Das Winzerpaar Luise Frfr. v. Racknitz-Adams und Matthias Adams werden seit ein paar Jahren als inzwischen nicht mehr ganz so geheimer Geheimtipp in Sachen authentische Rieslinge gehandelt. Am Disibodenberger Hof bauen sie seit dem Jahr 2003 einige der spannendsten Weine von der Nahe an.
Rund um die Wirkstätte der Heiligen Hildegard von Bingen an der Klosterruine Disibodenberg wird seit vielen Jahrhunderten Weinbau betrieben und schon die alten Römer wussten die Region des mittleren Nahetals an der Mündung des Glan zu schätzen. Seit dem 11. Jahrhundert steht der ehemalige Klosterweinberg ununterbrochen unter Reben.
Sensationelle unkonventionelle Weine! „ungemacht“ puristisches Terroir
– schrieb neulich jemand in meiner Timeline, und es passt:
Das erste, was einem in Bezug auf die Rieslinge vom Weingut Racknitz einfällt, sind die viel zu häufig verwendeten Begriffe #mineralisch und #Terroir. Riesling kann bekanntermaßen ein „Gesteinswein“ sein, also einer, bei dem man merkt, ob er auf Schiefer oder auf Löss gewachsen ist. Kann.
Es gibt auch genügend gemachte, gestylte Rieslinge, die auf einen bestimmten Stil hin getrimmt wurden. Hier aber liefern bei gleicher Machart und Philosophie die verschiedenen Böden klar verschiedene, eigenständige Weine, die ihresgleichen suchen.
Anständige Rieslinge für um die 10 € finden sich in Deutschland zuhauf, darunter viele, die man schon vergessen hat, bevor die Flasche im Glascontainer landet. Daher freue ich mich über jeden Wein, der aufgrund seiner Eigenständigkeit im Gedächtnis bleibt.
#Terroir wird als Bonmot von vielen Produzenten gerne und häufig im Munde geführt, die zumindest eine andere Vorstellung von diesen Begriff haben als ich. Vor ein paar Jahren hatten wir eine Diskussion unter Weinfreunden über diesen vielfach überstrapazierten Begriff und ich holte eine Flasche Riesling trocken „vom Schiefer“ aus dem Keller. Was „mineralische Noten von Grau- und Rotschiefer“ sein könnten, war jedenfalls danach nicht mehr Teil der Diskussion, sondern offensichtlich. Und beim „Vulkan“ wird auch dem passionierten Müller-Thurgau-Trinker sofort klar, dass das kein Kalkstein sein kann.
Wer spontanvergorene , individuelle Terroir-Weine schätzt, kann hier fündig werden: Racknitz und Adams bemühen sich mit jedem Jahrgang, die Charaktere der unterschiedlichen Gesteinsarten ihrer Weinberge klar ausdifferenziert auf die Flasche zu bringen.
Freilich kann nicht jedes Weingut mit einer derartigen Fülle und unterschiedlichen Bodenarten aufwarten, über Kiesel und verschiedene Arten von Schiefer bis hin zum Vulkangestein reicht die Bandbreite. Spontanvergärung, langes Hefelager von 9 Monaten und mehr, saubere Selektion sowie Rebstöcke im besten Alter führen auch in Verbindung mit einem derart abwechslungsreichen Lagenspiel noch nicht zwangsläufig zu bemerkenswerten Weinen, welche nebenbei bemerkt mit 13 EUR ab Hof eher am unteren Ende dessen angesiedelt sind, was man für vergleichbare Qualitäten anderswo auf den Tisch legt.
vom Kieselgestein /vom Vulkangestein /vom Schiefergestein
Bei allen drei Riesling-Gesteinsweinen wurden die Trauben im selben Zeitraum gelesen und absolut identisch verarbeitet, 9 Monate Hefelager, Ausbau in Edelstahltanks. Bei den Lagenweinen sowie dem Silvaner und dem gemischten Satz setzt man bei v. Racknitz sogar auf 12 Monate Hefelager. Abgefüllt wurden die Weine Ende August 2013.
„Im Keller haben wir an allen Weinen wie immer nichts gemacht, die Weine sind in diesem Jahr sogar im Hinblick auf die Analytik fast 100% identisch – ohne unser Zutun.“ – meint Matthias Adams auf Nachfrage. Kontrolliertes Nichtstun im Keller, nennt sich das dann.
Die Weine präsentieren sich zugegebenermaßen derzeit noch recht jugendlich – keiner meiner Adjutanten aber zweifelt daran, dass man allen drei ein nicht unerhebliches Lagerpotenzial zusprechen kann. In jugendlicher Frische zeigt sich auch gerade beim Vulkan und Schieferboden eine feine, aber dennoch merkliche Kohlensäure. Matthias Adams spricht dabei über die mehr oder weniger flüchtigen Kohlensäuren von einem Vorteil der langsam gärenden Sponti-Weine, wenn sich die Kohlensäure im Wein hält und nicht durch eine stürmische Gärung zusammen mit Aromen entweicht.
In unserer Verkostungsrunde ergibt sich nach dem ersten Durchlauf bereits ein etwas anderes Bild als beim Jahrgang 2011: dort war die Reihenfolge der verkosteten Gesteinsweine: Vulkan vor Schiefer vor Kiesel, für den Jahrgang 2012 zunächst Kiesel, Vulkan, Schiefer, auch wenn die Bewertungen recht nahe bei einander liegen. Aber dazu im Einzelnen:
»Vom Kieselgestein«
Aus der Einzellage Oberhäuser Kieselberg. Flusskies, 30 – 50 Jahre alte Rebstöcke, Ertrag 50 hl/ha, Spontangärung in Edelstahltanks.
Der Kieselstein präsentiert sich schon in der Nase derzeit am harmonischsten. Eine fein ausgewogene Mischung aus Grapefruit und Limetten, etwas frisch gehackte Salatkräuter und dezente Blüten. Die im Geruch noch leichte Mineralik ist am Gaumen sofort präsent, ohne zu nerven, lässt sie sich doch von nicht übertrieben reifen Mirabellen und feinem Säurespiel begleiten. Eine runde Sache mit anständigem Nachhall, die Flasche ist trotz Parallelverkostung als erste leer…
»Vom Schiefergestein«
Lagen: Odernheimer Kloster Disibodenberg, Niederhäuser Hermannshöhle, Niederhäuser Rosenheck. Disibodenberger Schichten, grauer Schiefer. 30 Jahre alte Rebstöcke, Ertrag 50 hl/ha, Spontangärung in Edelstahltanks.
Deutlich herber schon in der Nase als der Kiesel. Ist ja auch Schiefer. Man bekommt die klare Kante direkt auf den Zinken. Mineralische Töne mit Kräutern, Gras und Grapefruit. Sehr schlank im Mund, etwas Minze und Liebstöckel, ein Spartaner im Vergleich zum Kiesel. Präzise geschliffene Säure, nichts für Angorahasenstreichler. Anständige Länge, kann derzeit aber noch nicht an die alten Schieferböden ran. Muss ja auch nicht. Zeit ist Teil der Philosophie. Langsam vergären, langsam reifen lassen, langsam trinken. 5 – 10 Jahre? Kein Thema. Läuft. Auf Wiedervorlage nächstes Frühjahr zur ProWein.
»Vom Vulkangestein«
Lagen: Schloßböckelheimer Königsfels, Niederhäuser Klamm, Traiser Rotenfels. Ryolith-Vulkangestein, 40 Jahre alte Rebstöcke, Ertrag 50 hl/ha, Spontangärung in Edelstahltanks.
Eine merklich mineralische, etwas rauchige Nase, ich muss an den nassen Sägevorplatz des Steinmetz‘ meines Vertrauens denken. Weiße Blüten, nicht ganz so intensive gelbe Frucht wie 2011. Merklich säurebetont am Gaumen, stahlklar ohne jeden Zierschnörkel, zack! Mit etwas Luft, Zeit und Wärme kommen komplexere, dichte Strukturen zum Vorschein, aber es hilft nichts, wir müssen das in einem halben Jahr auf jeden Fall nochmals probieren. Kein lauter Blender, eher ein feingliedrig subtiler Typ und auf den zweiten Blick derzeit der eleganteste unter den Dreien.
Alle Weine ab Hof-Preis: EUR 13,00 bei 0,75 l, von-racknitz.comZum Nachtisch zieht der Weinanwalt dann noch einen Château Poupille AOC Côtes de Castillon BDX auf, Jahrgang? Egal. Der Dude greift zur Back in Black, von Vinyl, versteht sich. Der Franzose zuckt extatisch.
Have a Drink on Me – aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden…
Alle Fotos freundlicherweise von Weingut v. Racknitz, alle Rechte beachten!