Baccantus kopfüber
Ich hatte hier schon über das Weingut Patina in Orange, New South Wales berichtet, jedoch hatten wir uns die Verkostung der mitgebrachten Weine bewusst aufgespart, um nicht von den Reiseeindrücken beflügelt all zu überschwänglich zu sein.
Nun ist genug Zeit ins Land gezogen und so widmeten wir uns im Rahmen einer Verkostungsrunde den ersten mitgebrachten Weinen und erlebten dabei gleich zu Anfang eine gehörige Überraschung.
Der vom Winzer als „glücklicher Unfall“ bezeichnete Dessertwein kam einzig und allein deshalb zu Stande, dass ihm jedes Mal das Herz blutete, wenn er aus seiner alten Korbpresse die Schalen entfernte und dabei merkte, wie nass sie noch waren. Diesmal füllte er genau diesen Saft ab und gab die Hefe hinzu, unsicher wie sich das Experiment entwickeln würde. Als er jedoch nach einigen Tagen wieder danach sah und Ihn ein feines Aroma von grünem Tee empfing, war er sicher, etwas Besonderem auf der Spur zu sein. Und genau diesem Eindruck konnten wir uns ebenfalls nicht erwehren…
Litschi-Grüntee?
Schon der Geruch ist phantastisch und absolut ungewöhnlich, zumindest was die uns vertrauten Geruchseindrücke aus der europäischen Rieslingwelt betrifft. Grüntee und Litschi, und zwar nicht gemäß der in der Weinwelt üblichen und teils etwas befremdlich anmutenden Assoziationen und blumigen Umschreibungen, sondern in einer erstaunlichen Offenkundigkeit.
Pfirsichschnee?
Vorne weiße Pfirsiche mit angenehm präsenter Säure und ein Hauch von Jasmin. Klar strukturiert und präzise. „Er schmilzt auf der Zunge wie frischer Pulverschnee“ meinte unser französischer Weinfreund Denis zum Eindruck im Mund… bei nur 7,8% wirklich eine pulverschneeleichte Stofflichkeit.
Kein Wein im klassischen Sinne und auch nicht vergleichbar mit unseren restsüßen Rieslingen, schon gar nicht mit einer Trockenbeerenauslese oder einem Eiswein, der „Sticky Tea“ erinnert eher an Bionade, was in diesem Falle durchaus nicht abfällig gemeint ist. Nach einer Weile entwickeln sich Apfeltöne im Glas, und zwar grüne Äpfel – später einigen wir uns auf Gravensteiner, bei deren Geruch mir schon das Wasser im Munde zusammenläuft.
Es gesellen sich auch noch ein paar Zitrusnoten hinzu, etwas Bergamotte oder Bitterorangen. Das feine Stöffchen hat eher die Attaque eines feinen Fruchtlikörs, aber ohne jeden billigen Ethanol-Stich. Ein Vergleich von Wein mit Parfum ist zwar schwierig, aber ich sag jetzt einfach mal: „L’Eau d’Issey pour Homme“, vielleicht versteht ja trotzdem jemand, was ich meine?
Schnupfen statt Trinken
„Man möchte ihn am liebsten schnupfen oder als Aerosol in die Nase zerstäuben!“ Von diesem Vorschlag haben wir dann doch abgesehen, obwohl es sicherlich ein interessantes Experiment gewesen wäre… Dazu frische lauwarme Brioches und ein Zitronensorbet, aber keinesfalls Schokolade!
Alles in allem ein bemerkenswerter Riesling und in der Tat ein „happy accident“!