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Gemischter Satz – Cuvée aus dem Weinberg?

Über den Gemischten Satz lassen sich sicherlich viele Worte machen, und einiges hatte ich ja bereits in der Ankündigung zu dieser Weinrallye-Etappe geschrieben. Kaum vorstellbar, dass diese traditionelle Anbaumethode wieder im großen Stile den Weinmarkt beherrschen wird, de facto ist auch im Haupt-Anbauland Österreich die gesamte Fläche, auf der GS noch oder wieder praktiziert wird seit Jahren rückläufig.

Dennoch: viele der Winzer, die in gemischten Satz anbauen, erzeugen bemerkenswert individuelle Weine, über die es einfach lohnt, zu schreiben und noch vielmehr – die spannende Eindrücke auf der Zunge und in der Nase versprechen.

GS einst und jetzt

von traditionellen Methoden, die oftmals aus Notwendigkeiten und Zwängen entstanden, zur Moderne ist vor allem eines festzustellen:
Weltweit ist der Weinbau von Rationalisierung, Sparzwängen und industriellen Produktionsmethoden geprägt, auch wenn es Gegenbewegungen gibt, die zumeist aus dem Bio- und dem Nachhaltigkeitsbereich kommen. Doch auch im Bereich der Bioweine gibt es viele Produzenten, gerade die großen, günstigen, die eine Art „konventionellen Bioweinbau“ betreiben, also mit viel Technik-Aufwand in Rebbergen und im Keller. Weinbau ist zumeist Monokultur, und auch insofern ist jede (Anbau-)Technik, die dem entgegenwirkt begrüßenswert, sofern das Ergebnis stimmt. Es verwundert somit nicht, dass viele der Winzer, die noch oder wieder im GS anbauen, auch Biowinzer sind.

GS rechtlich und faktisch

Man könnte hier viele lange Ausführungen über rechtliche Grundlagen der Weinbereitung machen, aber dazu hat auch der Weinanwalt in seiner Freizeit nicht wirklich Lust.

Wer einen wissenschaftlichen Aufsatz über die VERORDNUNG (EG) Nr. 607/2009 DER KOMMISSION vom 14. Juli 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr.  479/2008 des Rates hinsichtlich der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, der traditionellen Begriffe sowie der Kennzeichnung und Aufmachung bestimmter Weinbauerzeugnisse und ihre Wechselwirkungen mit den Weinrechten der EU-Anbauländer verfassen will, kann sich gerne hier vertieft mit der VO (EG) befassen…

Kurz: es gibt EU-rechtliche Grundlagen für die Verwendung von traditionellen Begriffen und geschützten Ursprungsbezeichnungen, und auch der Wiener GS fällt darunter und ist somit geschützt.

Es gibt aber auch Regeln über das Verschneiden von Rebsorten, sodass im GS ein paar Unklarheiten und Grauzonen verbleiben. Die die österreichische Weinbezeichnungsverordnung 111. WeinBVO aus dem Jahre 2011 hat für den Wiener Gemischten Satz, der nur der bestimmten Anbauzone nach traditionellen Pflanz- und Verarbeitungsmethoden produziert werden darf, strenge Regeln erlassen. Für andere „Mischsätze“ verbleibt jedoch so manches unklar: viele verstehen unter GS insbesondere auch, dass verschiedene Rebsorten gemeinsam in einem Weinberg wachsen und gemeinsam verarbeitet werden. Kann man aber auch verschiedene Trauben aus dem gleichen Anbaugebiet oder sogar bereits vermaischte Trauben zusammen kippen, vergären, und sie dann gemischter Satz (außerhalb Wiens) nennen?
Eher nicht. Die Konfusion wird noch größer, wenn man sich mit diesem Artikel hier befasst: http://burg.cx/pages/gemischter-satz-weinrecht-oesterreich/ by Thomas N. Burg oder mit dem des Weinschreibers Mario Scheuermann : http://drinktank.blogg.de/2011/08/02/gemischter-satz-oder-wie-es-euch-gefallt/

Jetzt bin ich doch etwas in die Materie eingestiegen, obwohl ich das nicht vorhatte… Berufskrankheit. Die Abgrenzung des GS von einer Cuvée bzw. eines Verschnitts ist jedoch nicht wirklich präzise. Zumindest darf nach der EU-Verordnung außerhalb Österreichs diese Anbaumethode nicht auf dem Frontetikett so bezeichnet werden, also sind die altfränkischen und sonstigen Mischsätze offiziell keine GS.

Die meisten werden sich – abgesehen vom Anbauort – wohl inhaltlich am traditionellen WGS orientieren, dh. verschiedene Rebsorten in einem Weinberg eines Gutes werden gemeinsam angebaut, gekeltert und gefüllt. Also kein Zukauf, keine anderen Weinberge, Winzer etc.

Aber wenden wir uns lieber den wichtigeren Dingen des Lebens zu, den Weinen und den Winzern…

Ich möchte hier zur Weinrallye einfach kurz ein paar Weine erwähnen, die ich für bemerkenswert halte, und die im Mischsatz angebaut werden, auch wenn keiner davon aus Wien stammt.

Herrenhof Lamprecht in Markt Hartmannsdorf in der Südost-Steiermark, Österreich
Der junge Winzer Gottfried Lamprecht befasst sich intensiv mit der Wechselwirkung von Lagen, Böden und Rebsorten und versucht, „Herkunftsweine“ zu erzeugen, also solche, die die Typizität des Weinbergs in die Flasche bringen. Ich denke, das gelingt ihm nicht nur bei seinem herausragenden Weißburgunder, sondern auch bei seinen traditionellen Mischsätzen am Buchertberg in rot und weiß. Wir haben hier im Baccantus-Blog schon des Öfteren über Gottfried Lamprecht geschrieben, hier hatten wir ihn bei Winzerview im Interview, u.a. ausgiebig über das Thema GS.
#Edit: Gottfried hat hier auch selbst einen Beitrag zum GS verfasst.

Buchertberg Weiß 2011
Aus bis zu 25 Sorten, von Weiss- über Grauburgunder, fertigt er einen traditionellen Mischsatz, den er als „Cuvée, die im Weinberg entsteht“, versteht. Die Vergärung erfolgt spontan mit Naturhefen, das Ergebnis überzeugt. Ausgewogen, spannend, frisch und lebendig – Läuft.

Buchertberg Rot 2011
Die meisten  GS sind ja Weißweine, hier kommt ein Steirischer Roter Charakterkopf aus Blaufränkisch, St. Laurent, Pinot Noir und Blauem Wildbacher. Noch recht junge Reben von 3-6 Jahren, die wie der Weiße auf stark heterogenen Böden im Buchertberg wachsen: tertiäre Sedimente –  Sand, kalkiger Sandstein, Schluff, Opok. Auch hier wird spontan vergoren mit Naturhefen, was den Herrenhofweinen eine erstaunliche Lebendigkeit verleiht. Mit jedem Schluck über den Abend verteilt schmeckt man andere Aromen heraus. Vergleichbares gibt es jedenfalls nicht an jeder Ecke…
Beide zu beziehen im Winzershop beim Herrenhof für 11,20 € bzw. 9,00 €

Weingut Weegmüller, Pfalz
http://www.weegmueller.de

Die sympatischen Weegmüllerinnen vom Traditionsgut in Neustadt/W auf der Haardt erzeugten die Cuvée Fleur zum Gedenken an den 100ten Geburtstag der Großmutter Fleur. Es gibt ihn immer noch und das mit wachsendem Erfolg – es hat sich im Laufe der letzten Jahre eine regelrechte Fan-Gemeinde der „Fleur“ gebildet! Bei Weegmüllers hat man neben dem GS scheinbar auch noch andere Verbindungen nach Österreich – hier entsteht ein verboten raffinierter Grüner Veltliner! (Aber das sollte ich lieber für mich behalten, es gibt schließlich keine rauen Mengen davon…:)

Dabei ist auch der GS in der Pfalz eine alte Tradition, welche die „Pälzer Mädels“ wieder aufleben lassen. Um die positiven Synergien einzelner Rebsorten herauszukitzeln bedarf es aber mehr als nur einer anständigen Lage und gesundes Lesegut, man benötigt auch das KnowHow, wie man – wie hier – das Beste aus Riesling, Gewürztraminer und Silvaner, die im gleichen Weinberg wachsen, zu einer Cuvée vereint, und dies eben nicht erst bei der Abfüllung.

Der Riesling bringt die Rasse und die Säure, den markanten Rosenduft der Gewürztraminer und den milden Schmelz der Silvaner. Großes Trinkvergnügen auch für GS- Anfänger, komplex ohne jede aufgeregte Kompliziertheit.
Cuvée Fleur, ab Hof ca. 9,50 €

Weingut Bickel-Stumpf, Franken
www.bickel-stumpf.de

Auch im VdP Prädikatsweingut Bickel-Stumpf im fränkischen Frickenhausen am Main erzeugt man einen herausragenden GS:

Fränkischer Gemischter Satz 1699, Kapellenberg trocken, 2011
Reimund und Matthias Stumpf haben an historischer Weinbaustätte, dem Kapellenberg bei der namensgebenden Valentius-Kapelle von 1699 sich der alten Fränkischen Tradition gewidmet. Aus den Sorten Silvaner, weißer und roter Elbling, Riesling, gelber Muskateller, Gewürztraminer, Goldmuskateller, weißer und roter Gutedel entsteht hier ein „Hammer-GS“! Jeder Schluck aus dem Bocksbeutel ist anders, man schmeckt mal den Muskateller, mal den Gewürztraminer raus, aber keiner ist penetrant oder dominant, sodass sich ein harmonisch frisches Gesamtereignis ergibt. GS für Fortgeschrittene, aber keine Bombe, sondern ein trocken-schlanker, nussig-feingliedriger Wein mit hoher Affinität zu komplexen Speisen.
Für ca. 16 € bei Vicampo.de und bei noblewine.de.

Melanie Stumpf-Kröger hatten wir neulich hier bei Baccantus im Interview, natürlich auch zum Thema Gemischter Satz.

Hier noch Zwei Web-Fundstücke zum Thema GS in bewegter Form:

Matthias Stumpf vom Weingut Bickel-Stumpf erklärt selbst im Vicampo-Video den oben erwähnten Fränkischen Gemischten Satz 1699 trocken:

[vsw id=“8d5975vDs6o“ source=“youtube“ width=“500″ height=“405″ autoplay=“no“] 

Weinjournalist und Chefredakteur der Winetimes, Helmut O. Knall hatte hier bei Wine-Times – Webisodes #3 – Gemischter Satz den Bio-Winzer Stefan Hajszan im Gespräch zum Thema.

[vsw id=“pInq3enO7D0″ source=“youtube“ width=“500″ height=“405″ autoplay=“no“]

http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=pInq3enO7D0

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Und nun viel Spaß mit den Artikeln der Weinrallye-Kollegen, die wir hier bei Baccantus umgehend verlinken werden!
Das Thema zur nächsten Weinrallye #57 wird dann schon etwas weihnachtlicher – Wein & Essen aka Wine & Food Pairings… Gastgeber dann: susanne Werth-Rosarius von http://hundertachtziggrad.blogspot.de/ 

Hier die Links zu den Artikeln der Teilnehmer – das ganze wird natürlich noch zusammengefasst & aufbereitet auf einer eigenen Seite:
(vorläufig, fehlende Beiträge bitte Bescheid geben!) 

 

Susanne Werth-Rosarius über GS:
http://hundertachtziggrad.blogspot.de/2012/10/weinrallye-56-gemischter-satz.html

Guido Müller bei Nur ein paar Verkostungen:
http://toaster.wordpress.com/2012/10/26/weingut-hahnmuhle-riesling-traminer-oberndorfer-beutelstein-feinherb-2010/

Bernhard Fiedler zum Thema:
http://www.bernhard-fiedler.at/weblog/?p=5004

Bottles in a Box zT:
http://bottlesinabox.com/weinblog/2012/10/weinrallye-56-gemischter-satz/

Peter Ladinig zT:
http://www.institute-of-drinks.at/weinrallye-56-der-gemischte-satz/

Schiller-Wine über Schillerwein:
http://schiller-wine.blogspot.de/2012/10/schiller-in-glass-in-stuttgart-germany.html

Joachim Kaiser bei Vinositas:
http://vinositas.com/wine-dine-in-der-schwarzwaldstube/

Gottfried Lamprecht vom Herrenhof:
http://www.herrenhof.net/_newsandblog/weinrallye-der-gemischte-satz-field-blend/

Peter Züllig zT:
http://www.sammlerfreak.ch/wein/wein-rallye/gemischer-satz/

Cordula Eich zT:
http://www.superschoppen.com/2012/10/26/gemischter-satz/

Michaela Loidl zT (bzw. zTee;-)
http://www.bio-wein-online.com/blog/2012/10/weinrallye-56-gemischter-satz/

Jürgen Schmücking zT:
http://www.genuss.cc/?p=1683