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Ich glaub es korkt!

Herr Ober, der Wein korkt – der Klassiker der guten Kommunikation mit dem Kellner im Restaurant? Jedenfalls ein Satz, den viele von uns schon einmal gehört haben und auf den viele gerne verzichten würden. Vielleicht ist es der arrogante Wichtigtuer vom Nebentisch, der seine Kollegen oder eine Dame mit seiner vorgeblichen Fachkenntnis beeindrucken will und prinzipiell an jedem Wein etwas auszusetzen hat? Manchmal kommt es aber auch vor, sagen wir mal in einem renommierten Düsseldorfer Weinlokal, dass der Sommelier weder die Weine, die auf seiner Karte stehen kennt (haben wir den überhaupt?) und dann noch anfängt, mit den Gästen über TCA – sprich Kork oder nicht Kork in einer ausgewiesen hochpreisigen Flasche (eine von vielen) mit den Gästen am Tisch zu diskutieren. Dass unter den Anwesenden ausschließlich Sommeliers, Weinhändler und Winzer waren, macht die kleine Geschichte nur noch delikater. Völlig blamiert hatte sich der Herr dann, als eine zweite Flasche zum Vergleich geordert wurde und man ihn die beiden vergleichen ließ…

Es gibt also auch in Sachen Kork beides: die Wichtigtuer unter den Kellnern und die arroganten Gäste – und beide sind einem gelungenen Abend eher abträglich.

Der beste Wein mit dem größten Idioten genossen ist eben kein Genuss.

Der Korken und das Recht

Beim Blogggwart Dirk Würtz wird die Tage einmal mehr über das Thema Kork diskutiert, allerdings primär aus Perspektive des Winzers bzw. „FlaschenMitKorkVerschließers“. Das Für und Wider einer Verwendung des TCA-anfälligen Naturmaterials Kork wurde dort wie auch anderswo in epischer Breite schon derart oft erläutert und kontrovers ausgebreitet, dass ich hiermit darauf verweise. Dies allerdings mit dem kleinen Hinweis, dass ich einen Schraubverschluss auch bei hochpreisigen Weinen unter Verzicht auf das sinnliche Plopp-Erlebnis beim Entkorken in jedem Falle dem Verlust einer hochwertigen Weinflasche durch Korkschmecker vorziehe – mit dieser Ansicht bin ich sicherlich nicht alleine.

Wie sieht es also rechtlich aus?

Kauft der Winzer einen angeblichen Qualitätskorken, der dann aber nachweislich TCA-verseucht ist, ist die Rechtslage recht eindeutig: der Lieferant hat ein mangelhaftes Produkt geliefert, sofern dies feststehen sollte.
Ein Blick ins BGB zum Thema kann nicht schaden. § 434 BGB  definiert die Freiheit von Sachmängeln zunächst als vereinbarte Beschaffenheit zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs. Soweit keine Beschaffenheit vereinbart wurde, muss sie für die vertragliche Verwendung oder zumindest für die gewöhnliche Verwendung geeignet oder üblicherweise tauglich sein.

So wird man bei einem Flaschenverschluss üblicherweise erwarten dürfen, dass dieser eine Flasche dicht verschließt, auch wenn dies nicht ausdrücklich vertraglich vereinbart wurde 😉 Eine besondere Garantie für die Dichtigkeit muss der Produzent hierfür nicht übernehmen.

Ob ein Korklieferant allerdings eine Garantie für die TCA-Freiheit seiner Produkte übernehmen wird darf bezweifelt werden. Wäre die TCA-Freiheit vertraglich vereinbart, so wäre jede Abweichung hiervon klar ein Mangel. Allenfalls die TCA-Haltigkeit zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs könnte noch diskussionswürdig sein, ist allerdings eher eine Frage des Beweises bzw. der Frage, ob auch nachträglich ein Korken noch infiziert werden kann. (Das müsste man die Experten fragen und wäre im Falle eines Rechtsstreites Stoff für umfangreiche kostspielige Expertengutachten).

Mangelfrei wäre auch ein Korken, der zwar TCA- belastet ist, dies aber in einem derart geringen Maße, dass er dennoch für die gewöhnliche Verwendung geeignet ist, vgl. § 434 I 2 BGB. Ob und wie und bis zu welchem Grad dies der Fall ist entzieht sich ebenso meiner Kenntnis wie die Frage, ob ein infizierter Korken im Laufe der Zeit sich verschlimmert.
Bei einer Lieferung mittlerer Art und Güte (also nicht zugesichert völlig TCA-frei) wird man eventuell einen gewissen Anteil als Ausfall akzeptieren müssen, möglicherweise auch einen geringen Prozentsatz an TCA- belasteten Korken, sofern diese nicht eine entsprechende Schwelle überschreitet.

Viel wichtiger erscheint allerdings die Frage nach den Konsequenzen zu sein. In § 437 BGB sind die Rechte des Käufers bei Mängeln skizziert. Bei mangelhafter Sache kann er Nacherfüllung verlangen, von dem Vertrag zurücktreten, den Kaufpreis mindern und Schadensersatz oder Aufwendungsersatz verlangen. So weit, so gut.

Man stelle sich nun aber mal folgendes vor: der Kunde kauft einen korkenden, also mangelhaften Wein beim Weinhändler seines Vertrauens. Dieser hat ihn bei seinem Großhändler erworben, dieser (vielleicht noch über eine Fachagentur) letztlich beim Winzer. Der hat etliche Flaschen vielleicht auch große Gewächse Korken verschlossen, von denen ein gewisser Prozentsatz schadhaft ist… man kann sich das Schlamassel vorstellen, dass nun folgt. Die Regresskette ist zumindest bis zum Winzer hinreichend klar, auch wenn oftmals vieles auf Kulanzbasis läuft und Imageschäden & verlorene Kunden kaum bezifferbar sind:
Der Händler als Unternehmer wird gem. § 478 BGB Rückgriff bei seinem Lieferanten nehmen usw. und so fort. Die kaufmännische Untersuchungs- und Rügepflicht gem. § 377 HGB wird der Weinlieferungen ab einer gewissen Größenordnung insoweit auch eine Rolle spielen, als dass Stichproben zur Qualitätskontrolle erwartet werden können – bei einer 12er Kiste Bordeaux-Subskription könnte dies noch unverhältnismäßig sein, aber wo ist die Grenze?

Der Korken ist ja zumeist im Verhältnis zum Flascheninhalt von geringerem Wert, was die Frage nach dem Schadensersatz aufwirft, der beispielsweise an einer Abfüllung Große Gewächse durch mangelhafte Korken entsteht. Wohl gemerkt: es geht um den Schaden am Inhalt der Flasche(n), nicht um den Korken. Jetzt wird es etwas juristischer:
Ein Schadensersatzanspruch des Winzers gegen den Korkhersteller wegen Zerstörung des Weins durch fehlerhafte Korken könnte sich aus §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 437 Nr. 3 Alt. 1 BGB ergeben.

Neben einem wirksamen Kaufvertrag zwischen den Parteien müsste der Korklieferant (bzw. Hersteller) schuldhaft eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt haben und hierdurch der Schaden am Wein verursacht worden sein. In diesem Fall hätte der Korkhersteller seine Pflicht aus dem Kaufvertrag, die Korken frei von Mängeln zu verschaffen (vgl. § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB), verletzt. Sein Verschulden wird vermutet, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB; eine Widerlegung ist aber seitens des Schuldners (Herstellers) möglich. In welcher Form ist letztlich eine praktische und keine rechtliche Frage. Da es sich um einen Mangelfolgeschaden handelt, ist u.a. die Fristsetzung entbehrlich.

Im Falle der Lieferung einer mangelfreien Sache, sprich Korken ohne TCA, während die edlen Flaschen nicht zerstört worden und der Winzer hätte ihn mit Gewinn weiterverkaufen können.

Er hat daher einen Anspruch auf Ersatz des durch die Zerstörung des Weines entstandenen Schadens einschließlich des entgangenen Gewinns (§ 252 BGB), gegen den Lieferanten bzw. Hersteller aus §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 437 Nr. 3 Alt. 1 BGB.

Nun wieder auf Weindeutsch: fraglich bleibt, ob und wo im Falle einer fehlenden zugesicherten Freiheit von Korkfehlern eine Grenze zu ziehen ist hinsichtlich der Zumutbarkeit, oder ob schon kleinste Beeinträchtigungen derartig schwere Folgen haben, dass auch bspw. ein Ausfall von unter 1/100 nicht hinzunehmen ist. Ebenso stellt sich die Frage nach dem Verschulden des Herstellers, also letztlich dem Fahrlässigkeitsmaßstab bei der Überwachung seiner eigenen Korkproduktion.

Im zweiten Teil dieses Artikels geht es um Korken in der Gastronomie…

Grundsätzlich zur Korkdiskussion: