„Im Sommer da regnet’s im Winter da schneit’s…
…in der Schweiz, in der Schweiz, in der Schweiz!…“
Und da es 300 m weiter hinter der Grenze, sprich in Konstanz auch seit Stunden schüttet ohne Ende, verzichte ich heute auf eine weitere Dusche und den nassen Weg zum eidgenössischen Händler und wende mich stattdessen enzyklopädisch und deskriptiv dem Thema der diesmaligen Weinrallye zu, initiiert vom Gastgeber Peter Züllig.
Die Schweiz, der unbekannte Wein-Nachbar?
Der Unwissende denkt beim Thema Schweiz klischeehaft an Berge, Käse, Banken und deutsche Steuerflüchtlinge. Wer sich ein wenig mehr mit der Schweiz befasst, dem wird schnell auffallen, dass die Eidgenossen ein Land von Genießern sind, präziser formuliert, ein Land, in dem zum einen eine unglaubliche Vielfalt herrscht, zum anderen diese Vielfalt auch qualitativ höchst ausdifferenziert ist. Dies gilt freilich auch für den Weingenuss, den die Schweizer trinken nicht nur mehr Wein als viele ihrer europäischen Nachbarn, sie geben auch mehr Geld für das Genussmittel aus und erwerben hochwertigere Weine, ganz unabhängig vom Wechselkurs. Wer mit offenen Augen etwa durch Zürich läuft, dem wird schnell auffallen, wie viele Weinbars (oft mit erstaunlichen Positionen auf der Karte) es hier gibt und dass sich dort auch jüngere Menschen tummeln. Da nur etwa 2 % der inländischen Produktion ins Ausland gelangt, sind diese teils herausragenden Geschöpfe vielerorts gänzlich unbekannt.
Etwas Statistik: 2010 wurden knapp über 3 Millionen hl Wein effektiv konsumiert, davon 874’514 hl Weißwein und 1’928’826 hl Rotwein. Das macht dann knapp 50 Flaschen pro Kopf. Der Anteil an inländischen Weinen betrug 2010 38 % gegenüber 62 % importierten Weinen.
2010 gab es in der Gesamtschweiz 14’942 ha Rebfläche, wovon mit über 5000 ha das Wallis der grösste Weinbaukanton der Schweiz ist. Aber eigentlich wird in allen Schweizer Kantonen, selbst in Glarus und Zug, Wein angebaut.
Chasselas, Pinot Noir und Gamay sind die Schweizer Hauptsorten, dabei gibt es etliche lokale Spezialitäten und autochthone Rebsorten wie den Completer in der Bündner Herrschaft, Humagne blanc, Heida und Petite Arvineaber natürlich finden sich auch Müller-Thurgau, Chardonnay, Silvaner und Sauvignon Blanc und weitere bekannte internationale Sorten.
Ein paar meiner Favoriten aus der Ostschweiz, gänzlich subjektiv.
Neben etlichen bemerkenswerten Chasselas (Gutedel) aus dem Waadtland (am Genfer See, Chablais, Lavaux, La Côte) sowie diversen Pinots, Gamays, Doles und der Spezialitätenweine wie Heida aus dem Wallis schlägt mein Schweizer, pardon, Schwytzer Weinherz vor allem für die Ostschweiz.
Die Bündner Herrschaft, vom Bodensee das Rheintal flussaufwärts zwischen Lichtenstein und Vorarlberg am Rande des Rätikons gelegen, ist eine relativ kleine Anbaufläche, allerdings dicht gespickt mit herausragenden Weinflächen und durch ein besonderes föhn-beeinflusstes Mikroklima verwöhnt. In den Gemeinden Fläsch, Maienfeld, Jenins und Malans finden sich einige der wohl auch außerhalb der Eidgenossenschaft bekanntesten Winzer: Gantenbein, Hansrüedi Adank, Georg Fromm, um nur einige zu nennen.
Die Bündner Herrschaft ist Blauburgunderland, und die Pinot Noirs aus der Region föhn-beeinflusstes sich mit Sicherheit nicht vor ihren deutschen Nachbarn verstecken, in der Spitze ohnehin nicht, aber auch im Basissegment zeigen sie sich meist mit eigenständigen Charakter und oftmals burgundischer Anmutung.
Wenn jetzt bei der Weinrallye jemand auf die Idee kommt, den Pinot von Gantenbein zu beschreiben, na dann herzlichen Dank. Ich habe ihn auch schon bei verschiedenen Anlässen verkrustet, zuletzt auf der diesjährigen ProWein. Allerdings dürfte es äußerst schwierig sein, eine Flasche zu ergattern, daher erscheint es mir sinnvoller, über erhältliche Kandidaten zu schreiben.
Einige hatte ich schon vor Jahren hier im Baccantus-Blog beschrieben, und von diesen gehören die folgenden immer noch zu meinen Favoriten:
Schloss Salenegg in Maienfeld, mit einem großartigen Chardonnay aus dem Barrique, sowie dem traditionellen Blauburgunder «Schloss Salenegg» und seinem großen (großartigen) Bruder, dem Pinot Noir aus dem Barrique.
Das Weingut Donatsch in Malans liefert nicht nur einen der vielleicht besten Weine aus der autochthonen Rebsorte Completer, sondern auch verschiedenste Pinot Noirs, die jedes Jahr wieder aufs Neue begeistern.
Hansruedi Adank aus Fläsch liefert ebenfalls seit vielen Jahren beständig herausragende Spätburgunder bzw. Blauburgunder, wie sie in der Bündner Herrschaft genannt werden. Vom Fläscher Pinot noir über die Auslese und den Barriqueausbau bis hin zum PINOT RhEIN – einer feiner als der andere. Auch der Syrah von Adank ist mehr als nur ein interessantes, gelungenes Experiment.
Die meisten der genannten Weine bewegen sich im Preissegment von 18-60 CHF. Das mag auf den ersten Blick „gehaltvoll“ sein, allerdings bewegen können wir uns bei den genannten Weinen schon in einem wirklich herausragenden Segment, für das man bei vergleichbarer Qualität in Burgund etliches mehr auf den Tisch blättern muss.
Aus anderen Kantonen:
Aus dem Waadt kann ich die Domaine la Colombe, Féchy, empfehlen, und zwar vor allem für das erstklassige Chasselas-Sortiment und die herausragende Top-Cuvée Amédée aus Savagnin (Heida), Chardonnay, Doral und Chasselas.
Quasi aus der Nachbarschaft, dem Thurgauer Weinfelden stammt Martin Wolfer vom Weingut Wolferwein. Müller-Thurgau, Pinot Noir, Pinot Gris, alles äußerst empfehlenswert. Wenn ich Weinfelden noch zur erweiterten Bodenseeregion zählen darf, dann gehören die Wolferweine zu meinen Lieblingen der Region, und zwar vor den meisten Badischen „Seeweinen“.
Alle hier genannten Weine & Winzer kann ich wärmstens (oder ggf. wohl temperiert;-) empfehlen!
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