Winzerview bei Baccantus – Melanie Stumpf über Tradition, Moderne und Gemischten Satz im Fränkischen
Melanie Stumpf, dem ein oder anderen aus dem VDP oder zuletzt von den Medienagenten bekannt, ist unlängst zurückgekehrt ins heimische Fränkische VDP-Weingut Bickel-Stumpf mit Lagen in Frickenhausen/Main und Thüngersheim. Die Eltern Carmen Bickel und Reimund Stumpf gaben dem fusionierten Gut den Namen, ihr Bruder Matthias verantwortet inzwischen Keller und 11,5 ha Reben.
Baccantus: Hallo Melanie, du bist ja vor nicht allzu langer Zeit in die Dienste des heimischen Weingutes Bickel-Stumpf in Franken getreten. Man kannte dich in der Weinbranche aber unabhängig vom Weingut aber auch schon vorher aus dem VDP und von den Medienagenten. Back to the roots bzw. zu den Reben oder wie muss man sich das vorstellen?
Melanie Stumpf: Ja, genau so! Ich habe das Glück, dass sich meine Eltern und mein Bruder bisher hauptberuflich um das Weingut gekümmert haben. Ich hatte den Freiraum im Ausland zu arbeiten, mein Studium zu beenden, beim VDP in der Pressestelle zu arbeiten und dann sogar Agenturerfahrung bei den medienagenten zu sammeln. Jetzt wollen sich meine Eltern mehr und mehr zurückziehen und haben mich gebeten nach Haus zurück zu kommen. Als ich vor über 10 Jahren hier wegging, war ich froh, das beschauliche Landleben hinter mir gelassen zu haben. Mir kam damals alles sehr spießig und langweilig vor. Inzwischen sehe ich das andres und freue mich jetzt wieder dauerhaft hier leben und arbeiten zu dürfen.
B: Von der Pfalz zurück nach Franken – Silvaner wächst in beiden Weinbaugebieten. Wo liegen eure Schwerpunkte in Weingut?
MS: Ganz klar beim Silvaner in allen Variationen. Wir haben den Anspruch zu zeigen, was diese wunderbare Rebsorte alles zu bieten hat. Außerdem haben wir 2 Betriebsstandorte, die 40km voneinander entfernt gelegen sind. Das hat etwas mit unserer Familiengeschichte zu tun. Als meine Eltern heirateten haben sowohl mein Vater seine Lagen nördlich von Würzburg mit in die Ehe gebracht, als auch meine Mutter ihre Lagen an der Südspitze des Maindreiecks. So kommt es, dass wir heute Silvaner auf Buntsandstein und auf Muschelkalk stehen haben. Alleine schon diese Unterschiedlichkeiten herauszuarbeiten, macht große Freude.
B: Und was sind deine Favoriten?
MS: Ich liebe die moderne Leichtigkeit, die ein Silvaner vom Buntsandstein mitbringt. Er ist so herrlich wenig konventionell und passt zu so vielen Gelegenheiten. Klassischer ist natürlich das barocke des Muschelkalks. Die Cremigkeit ist natürlich seit Jahrzehnten das, was man bei Silvanern aus dem Würzburger Raum sucht und so soll es auch in Zukunft bleiben. Trotzdem: im Augenblick trinke ich privat mehr Buntsandstein.
B: Wie sieht der euch die Arbeitsteilung im Betrieb aus, wer macht was?
MS: Nachdem wir Kinder zu Schulzeiten und während unserer Ausbildung die „Mädchen-für-Alles-Rolle“ innehatten, hat sich das inzwischen direkt gedreht. Matthias ist ganz klar für die Landwirtschaft und den Weinausbau zuständig. Ich kümmere mich um den Rest und meine Eltern sind beide ganz tolle „Mädchen-für-Alles“. Da haben wir wirklich großes Glück 😉
B: Bei fränkischen Weinen denken viele zunächst an Bocksbeutel, Silvaner und natürlich die Region rund um Würzburg. Frickenhausen liegt ja auch am Main…
MS: Wenn man aus Würzburg nach Süden rausfährt liegen die Dörfer wie Randersacker, Sommerhausen und Frickenhausen wie kleine Perlen am Mainufer. Super süß, meist mit einer Dorfmauer, Kirche in der Mitte und Weingutsgebäuden im Ortskern. Es ist schon ein bisschen Disneyland hier. Der Bocksbeutel gehört natürlich dazu. Diese Dinge sind die absolute Heimat für mich.
B: Über die Bocksbeutelflasche an sich kann man ja geteilter Ansicht sein. Ihr füllt ja nicht nur im Einstiegssegment, sondern gerade auch euren Mönchshof GG in diese ähem, unhandlichen Flaschen.
MS: Wir werden nie auf den Bocksbeutel verzichten, auch wenn wir in gewissen Segmenten in die Burgunder-Flasche gehen. So auch in Zukunft bei unserem Parade-Weinberg dem Mönchshof.
B: Wie kommt eine twentysix Cuvée Weiß QbA bei euren Kunden an und was ist drin?
MS: Zum >>26<< gibt es eine Geschichte. Mein 26. Geburtstag war der Sonntag an dem wir uns diesem Wein ausgedacht haben. Wir wollten einen Wein machen, der eine gute und trinkfreudige Basis hat und in der Nase mit viel Duft daher kommt, ohne schnell satt zu machen. Also haben wir ein Cuvée aus Riesling und Silvaner für den Unterbau zusammengestellt und diesem dann in homöopathischen Dosen Traminer, Scheurebe und Bacchus hinzugefügt. Das war schon ganz lecker und so haben wir einfach mal 1000 Flaschen gefüllt. Die Flaschen wurden an Freunde verschenkt, oder in unserer Vinothek mit einigen Kunden verkostet. Der Großteil wurde aber auf diversen Grillfeten in seiner natürlichen Umgebung getestet und weitestgehend für gut befunden. Auf die weißen Etiketten aus dem Bürobedarf haben wir einfach mit Hand eine große 26 draufgemalt. So ist der Name entstanden. Im Jahr danach kamen schon die ersten Leute und fragten wann es denn den neuen Jahrgang vom 26 geben würde.
Die Cuvée hat inzwischen unser komplettes Gutsweinsortiment eingenommen und sich eine große Fangemeinde aufgebaut. Es ist der gute Einstiegswein, der nicht besonders viel Aufmerksamkeit braucht und relativ flexibel zu diversen Speisen einsetzbar ist. Besonders wichtig war uns, dass der 26 auch zu scharfen oder gegrillten Speisen passt, so dass er auch exotische Gerichte wunderbar begleiten kann.
B: Biowein ist sicher mehr als ein Trend, auch bei Euch ein Thema?
MS: Natürlich. Wobei wir immer wieder versuchen, dies nicht zu Thematisieren. Der nachhaltige und umweltschonende Umgang mit unseren Weinbergen ist uns schon deshalb wichtig, weil damit die Qualität der Trauben und am Ende die des Weines verbessert wird. Sprich: biologische, naturnahe und biodynamische Bewirtschaftung ist bei uns keine Frage der Philosophie, sondern der Qualität. Wir tun alles das, was wir für sinnvoll erachten im Hinblick auf die stetige Verbesserung der Qualität unserer Weine. Dabei gilt immer: die Qualität wächst im Weinberg. Uralter Spruch, aber immer noch aktuell.
B: was ich sehr spannend finde – Ihr habt einen „Gemischten Satz“ im Portfolio. Das kennen die meisten Weinfreunde hierzulande allenfalls aus den österreichischen Weinbauregionen Wien und der Steiermark, wenn überhaupt. Dabei ist es eine traditionelle Art des Weinanbaus, die auch heute noch ihre Vorzüge und ihre Liebhaber hat. Fränkischer gemischter Satz 1699, Spielerei auf hohem Niveau, Exot oder ein ernsthaftes Projekt mit traditionellem Hintergrund?
MS: Unsere Weinberge sind in den 60er und 70er Jahren alle flurbereinigt worden. D.h.: es gibt definitiv keine alten Rebbestände mehr. Unsere ältesten Weinberge sind dementsprechend maximal 40 Jahre alt. Zu dieser Zeit hat man keinen GS mehr gepflanzt, das war einfach nicht modern.
Heute beschäftigen wir uns wieder mit den Methoden unserer Großväter und versuchen, hier die vergessenen, aber durchaus sinnvollen Dinge wieder auszugraben. Das beginnt bei der ökologischen verantwortungsbewussten Landwirtschaft, geht über das Experimentieren mit spontaner Vergärung und betrifft eben auch die Reanimierung alter Anbauweisen wie dem GS. Uns interessiert einfach, was dabei herauskommen kann. Leider haben wir keine Großväter mehr, die uns ihre Erfahrungen en Detail weitergeben könnten. Daher müssen wir uns dies selbst erarbeiten und haben uns aufgrund dessen 2007 dazu entschlossen, diese alte Form der Weinbergsanlage wieder aufleben zu lassen. Bisher haben wir 2009,2 1010 und 2011 geerntet, jedes Mal eine verschwindend geringe Menge, aber dennoch sehr aufschlussreich. Die Weine sind allesamt extrem klar und sehr puristisch. Das ein oder andere Mal schmeckt man den Traminer im Hintergrund recht deutlich, wobei das immer wieder in der Intensität variiert. Der GS ist unser Spielplatz zum ausprobieren. Der klare Fokus bleibt beim Silvaner, doch alle Erfahrungen, die wir sammeln können, fließen mehr oder minder in alle Weine ein, die wir auf die Flasche bringen.
In unserem GS sind viele alte Rebsorten, er hätte in dieser Form schon vor 100 Jahren am Kapellenberg stehen können. In dem Weinberg haben wir 10 verschiedene Sorten gepflanzt, die auch im ursprünglichen fränkischen GS Verwendung fanden:
Silvaner ~ Weißer Elbling ~ Roter Elbling ~ Riesling ~ Gelber Muskateller ~ Gewürztraminer ~ Goldmuskateller ~ Weißer Gutedel ~ Roter Gutedel.
B: Tradition und Moderne. Wenn man eure Flaschen & Etiketten anschaut, denkt man: Geht also auch beides. Liegt man damit daneben?
MS: Wir sind ein junges Weingut, das im Grunde erst mit der Heirat meiner Eltern im Jahr 1976 entstanden ist. Dazu stehen wir. Deshalb siehst Du bei uns kein Wappen, keine Wappentierchen und auch keine für die Kunden ausgestellte Ahnentafel. Das wären nicht wir. Unsere Etiketten sind so gestaltet, dass sie zum einen eindeutig sagen welcher Wein in der Flasche ist und uns zum anderen persönlich gefallen.
B: Gute Beziehungen in die „Flaschenpost-Kommunikation & Design“ müsstest du ja jetzt haben… 😉
MS: Ja, klar 😉
B: Melanie, vielen Dank für dieses Gespräch!
Weingut Bickel-Stumpf– Bildrechte beachten! Bilder mit freundlicher Gestattung des Weingutes Bickel-Stumpf.
Portrait Melanie von Andreas Durst.