Zeit mich dazu zu überreden, in diesem Forum zu schreiben. Jetzt habe ich angefangen und es fällt mir schwer, mich kurz zu fassen oder aufzuhören. Eigentlich hat man extrem viel zu sagen. Aber man will auch nicht als Klugscheißer oder gar Fanatiker rüber kommen. Ich bin wirklich ein Mensch, der jedem seinen eigenen Geschmack lässt. Aber ich stehe zu meiner Meinung bei meinen Lieblingsweinen. Und ich verstehe oft nicht, wie man sich beim Geschmack einschränken kann (Sieht man heute leider auch an meiner Figur – Pech). Sobald es gut ist für den individuellen Geschmack, dann sollte man genießen und immer wieder etwas Neues zu probieren – erweitert die Erlebniswelt ungemein.
Meine Einschränkung sind internationale Weine. Ich probiere sie immer wieder, aber ich finde sie immer wieder langweilig – schön – im ersten Schluck oft ein Traum, doch danach wird es langweilig – für mich. Ich bevorzuge oft einen Wein mit kleinen Fehlern, der aber bis ans Ende spannend ist, sich über Stunden entwickelt, immer besser wird, sich verändert. Ich genieße es, einen Wein über drei Tage zu trinken mit immer wieder etwas anderem zum Essen, nur weil ich dann alle Facetten eines Weines sehen will und kann. Genau das fehlt mir oft bei internationalen Weinen.
Früher gab es ein tolles Weinjournal in Frankreich, das Terre de Vin. Hier hatten internationale Weine keine Chance. Es ging nur um Südfrankreich von der Provence bis ins Roussillon. Leider wurde es verkauft und mit der ersten Ausgabe der neuen „Betreiber“ wurden gleich die großen Bordeaux beschrieben, die zweite Ausgabe war ein Werbeschreiben für die großen Negociants in Frankreich und für mich ein Grund es abzubestellen. Damit ist neben dem Merum eines der letzten eigenständigen Weinjournale Europas in die Reihe der vielen Ja-Sager eingereiht worden. Habt ihr Euch schon einmal gefragt, warum ein Vinum sich nicht einmal intensiv mit den einfachen Bordeaux beschäftigt und dort wirkliche Schnäppchen vorstellt – nicht nur die großen Namen, die so oder so jeder Weinliebhaber kennt. Okay, das wäre viel Arbeit, aber interessant. Wer die Ausgaben der dt. Weinpresse der letzten Jahre gesammelt hat, sollte mal einen Vergleich machen, über die jährlichen Artikel über das Languedoc und das Roussillon.
Ich habe es 2007 gemacht, in fünf Jahren hintereinander hieß es immer, wie innovativ die Region ist, aber in den Artikeln wurde jeweils nur ein oder zwei Namen von Weingütern ausgetauscht, ansonsten hieß es Negly, Gerard Bertrand und so weiter und so fort. Welche Innovation! Danach – das gebe ich zu – habe ich es aufgegeben, diese Artikel zu lesen.
Klar macht mir aber dies alles, deutsche Weintrinker, die sich für das Thema regionale Weine interessieren, haben keine andere Chance, als selbst in eine Weinregion zu fahren und dort zu probieren. Eine teure Angelegenheit, die sich nicht jeder leisten kann. Und dann kommt dort die große Frage auf, wo sollen wir anfangen und wer ist gut.
Die einzige Empfehlung, die ich individuellen Weinreisenden machen kann: kennen Sie einen Wein aus der Region, den Sie mögen, fangen sie mit diesem Winzer an und fragen ihn nach weiteren Empfehlungen. Wenn er nicht gerade ein Egomane ist, wird er Ihnen Tipps geben, denen Sie meist vertrauen können.
Klar kann auch ich Ihnen Tipps geben, wo sie kaufen, wo probieren, wo Sie hinfahren können. Aber auf der anderen Seite wäre dies Werbung für meine Weine, was ich als nicht richtig empfinde in so einem Forum. Darum schaue ich immer, dass ich neben Weinen, die wir vertreiben, auch andere Weine benenne, beschreibe. Zum anderen ist das genau die Beeinflussung eines Geschmacks, die ich anderen ankreide, die ich nicht möchte. Ein kleiner Teufelskreis.
Wein ist individuell, der Geschmack genauso und wenn er nach Parker geht, ist das vollkommen in Ordnung, ebenso wenn er in Richtung der regionalen Weine geht.
Das Problem ist heute nur: diese regionalen Weine haben in den Informationskanälen unserer Zeit kaum eine Chance, genau aus dem Grund, weil sie zu individuell sind.
Bin gespannt auf Eure Antworten!
[von Facebook verschoben]
hab’s erst mal überflogen, aber „wirklich groß“ würde ich da nicht entdecken – vielleicht einfach „gut“ – das ist doch auch schon nicht schlecht:-).
Und gute Weine gibt es natürlich jede Menge, auch wenn man in deutschen Veröffentlichungen …und Diskussionen immer nur die gleichen Namen findet.
Ich habe ja auch schon häufig auf meinen Blogs über interessante Winzer aus meinem Umfeld geschrieben, die wirklich gute Weine machen – Die von Francois Izard und Cathy Planes (Borie de la Vitarelle) waren übrigens vor ein paar Jahren auch dabei. Ich finde sie sehr korrekt!
Sind eigentlich Namen wie Olivier Julien, Didier Barral, Thierry Navarre, Isabelle und Mathieu Champart, Hildegard Horath (über die ich ja gerade geschrieben habe), Hevé Bizeuil, Jean Babtiste Senat, Pierre Quinonero, …… in Deutschland nicht bekannt?
Und bei den als groß eingestuften vermisse ich dann doch, um nur zwei zu nennen: Marlène Soria und Laurent Vailhé…;-)!
Was ist wirklich groß? Das liegt sicher in den Augen des Betrachters. Die meisten Weinmacher, die du mir da vorgesetzt hast, habe ich probiert. Sie fallen für mich fast alle in den Fokus moderne, internationale Weine. Olivier Julien finde ich hervorragend. Marlène Soria habe ich den 95er erst letzte Woche probiert, toller Wein, ein bisschen zu viel Bordeaux, zumindest vom Geschmacksbild her.
Ich bin immer wieder im Languedoc und kaufe dort viele Weine, um sie mit Freunden zu probieren. So probierte ich vor drei Jahren die gesamten Weine von Grange de Quatre Sous mit einem befreundeten Winzer. Ich war ehrlich gesagt enttäuscht. Fand die Weine nicht wirklich spannend, viel zu viel Holz für meinen Geschmack. Ich gebe zu, seitdem habe ich sie nicht mehr angerührt.
Ich sage ja, Größe liegt im Auge des Betrachters. Ein gutes Beispiel dafür ist für mich das Weingut Montirius in Vacqueyras. Ich habe den Wein die letzten fünf Jahre mehrmals probiert und mich immer wieder gefragt, was finden die Leute wirklich daran. Er ist sauber gemacht, aber einfach und nicht wirklich aufregend, die 2005er, die ich auf der Prowein verkostet habe, waren schon langsam am Scheideweg. Stelle ich da Roucas Tomba dagegen, spielen die Weine in einer völlig anderen Liga, spannend, Rhône pur – für mich!
Champart und Navarre sind für mich gut, haben aber für mich mit groß nichts zu tun, Borie de la Vitarelle finde ich persönlich einfach besser. Leon Barral ist wirklich einer der ganz großen Winzer des Languedocs. Wie man sieht, es gibt immer gemeinsame „Geschmackspunkte“. Und wirklich groß ist für mich unter anderem auch Pech Redon – wie gesagt für mich – bei Christoph Bousquet finde ich immer das Terroir, die schöne leichte Salznote de Terroirs und wer La Clape besucht hat, findet das Land und die Landschaft in den Weinen wieder. Das ist für mich groß! Das finde ich bei Barral, bei Julien, bei Borie la Vitarelle. Und das finde ich persönlich bei vielen anderen leider nicht. Für mich groß ist zum Beispiel der Carignan Blanc von Domaine Emile et Rose, oder auch der Navis von Mas de Galis von Lionel Maurel, einem Schüler von Barral.
Groß bedeutet für mich auch, einen herausragenden Wein zu machen zu bezahlbaren Preisen. Vor allem der Einsteiger muss eine Klasse haben, die mich schon fast umhaut. Ein großer Winzer ist für mich nicht derjenige, der seinen Topwein mit 100 Parker oder sonst was Punkten vorzeigt, aber seine Einsteiger und mittlere Qualitäten sind mittelmässig.
Sind wir mal ehrlich, bis auf wenige Ausnahmen, machen die Winzer im Languedoc-Roussillon ihr Geld mit den Einsteigern und der Mittelklasse. Und wie oft habe ich Weine probieren dürfen, die im Einsteigerbereich bescheiden oder weniger und nur die ein oder zwei Topweine herausragend waren. Leider wurde in allen Zeitschriften, im Internet usw. nur über die sehr teuren Topwein gesprochen. Der arme Käufer, der sich danach die Einsteiger gekauft hat, weil der Winzer ja einen so tollen Namen hat.
Ich bin mal ganz ehrlich, für mich ist ein Winzer besser, wenn er wirklich gute bezahlbare Einstiegs-Qualität bieten kann und im Topwein-Bereich sehr gute Mittelklasse ist, als wenn er mittlere oder schlechte Einsteiger bietet, dafür aber im Hochpreisbereich nur so ranklotzt. Wirklich groß ist er, wenn er regionale Weine macht und jeder seiner Weine gut ist, er in schlechten Jahren keine großen Ausfälle hat.
Das ist eine grundrichtige Ansicht, denn wer kann sich schon sündhaft teuere Weine leisten. Es gibt hervorragende Weine bereits zwischen 7 und 13 Euro. Da verdient der Winzer noch was und Otto-Normal-Weinkenner kann sie sich noch leisten.