Herr Ober, der Wein korkt – der Klassiker der guten Kommunikation mit dem Kellner im Restaurant? Im ersten Teil dieses Baccantus-Beitrags habe ich mich mit der Korkenfrage im Handel befasst, und zwar einerseits im Verhältnis von Kunde zum Händler, und andererseits in den Vertragsbeziehungen zwischen Winzer und Korkhersteller bzw. Korkenverkäufer.
Nun gehen wir zurück ins Restaurant
Markus Budai von budi’s foodblog fragte mich, wie das denn mit dem Korkern im Restaurant sei, auch bei Raritäten oder teuren Flascherln wie Petrus oder Yquem. Und einen Moment muss man schon über diese interessanten Fragen nachdenken. Darf der Kellner bei anderer Beurteilung über den Kork- respektive TCA-Gehalt des Weines auf eine Bezahlung bestehen?
Ob dies im Sinne der Kundenbindung sinnvoll wäre, oder ob nicht etwa ein Umtausch wie im Handel, der ja auch nicht immer und in jedem Falle auf einer Rechtspflicht, sondern auch auf Kulanz beruhen kann, die letztlich intelligentere Lösung darstellt, steht auf einem anderen Blatt.
Wie würden Sie entscheiden? Wie ist die Rechtslage?
Alles Zapfnasen? Natürlich gilt in Deutschland auch im Restaurant das BGB. Schwerpunkt ist das Schuldrecht der §§ 241 bis 853 BGB. Kauft man eine Flasche Wein im Handel oder auch in einer Bar oder Restaurant zum Mitnehmen gilt insbesondere das Kaufrecht der §§ 433 BGB ff. und entsprechend das dazugehörige Mängelgewährleistungsrecht des § 437 BGB.
Essen & Trinken im Restaurant ist allerdings mehr als der reine Kauf von Speis & Trank, man schließt einen Bewirtungsvertrag mit dem Gastronomiebetrieb, sprich der Gastwirtschaft. Es geht nicht wie beim Kauf um den Eigentumserwerb an den Speisen allein, sondern auch um die Servier-Dienstleistung in angemessener Form, Nutzung von Räumen, Gläsern & Geschirr, etc. Die Juristen sprechen von typengemischten Verträgen mit Kauf- und in diesem Falle schwerpunktmäßig werkvertraglichen Elementen, die in §§ 631 ff. BGB geregelt sind. (Man könnte auch sagen: Der Gast kauft nicht ein Steak mit Beilagen, sondern er lässt sich bekochen… da kommt die Dienstleistung vielleicht etwas klarer zur Geltung).
Ist nun etwa der bestellte Wein verdorben durch Korkschmecker, so folgen die Rechte des Bestellers bei Mängeln aus den §§ 634 ff BGB.
Lecker (Kork-)Schmecker!
Der Gast, also der Besteller, kann nach § 635 BGB Nacherfüllung verlangen, also eine andere Flasche des bestellten Weines. Die Ersatzvornahme nach § 637 scheitert daran, dass auch der Gast nicht den Korkschmecker als Mangel selbst beseitigen kann; eine Ersatzflasche kann er gewöhnlich auch nicht besorgen. Natürlich kann er nach den §§ 636, 323 und 326 Abs. 5 BGB zurücktreten, also auf die Nacherfüllung mit der anderen Flasche verzichten.
Das Mindern der Vergütung gem. § 638 BGB wird im Falle der mangelhaften Leistung in der Gastwirtschaft oft durch Kürzen des Trinkgeldes geschehen, auch wenn dies den (manchmal unschuldigen;-) Kellner trifft, nicht aber den schlechtleistenden Gastwirt. Korrekt ist also die Kürzung des Entgeltes – sprich der Rechnung, sofern nicht gerade in der Fehlleistung der Bedienung, etwa durch extreme Unfreundlichkeit oder Schusseligkeit der Mangel begründet liegt.
Aber wir waren ja beim Korkschmecker, nicht beim Schlechtkellner.
Auch an Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen ist zu denken, im klassischen Bewirtungsverhältnis bei korkenden Weinen erscheint mir aber eine passende Fallgestaltung um diese Uhrzeit kaum naheliegend vorstellbar. Am ehesten könnte man sich etwa eine zu bewirtende Hochzeitsgesellschaft vorstellen, bei der dann diverse Leistungen mangelhaft erbracht werden.
Der Hersteller des „Gastro-Werkes“, also der Bewirtungsleistung, hat ein Wahlrecht, ob er den Mangel beseitigt oder das Werk neu herstellt. Beim Korkschmecker lässt sich dies verständlicherweise nicht durch Neuherstellung regeln, sondern allenfalls durch eine neue Flasche. Beim zu rohen Steak etwa wäre aber möglich, dieses nachzubessern (nochmal in die Pfanne) oder ein neues Werk in Form eines anderen, weniger blutigen Steaks zu liefern.
Invitatio – die Einladung an den Gast
Die zweite Vorkriegs-Petrus-Flasche muss der Wirt aber nicht in jedem Fall rausrücken: Sowohl die Angebote auf der Speisekarte als auch die der hoffentlich gut ausgestatteten Weinkarte sind lediglich Angebote des Gastwirtes an den Gast, eine Auswahl zu treffen und ein eigenes Angebot durch seine Bestellung abzugeben. Der Jurist spricht von einer sogenannten invitatio ad offerendum, also dem Angebot zum Abschluss eines Vertrages. Erst durch die Annahme kommt der Vertrag zustande, bis dahin kann der Wirt oder für ihn der Kellner dieses ablehnen. Dies ist auch verständlich, kann er doch nicht gezwungen sein, etwa eine schwerreiche Jungesellenbande mit mehr Petrus, Yquem und Co. abzufüllen, als er zur Verfügung hat oder opfern will.
Auch dies ist Teil der Vertragsfreiheit: Man wird seltenst gezwungen, einen Vertrag abzuschließen, aber wenn man ihn geschlossen hat, dann muss man sich in der Regel auch daran festhalten lassen.
Schmeckt nicht? Gibt’s nicht!
Nur, weil der Wein oder das Essen nicht dem eigenen Gusto zusagt, kann man dies natürlich nicht tun. Zu trocken oder zu viel Restsüße sind ja kein Kriterium für einen Mangel, sofern der Wein ansonsten fehlerfrei ist. (ob das auch für Dornfelder halbtrocken gilt? 😉
Wurde der Gast aber falsch beraten, etwa vom Sommelier, sieht die Situation unter Umständen schon wieder etwas anders aus. Bestellen wir beispielsweise einen Diabetikerwein und erhalten einen Restsüßen, so wäre hier an einen fehlerhaften Beratungsvertrag oder ein Verschulden hinsichtlich einer Nebenpflicht zum Bewirtungsvertrag zu denken, nämlich die ordnungsgemäße fachgerechte Beratungsleistung durch den Sommelier… was natürlich erst einmal bewiesen werden muss. Der Sommelier muss dazu naheliegender Weise überhaupt in der Lage sein: In der Spitzengastronomie wird man auch an das Personal andere Kenntnisse und Anforderungen stellen dürfen, als beim kleinen Italiener mit Weinkellner. Und auch bei ersterem wird man sich fragen müssen, ob dieser alle Allergene von allen Weinen auf der Karte kennen muss… letztlich eine Abwägungsfrage.
Neben dem Kork, der hoffentlich nicht in aller Munde ist, kann auch eine fehlende oder falsche Temperierung unter Umständen einen Fehler darstellen – bei einem 28°C warmen Haut Brion wäre ich auch sauer, wenn ich dafür dann zum ohnehin horrenden Preis noch den Gastro-Aufschlag zahlen sollte…
Das „Zinnober“, das um die Zelebration der Weinöffnung oftmals im Restaurant gemacht wird, hat durchaus auch juristisch seine Relevanz. Das Riechen am Kork dient ebenso wie der Probierschluck ja gerade der „Genehmigung“ des Vertrags durch den Kunden, ist dies doch die einzige Möglichkeit, zu testen, ob dieser akzeptabel ist oder nicht. (Das Riechen am Glas bzw. Probieren ist wesentlich sicherer als das Schnüffeln am Korken und chem. Analyse-Utensilien hat man kaum im Restaurant dabei).
Dass dazu so mancher Gast nicht in der Lage ist, steht auf einem anderen Blatt, er hat jedenfalls die Möglichkeit erhalten und kann sich ja auch vertrauensvoll an den Sommelier wenden (sofern dieser vertrauenswürdig ist, wovon wir mal optimistisch ausgehen wollen…)
Austrinken wird man wohl noch…
Eine Flasche auszutrinken und dann zu behaupten, er habe Kork gehabt, mag zwar theoretisch möglich sein, aber ob der Nachweis des Mangels dann noch gelingen kann? Eher nicht.
Das Austrinken selbst lässt sich als konkludent erklärte Genehmigung als im Wesentlichen vertragsgemäß erbrachte Leistung werten, es bedarf also nicht einer ausdrücklichen Erklärung, der Wein sei gut oder eben „Herr Ober, der Wein korkt“ als dessen Zurückweisung. Manchmal reicht eben bloßes Handeln aus. Unanständig wäre es sowieso… aber wer will schon freiwillig korkigen Wein trinken?
Im Falle eines leichteren Korkschmeckers oder eines Fehlers, der sich erst nach einer Weile mit steigender Temperatur zeigt, empfiehlt es sich ebenfalls, die Reklamation unverzüglich nachzuholen, im besten Falle ohne dabei laut nach dem Kellner zu brüllen… man sollte den Sommelier auch den Wein kosten lassen und sich so die Fehlerhaftigkeit bestätigen lassen – aber nicht jeder ist gleich sensibel auch auf leichtere Korkschmecker. Sommeliers oder Restaurantbetreiber, die einen reklamierten Korkschmecker nicht anstandslos und ohne Tamm Tamm zurücknehmen, auch wenn es ein Yquem ist, sollte man… äh, eher meiden.
Natürlich kann der Gast die fehlerhafte Flasche auch mitnehmen (dann muss er sie aber auch bezahlen) inkl. Korken, und in einem Labor auf TCA (Trichloranisol) untersuchen lassen… aber was wäre der Sinn?
Der Wirt hat aber auch beim Essen ein Recht auf Nachbesserung, er kann ihnen eine andere Flasche, einen frischen Fisch servieren, wenn sie die Reklamation rechtzeitig äußern. Also nicht ärgern, einfach reklamieren. Was gar nicht geht:
Ein bisschen Kork muss sein, etwas Bret ist nett?
Über oxidative Noten und Bret (Brettanomyces-Hefen, die den Pferdeschweißton in manchen Weinen verursachen) lässt sich noch streiten, über einen Korkfehler meines Erachtens nicht.
Man liest zwar in manchen Onlineforen auch anderes und auch einige Weinhändler scheinen der (gefährlichen?) Ansicht zu sein, sie könnten die Gewährleistungsrechte des Käufers einseitig ausschließen, etwa in den AGB iSv. „Wein ist ein Naturprodukt, für TCA wird nicht gehaftet“ oder ähnlich. Beim Verbrauchsgüterkauf lässt sich die Verjährung der Gewährleistungsansprüche auch vertraglich nicht zum Nachteil des Käufers auf unter zwei Jahre drücken, vgl. § 475 BGB.
Mag ihn mancher Gast (sofern er nicht vordringlich ist) auch für ein Barrique-Aroma halten (alles schon vorgekommen!) so ist TCA ein Fehler, an dem es eigentlich nichts zu deuteln gibt. Eigentlich. Denn mancher meint anscheinend, dass ein kleiner Korker kein Reklamationsgrund sei, die meisten Gäste würden ihn eh nicht wahrnehmen. Sicher hat nicht jeder die gleiche Sensibilität für TCA (Trichloranisol, der Stoff, aus dem die Korkschmecker sind) Aber gerade diese schleichenden Korkschmecker an der Wahrnehmungsgrenze zerstören schon einen derart wesentlichen Teil des Genusses, der oft erst dann klar wird, wenn man eine zweite korkfreie Flasche öffnet zum Vergleich – übrigens auch im Restaurant ein guter Tipp… sofern man sich mit dem Kellner einig wird.
In der Gastronomie ist – ganz abgesehen von rechtlichen Gesichtspunkten – Feedback einfach wichtig, man darf und soll auch sagen, wenn etwas nicht so ganz oder gar nicht gepasst hat. Das gilt bei schlechtem Service oder verkochtem Gemüse genauso, wie bei korkigem Wein
– alles ist Kommunikation und alles eine Frage des Tonfalls…
- Eckhard Supp in Enobooks: http://www.enobooks.de/aktuell/blog/es-korkt-der-korkdiskussion
- Dirk Würtz zum Thema: http://wuertz-wein.de/wordpress/2011/08/17/kork-es-langt/
- Und hier: http://wuertz-wein.de/wordpress/2011/08/31/und-noch-einmal-korken/
- Zum ersten Teil-Artikel bei Baccantus – Der TCA-Korken im Weinhandel
Korkbilder & Shirts by Stefan Schwytz 2011, das chem. TCA-Schaubild erstellt von kuhnmic als PD (public domaine, gemeinfrei, vgl. Wikipedia). Baccantus-Shirts