Eben halte ich das neue Vinum-Heft vom November 09 in den Händen. Beiliegend findet sich das Weinkulturmagazin „ Württemberger“, welches sich – oh Wunder – mal wieder unter anderem mit der Lieblingssorte der Schwaben befasst, dem Trollinger.
Seit gefühlten zwei Jahren betreiben Vinum, die Werbegemeinschaft Württembergischer Weingärtnergenossenschaften und andere mehr einen bemerkenswerten Aufwand, um diese Rebe zum Kult zu erklären. So wurde beispielsweise von Mixology (www.mixology.eu) gemeinsam mit Trollinger2punkt0 ein Cocktailwettbewerb veranstaltet, der Trollinger Cocktail Contest 2009. Der Heilbronner Trollinger-Marathon feiert nächstes Jahr sein zehnjähriges Jubiläum. Das „Trollinger-Jahr“ 2009 neigt sich so langsam dem Ende entgegen, doch sicher ist zur Weihnachtszeit noch mit einer Marketing-Großoffensive rechnen.
Trollinger, auch als Großvernatsch oder Schiava grossa in seiner Heimat Südtirol bekannt, wird weltweit zumeist als Tafeltaube angebaut, während er eigentlich nur in Südtirol und Württemberg auch vinifiziert wird. Hohe Erträge machten ihn in Zeiten der Massenproduktion beliebt und als günstiger, meist blässlicher Schoppenwein für den traditionell anspruchslosen „Trollingerschlotzer“, der ihn gerne auch mit Tellersulz oder sauren Kutteln zu sich nimmt. Nichts gegen Traditionen und nichts gegen Kutteln – jeder, wie es ihm gefällt.
„Leicht, frisch und fruchtig“
Grundsätzlich ist es ja auch nicht zu beanstanden, den angestaubten Touch einer Rebsorte aufzufrischen und marketingtechnisch zu fördern. Es scheint offensichtlich ein nicht unerheblicher, ja wachsender Bedarf an leichteren, zugänglichen und gerbstoffarmen Rotweinen zu bestehen und nichts spricht dagegen, diesen auch zu befriedigen.
Schade nur, dass eine Sorte, die man wohl kaum zu den Cépages nobles, den Edelreben zählen kann, gerade in Württemberg immer noch in besten Lagen überrepräsentiert ist, was naturgemäß zulasten anderer Kandidaten geht. (wenn auch der Trollinger gegenüber den anderen Sorten tendenziell nachgibt). Riesling, Lemberger, Cabernet, Merlot und gerade auch der Spätburgunder gedeihen am Neckar und im Remstal ebenfalls hervorragend mit zumeist wesentlich eindrucksvolleren Ergebnissen, auch wenn sie nicht annähernd mit vergleichbarem Werbeaufwand gepusht werden. Glücklicherweise fühlen sich auch im Schwobeländle immer mehr Winzer und Konsumenten der Qualität verpflichtet, während andere leider noch mit einer „Viertele zur Wurschtplatte“-Einstellung produzieren und konsumieren – es gehören ja immer auch die Käufer dazu!
Eingekochte Erdbeeren, halbtrocken?
Maischeerhitzung und andere Vergehen sind beim Trollinger leider immer noch ebenso verbreitet wie mangelnde Selektion und Mengenreduzierung. Die kurzfristige Erhitzung (ähnlich der Pasteurisierung bei der Milch) auf bis zu 90 Grad zur Freisetzung der Pigmente in der Beerenschale gibt dem Most zwar mehr Farbe, schüttelt aber die Aromen derartig durcheinander, dass oftmals nur noch die Erhitzungsnote im Fordergrund steht. Anderenfalls wird gerne auf eine Cuvée mit Lemberger zurückgegriffen, um ein farbenprächtigeres rundes Ergebnis zu erhalten. Die Gleichung „Keine Maischeerhitzung = besserer Wein“ ist dabei allerdings auch etwas zu vereinfacht; die Weinbereitungsverfahren gelten nicht umsonst als Wissenschaft.
Spaß bei Seite – auch bei der Milch gibt es nicht nur Rohmilch (welche die meisten wegen des starken Kuh-Geschmacks heute nicht mehr mögen und nicht von jedem vertragen wird) und H-Milch (auch die ist trinkbar, liefert eindeutig besseren Milchschaum für Latte, Cappuchino und Co! und ist besser verträglich…) , sondern diverse Zwischenformen wie ESL-Milch.
Zerstörung von Polyphenol-Oxidasen, Vorteile für oxidasereiche Maischen aus faulem Traubengut – natürlich gibt es neben der Farbwirkung auch noch andere positive Aspekte. Besser ist sicherlich die Verwendung von hochwertigem vollreifen Traubengut, auch beim Trollinger.
Aber letztlich gilt auch im Ländle die alte chinesische pälzische Weisheit:
Entscheidend ist, was hinten rauskommt. – (ein berühmter Oggersheimer Weinkenner Dr. Helmut Kohl ¹ 1984
Einsicht oder reines Marketing?
Hinter www.trollinger2punkt0.de und anderen Maßnahmen zur Förderung des blassen Rebensaftes steckt – wen wundert’s – die Werbegemeinschaft Württembergischer Weingärtnergenossenschaften eG in Möglingen, wo auch die große WZG Möglingen ihren Sitz hat. Die großen Genossenschaften sind nun aber nicht eben als große Verfechter einer radikalen Qualitätspolitik mit entsprechend verringerten Produktionsmengen berühmt; hier zählen immer noch Grad Oechsle und abgelieferte Erntemengen, wenngleich natürlich auch in den WZGs inzwischen manche auf internationalen Druck hin umgedacht haben, mit hoffentlich auch spür- und schmeckbaren Resultaten.
Wer allerdings immer noch das große Geschäft mit der Literflasche macht, kann und will der wirklich anders – also ohne Maischeerhitzung? Ohne Erdbeermarmelade?
Es tut sich was im Ländle!
Ob nun Maischeerhitzung oder Maischgärung, vom Trollinger Rosé bis zum Blanc de Noir der Strombergkellerei Bönnigheim, Barrique-Ausbau oder uralte Reben… neue Ansätze und interessante Ideen finden auch interessierte Abnehmer, sofern das Ergebnis stimmt. Ob die großen WZGs nun wirklich ernst machen mit der Qualtitätsoffensive – man wird sehen, immerhin haben einige angefangen. Verbesserungspotential gibt es jedenfalls. Wie es gehen könnte zeigen seit Jahren eindrucksvoll Winzer wie Rainer Schnaitmann und Gert Aldinger in Fellbach sowie Hans-Peter Wöhrwag in Stuttgart-Untertürkheim mit wirklich bemerkenswerten Trolly-Geschöpfen fernab von Schwabenmilch-Folklore und Konfitüre.
Eine bessere Werbung als diese Qualität können meines Erachtens auch kein Trolly2.0-Wettbewerb und keine Hochglanzbroschürenoffensive sein!
Es muss ja nicht immer Trolly sein!
Es sei mir mit Verlaub dennoch gestattet zu sagen, dass mir von allen Winzern (nicht nur den hier exemplarisch genannten) jeweils sowohl die Spätburgunder als auch die anderen angebauten Rotweinsorten noch besser gefielen als die gelobten Trollinger, und das auch im Basissegment, um nicht vom Riesling zu reden;-)
Interessante Weingüter mit guten Trollingern
Rainer Schnaitmann in Fellbach http://www.weingut-schnaitmann.de
Weingut Gerhard Aldinger, Inh. Gert Aldinger www.weingut-aldinger.de
Hans-Peter Wöhrwag in Stuttgart-Untertürkheim – http://www.woehrwag.de
Weingut Klaus Dieter Warth in Stuttgart-Untertürkheim – http://warthwein.de