Der große Einfluss und die Macht des Kritikerpaten Robert Parker – ein leidiges und launisches Thema, über das immer wieder viel geschrieben wird, so wie zuletzt von Manfred Klimek alias Captain Cork in seiner Kolumne in der ZEIT. In der Kritik steht der Kritiker insbesondere für das „System Parker“ – die Preise, die Weine durch bzw. nach seinen Bewertungen erhalten und erzielen, mögliche gegenseitige Abhängigkeiten, …
Hier nun eine Kritik am Weinkritiker-Kritiker Captain Cork in Form eines Baccantus-Gastkommentars von Gernot Freund:
[GF] Eines im voraus: Ich war noch nie und bin kein Fan von Parker-Weinen. Die ganze Diskussion um Parker geht mir aber langsam auf den Geist. Die meisten Kritiker von Parker sind keinen Deut besser, denn auch sie wissen natürlich ganz genau, was den Menschen zu schmecken hat und was nicht. Manchmal denke ich, Parker-Kritik ist im Moment einfach In und da muss jeder mitmachen. Eines muss man ihm jedoch lassen, er ist ein genialer Verkoster! Dafür, dass er die europäischen Weine (Riesling und Pinot Noir) nicht versteht, kann er ja nichts, er ist halt ein Amerikaner!
Captain Kork stellt in diesem Artikel für mich eine der wichtigsten Fragen zum Thema Wein überhaupt:
Was sind regionale Weine?
Bevor man das Wort ‚regional’ schreibt, sollte man jedoch erst einmal klären, was regional ist bzw. was man darunter verstehen will. Sind alle Weine regional, wenn sie aus regionalen Rebsorten gemacht wurden? Dann gibt es keine regionalen Weine aus dem Bordeaux!? Oder sind Weine regional, wenn sie regional schmecken? Und wer gibt dann den regionalen Geschmack vor? Konservative oder innovative Winzer – konventionelle Winzer oder Bio-Winzer, oder gar konservative Bio-Dynamiker, die mit Reinzuchthefen arbeiten?
Auch Parker behauptet immer wieder von sich, dass er die regionalen Weine probiert!!!
Was also ist regional? Er spricht von regionalen Weinen und meint damit Deutschland, Österreich und Südtirol. Leider müsste man ihm jetzt aber mitteilen, dass meiner Meinung nach gerade viele österreichische Winzer ganz stark mit Parker harmonisieren bzw. internationale Weine machen und mit ihm gewachsen sind.
Kommen wir zum nächsten Thema: Ich habe mir mal, ich gebe ganz ehrlich zu, nur sehr oberflächlich, einiges von Captain Cork angelesen. Jetzt muss ich sagen, was er da schreibt, ist auch nicht immer besser, als das, was er kritisiert. Als Informationsquelle versagt er für mich immer wieder, weil er nur eine Seite ganz deutlich beleuchtet.
Sein Kommentar zu den Bio-Weinen finde ich eine Katastrophe. Er schreibt über Bio und lässt mehr oder weniger nur konventionelle Winzer zu Wort kommen.
Nur ein kleines Beispiel: Da redet jemand völlig aus dem Zusammenhang gerissen über Nicolas Joly. Klar schreibt Nicolas Joly, man kann nicht zu 95% Prozent biodynamisch sein, das geht auch nicht. Joly sagt damit nicht, dass jeder Bio-Dynamiker werden muss. Doch er sagt, wer Bio-Dynamiker werden will, kann es nicht zu 95% werden. Das unterschreibe ich zu 100%. Was ist daran jetzt schlecht? Auch sind die meisten Bio-Winzer, die ich kenne, keine Extremisten, die nur ihre Meinung gelten lassen. Sie stehen zu Ihrer Meinung, was etwas anderes ist. Aber sie lassen Winzer Winzer sein und jeden seine Meinung vertreten und seine Arbeit nach seiner Facon machen, das ist jedenfalls meine Erfahrung.
Die wichtigste Frage allerdings, die stellt Captain Kork nicht. Warum gehen immer mehr Top-Winzer den biodynamischen Weg? Das wäre ein Anfang.
Die nächste Passage verstehe ich gar nicht. Was hat Bio damit zu tun, ob ein Winzer spontanvergärt oder nicht? Warum stellt er einen spontanvergärenden so genannten konventionellen Winzer hin und lässt ihn solche Sprüche sagen? Sind spontanvergärende konventionelle Winzer heute eine solche Seltenheit, dass man sie den spontanvergärenden Biowinzer gegenüber stellen muss?
Was er in beiden Artikeln nicht schreibt ist: Jeder normal denkende Wein-Liebhaber sagt ganz einfach, was schmeckt mir, was bekommt mir – das trinke ich. Und das ist Gott sei Dank individuell, aber leider sagt das keiner mehr. Alle wollen ihre Richtung vorgeben. Es wird immer Namenstrinker geben, die Parker hochleben lassen und so genannte große Bordeaux, Burgunder, Toskaner usw. trinken, und es wird immer Leute geben, die einen so genannten Simsekrebsler lieben und solche, die den so genannten außergewöhnlichen Wein bevorzugen.
Wer hat jetzt den besseren Geschmack?
Klar macht es Spaß über Wein zu diskutieren. Aber man sollte, zumindest wenn man öffentlich schreibt, sich an die guten alten Gepflogenheiten halten und beide Seiten objektiv zu Wort kommen lassen. Dies wäre Captain Cork in beiden Fällen vorzuwerfen. Auch wenn er beide Artikel als Kommentar geschrieben hat, also als Meinung.
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Zum gleichen Thema
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Manfred Klimek alias Captain Cork in der ZEIT-online: „Du sollst nicht nur einen Weingott ehren!“
- Dirk Würtz in seinem Blog: „Ich mag Robert Parker!“ mit umfangreicher Diskussion, auch mit Captain Cork.
- Captain Cork: Robert-Parker – eine Widerrede der Widerrede.
- Nicolas Joly bei DrVino über Biodynamik (engl.), hier nochmals.
- Captain Cork: Bio & Co.
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Kommentare immer gerne!
schöner artikel, sehr down to earth, putting things right. zu der mangelhaften erfüllung des informationsauftrages von captain cork kann ich leider nichts sagen, da ich ihn bislang zu wenig verfolgt habe.
Zitat GF: „Dafür, dass er die europäischen Weine (Riesling und Pinot Noir) nicht versteht, kann er ja nichts, er ist halt ein Amerikaner!“
Aber ganz ehrlich Jungs, in einem hat Robert Parker doch recht und damit den deutschen Wein bestens durchschaut, ich zietiere den Großmeister:
Robert Parker über August Kesseler-Wein
„If there are or have been better Pinot Noirs from Germany than these, I have yet to encounter them.” 😛
@Thommy – 🙂 da gibts in der Tat noch viel zu entdecken in Sachen Pinot Noir, auch jenseits der großen Kritikerauslesen… auch wenn die ewige (Schw…)-Vergleicherei mit dem Burgund manchmal nervt.
Nicht nur Kesseler, Kloster Eberbacher Assmannshäuser Höllenberg, Chat Sauvage, Ökonomierat Rebholz, Diel und Friedrich Becker machen feine Pinots…
Versuch mal die Pinot Noirs von Hoger Koch, Reiner Probst, Enderle-Moll oder Bergdolt-Reif & Nett isowie das Klostergut Bergdolt St. Lamprecht, beide in Neustadt-Duttweiler.
Alle weit weniger bekannt als die oben erwähnten, aber durchaus mehr als nur eine „Lobende Erwähnung“ wert!
Ich bin mal gespannt, was die nächste #twa (Twitter Wine Awards) zum Thema Spätburgunder aus Deutschland noch so zutage fördern werden…
Ich erwidere gerne jede Kritik, dieser Gastkommentar aber strotz nur so von falschen Wahrnehmungen, dass ich mich schon ein klein wenig wundern muss.
1.) Parker ist Amerikaner und deswegen… Na und? Ich bin Europäer und kenne mich trotzdem in Amerika aus (Wein).
2.) Oberflächlich lesen, das zugeben und dann kritisieren ist generell No-No, Sorry..
3.) Der ganze untere Absatz ist aus allen Zusammenhängen gerissen. Um was geht es? Den Zeit Artikel? Den Cork Artikel über Joly? Den Cork Artikel über Bioweine? Hier wird die einfachste Regel des Journlismus nicht befolgt. Die Fragen: Wer? Was? Wann? Warum? Und was ist die Botschaft? I don´t know..
Beste Grüße
Der Captain (aus Italien)
3.)
Ich erwidere auch gerne jede Kritik.
1.) Ich weiß, dass Parker Amerikaner ist und Sie Europäer. Trotzdem glaube ich, dass Europäer und Amerikaner nicht auf einem Level sind, was Geschmack angeht. Was nicht heißen soll, dass die Amis einen schlechten Geschmack haben, eben nur einen etwas anderen. Die meisten, die ich kennen gelernt habe jedenfalls. Ich habe auch nicht behauptet, dass er sich nicht mit europäischen und Sie sich nicht mit amerikanischen Weinen auskennen. Es geht einfach nur darum, dass die meisten Deutschen und Franzosen jedenfalls einen eher längeren und filigraneren Wein schätzen, während die Amis und Engländer eher Weine trinken, die in die Breite angelegt sind. Was besser ist, muss jeder für sich individuell entscheiden.
2. Ich habe nicht aussagen wollen, dass ich den Artikel Bio oberflächlich gelesen habe. Ich habe gesagt, dass ich Ihre gesamten bisherige Arbeit nur oberflächlich angeschaut habe. Den Bio-Artikel habe ich mir nur herausgegriffen, weil ich mich persönlich sehr für biologisch hergestellte Weine interessiere. Und den habe schon ziemlich genau unter die Lupe genommen, ansonsten hätte ich sicher nicht aus dem Artikel zitiert.
3.) Das ist teilweise richtig, ich habe einfach die beiden Artikel (Zeit und Bio-Artikel/ haben Sie auch noch einen dritten Artikel über Joly geschrieben?), die ich von Ihnen gelesen habe, nach meiner persönlichen Meinung kritisiert. Die Botschaft ist aber meiner Meinung nach klar. Was sind regionale Weine, was sind internationale Weine? Das ist doch individuell verschieden.
Ein kleines Beispiel gefällig? Stellen Mas Soleila oder Cht de la Negly regionale La Clape Weine her oder sind die Weine international? Meiner Meinung nach keine Frage. Mas Soleila ist nur international ausgerichtet, Negly macht wenigstens noch im Einsteigerbereich ein wenig La Clape. Viele andere Weinkenner teilen meine Meinung nicht. Genau dies macht den Wein aus, jeder hat da seinen individuellen Geschmack, über den man diskutieren kann. Nur noch eine Anmerkung zu Mas Soleila und Negly: Ich will damit nicht sagen, dass die Weine schlecht sind, nur gehören sie meiner Meinung nach nicht zu La Clape – eher nach Kalifornien – nochmals meiner Meinung nach.
Was aber macht das nun Regionale dabei aus? Für mich sind das der Geschmack und das Bukett von La Clape selbst. Dazu muss man vielleicht vor Ort gewesen sein und die Luft, das Garrigue, die seltenen Regentage und den Wind gespürt haben. Wer einmal eine Verkostung aller Güter von La Clape mitgemacht hat, dem gehen dabei dann die Augen auf.
Da Sie gerade in Italien sind – was macht die regionalen Rotweine im Chianti aus? Das bisschen Sangiovese, was noch in den Weinen ist oder der Cabernet Sauvignon? Oder sind es nur die Weine aus Sangiovese, Canaiolo und Colorino? Oder ist regional in der Toskana einfach das, was im Moment Erfolg hat, oder das Terroir? Letzteres lassen wir lieber, das wirft nochmals tausende Fragen auf.
Daher jetzt nochmals meine Frage: Was sind regionale Weine für Sie? Sind die Weine vom Gut Oggau typische burgenländisch, oder sind es die Weine von Heinrich, Nittnaus oder Gsellmann, oder sind alle vier typisch oder keiner? Ganz ehrlich, ich kenne mich in Österreich zu wenig aus, um mir ein Urteil zu erlauben, aber ich liebe die Weine von Gut Oggau. Mein individueller Geschmack.
Und genau das war meine Antwort an Sie, weder Parker noch die vielen anderen Kritiker und Sommeliers kennen den individuellen Geschmack des Menschen. Ansonsten, das ist auch wieder meine persönliche Meinung, würden nicht so viele Menschen bei Aldi, Lidl und Konsorten Wein kaufen.
Nochmals zu Ihrer Parker-Kritik: Die Kritiker geben nur einen Geschmack vor, den Sie bevorzugen. Und dann versuchen sie sich, zu verkaufen, so gut wie möglich. Parker ist dabei ein Erfolgsmodell. Dass er sich dabei möglicherweise selbst verkauft hat, ist eine andere Sache. Das habe ich aber auch in Ihrem Artikel nicht kritisiert. Dass er eine Gefahr für die Vielfalt des Weines ist, auch nicht. Dass er damit einen Haufen Geld verdient, darum beneide ich ihn ein wenig. Aber, wenn wir alle nicht so einen Hype um ihn machen würden, dann wäre er schon lange auf ein Normalformat geschrumpft. Aber wir alle, Weinhändler, Weingüter, Weinschreiber usw., wir alle verdienen mit ihm Geld, wir haben die Möglichkeit über ihn zu streiten und die Kommunikation so weiter am Leben zu erhalten, damit wir alle weiter mit ihm Geld verdienen können. Ich persönlich haben vor zwei Jahren angefangen, ihn einfach zu ignorieren. Wenn alle Gegner von Parker damit anfangen und dies auch weiter kommunizieren würden, ich glaube, dann wäre Parker innerhalb von ein paar Jahren ein ganz normaler Kritiker ohne diesen enormen Einfluss – außer vielleicht im Bordeaux, weil das Bordeaux von ihm lebt.
Schöne Grüße aus Südbaden
Gernot Freund
P.S. Sorry für die späte Antwort, ich liege flach mit einem eingeklemmten Nerv im Rücken.
Einen weiteren Artikel zT. Parker bzw. Weinbewertungen hat Dirk Würtz anlässlich der Vorstellung der Großen Gewächse (GG) des VDP in seinem Blog geschrieben.
Ein deutscher Robert Parker müsse her, oder doch zumindest ein „Rieslingpapst”. schreibt er mit gewissem Augenzwinkern angesichts all der „weinwissenden Hausmännern”, die allerorten über Wein schreiben.
Lesenswerte Gedanken zum Thema Weinkritik, Punkte, Parker und Bewertungen unter diesem link:
http://wuertz-wein.de/wordpress/2010/09/01/viele-kleine-robert-parker/
Hach Gott, ich mag die Welt viel besser ohne Päpste. Weder Kirchen- noch Weinpäpste. Weine auf Punkte zu reduzieren ist mir ein Graus und das ganze Theater um Götter auch. Wein ist und muss subjektiv genossen werden können. Bin ICH froh über die Sozialen Medien, durch die ich ohne Päpstlichkeit an Weintipps kommen kann. Wie gerne kaufe ich mal einen Wein, weil er jemandem GESCHMECKT hat. Amen.
@Heike – sehr wahr. Aber anscheinend gibt es genug Verunsicherung bei den Weintrinkern, sodass sie ihrem eigenen Geschmack nicht vertrauen und sich daher an wie auch immer legitimierte Autoritäten halten. Das ist zunächst weder gut noch schlecht sondern schlicht menschlich.
Ich bin allerdings auch der Ansicht, das die Social Media einiges dazu beitragen können, neue Weine zu entdecken – getreu den Prinzipien des Empfehlungsmarketings.
Wenn mir ein Bekannter oder Freund, dessen Weingeschmack mir vertraut ist, mir von einem Wein erzählt und ihn vielleicht auch mit anderen Weinen vergleichen kann, die man eventuell sogar gemeinsam getrunken hatte, so ist das natürlich ein wertvoller Rat oder Hinweis.
Ob man PP oder andere Bewertungssysteme nun gänzlich ablehnt, lediglich als Indiz mit einer gewissen Tendenzwirkung betrachtet oder immer in Relation zu den anderen Bewertungen sieht
– im Endeffekt wird ein Bedürfnis befriedigt und eine Hilfestellung gegeben. Wer sich aber allein auf fremde Hilfe verlässt, macht sich abhängig, und das ist nicht nur im Weinbusiness so…