Qualitätsschwankungen sind in Bordeaux eher die Regel als die Ausnahme, was nicht nur an den Unbilden von Wetter und Atlantikklima liegt.
Auch bei den Großen Crus kommt es im Laufe der Jahre und Jahrzehnte oft zu erheblichen Ausschlägen, was sich insbesondere nach Besitzerwechseln oder neuem Personal in Keller und Weinbergen zeigt.
Einer der Überflieger der letzten Jahre kann davon ein Lied singen: Das Cinquième Grand Cru Classé-Gut Château Pontet-Canet aus der Appellation Pauillac im Médoc befindet sich gerade obenauf, während es vor einigen Jahrzehnten eher bescheidenere Weine auf die Flasche füllte, zumindest wenn man den Klassenvergleich der Cinquièmes zurate zieht.
Pontet-Canet war neben den gigantomanischen Doppel-„Jahrhundertjahrgängen“ 2009 und 2010 eben auch im „soLala“-Jahr 2012 eine verlässliche Größe, was man sicher nicht von allen Berühmtheiten im Bordelais behaupten kann. Manche halten ihn sogar für den besten 12er im Medoc… aber wer will schon jetzt einen solchen im Embryonalzustand trinken und stets zu Superlativen greifen?
René Gabriel sprach von einer Art Massenhysterie und einem untypischen Jahrgang, aber man wird sehen. Die zahlreichen PC-Fans werden jedenfalls nicht weniger.
(nur so zur Preislichen Einordnung: 2009 PC sofern erhältlich liegt um die 250 € / Fl., 2010 bei 220 € und 2012 bei 80 €/ Subskriptionspreis)
Hauts de Pontet Canet – Zweitwein ohne Appellationsbezeichnung!
Doch nun zum aktuellen Skandal, der im Médoc wohl ohne Vergleich sein dürfte:
Wie die Terre de Vins online heute am 22.10.2014 berichtet wurde dem Zweitwein von Château Pontet Canet, dem « Les Hauts de Pontet Canet » die Genehmigung für den Jahrgang 2012 verweigert, unter der AOC Pauillac auf den Markt gebracht zu werden. Er wird nun wohl degradiert unter dem Namen Vin de France verkauft werden müssen, und das kurz bevor der neue Jahrgang auf den Markt kommen sollte.
[Vin de France werden inzwischen Weine ohne Herkunftsangabe bezeichnet, die früher unter der Kategorie Vin de Table (Tafelwein) vertrieben wurden.]
Das durch die Appellation mit der AOC-Prüfung beauftragte Privatunternehmen Qualisud verweigerte die AOC-Anerkennung, da der Zweitwein von Pontet Canet nicht den Vorgaben der erforderlichen Typizität für einen Wein aus Pauillac entsprechen.
Nach Jean-Michel Cazes, dem Präsidenten der ODG Pauillac (Organisme de Défense et de Gestion) , ist Qualisud selbständig und allein für die Kontrolle der Weine der AOC Pauillac nach deren Vorgaben verantwortlich, ohne dass seitens des Verbandes bei Analysen oder Blindverkostungen dazwischengefunkt wird. Diese werden von einer Jury aus fünf freiwilligen Fachleuten durchgeführt, die nicht dafür bezahlt werden.
Alfred Tesseron, der Inhaber von Pontet-Canet meint dazu:
« Das ist eine Premiere in meinen 30 Jahren Berufserfahrung. Ich verstehe diese Entscheidung nicht. Glücklicherweise jedoch halten mir meine Händler weiter die Treue: praktisch keiner hat seine Vorbestellungen annulliert. »
Dem ausgezeichneten Ruf und dem Run der Fans auf die Weine von Pontet-Canet wird die Deklassierung des Zweitweines ebenso wenig einen Abbruch tun, als es die Verkostungsnotiz von René Gabriel zum Hauptwein des selben Jahrganges tut, welchen er zwar als „ausserhalb des Klassik-Bereiches“, aber dennoch mit 18/20 Punkten bewertet.
« […] die leicht spröden Tannine geben dem Wein eine toskanische Affinität und erinnern so an einen grossen Sangiovese. Die ausstrahlende Hitze passt überhaupt nicht zum Jahrgang. Also ist das ein Sonderfall. […] Sicherlich ein grosser Wein, momentan wenig Typizität zu einem bisherigen Pontet-Canet ausstrahlend. »
Ein neuer Sassicaia?
Inwieweit der Hauts de Pontet Canet tatsächlich dem geltenden Regelwerk zuwider läuft, lässt sich von hier aus schwerlich beurteilen. Wenn harte Fakten wie Methoden, verwendete Rebsorten etc. nicht regelkonform wären, ist dies sicher leichter als AOC-Verstoß zu werten, als eine Degustationsprobe, die von 5 Experten blind durchgeführt wird und dann den Wein wegen Atypizität nach der organoleptischen Prüfung ausschließt.
Der vielleicht eigenwillige Stil der Star-Önologen M. Rolland und J. Boissenot wird auch künftig dem Hause Pontet-Canet glänzenden Absatz bescheren, denn der Stil weiß zu gefallen. Tesseron und Jean-Michel Comme wissen jedenfalls, was sie tun, und der Erfolg wird ihnen auch künftig Recht geben, den zahlreichen Neidern zum Trotze. Eine echte Revolution wäre es ja, wenn das biodynamisch arbeitende Chateau selbst mit dem Erstwein aus der AOC Paulliac aussteigen würde. Super Bordeaux statt Supertoskaner?
[EDIT 04.11.2014 : Hier noch ein lesenswerter Kommentar auf dem Blog von Nicolas de Rouyn – Bonvivant, presque tous les plaisirs de la vie (auf französisch) über den Nationalsport der Franzosen, exzellente Unternehmen/Unternehmer abzuschießen. Könnte auch in Deutschland passieren…]
ein sehr informativer Artikel, ich bein ein Fan von Pontet Canet und natürlich auch von den Zeitweinen, habe gerade noch 2009er Hauts Pontet Cantet
erwerben können, diese Weine sind schwer zu bekommen.
Weiß man denn schon etwas zur Preisgestaltung von Hauts Pontet Canet 2012, wie hat sich die Weigerung zum AOC Status auf die Preise ausgewirkt?
Hallo Herr Schneider,
wenn ich beispielsweise die Preise/Subskription vom BDX-Händler Herrn Hilse bei http://www.aux-fins-gourmets.de/ heranziehe, so lässt sich feststellen:
– Hauts de Pontet-Canet 2012 / Zweitwein 35 €
– Château Pontet Canet 2012 84,00 €
– Château Pontet Canet 2010 225,00 €
– Château Pontet Canet 2009 245,00 €
– Château Pontet Canet 2008 110,00 €
– Château Pontet Canet 2014 Subskription 89,00 €.
Eine nicht unerhebliche Schwankungsbreite, aber unabhängig von der AOC-Klassifizierung, denke ich. Die Sensationsjahrgänge 2009-2010 sind anderswo ebenfalls exorbitant hochpreisiger als die Folgejahrgänge… ich bin sehr gespannt, wie sich 2008 in den nächsten 5 Jahren entwickelt!
Viele Grüße vom Weinanwalt!