Zum Inhalt springen

Gemischter Satz – nachgefragt bei Herrenhof Lamprecht

Über Twitter, Facebook und E-Mail ist eine Art Interview2.0 enstanden. Wir sprachen über das Thema Gemischter Satz mit dem jungen Winzer Gottfried Lamprecht vom Weingut Herrenhof Lamprecht in in der Süd-Oststeiermark, Österreich.
Die Antworten kamen teilweise via iPhone gesendet direkt aus dem Weinberg vom Traktor herüber…


Baccantus: Gemischter Satz (GS) oder auch Mischsatz, also die gemeinsame Kultivierung verschiedener Rebsorten in einer Rebfläche ist ja eine uralte Kultivierungsform, ursprünglich wohl auch als Risikoversicherung gegen Totalausfälle durch schlechtes Wetter, Krankheiten und Frost.
Wie kommt es, dass diese eigentlich überholte Anbautechnik sich zum einen in manchen Gebieten bis heute gehalten hat und in anderen wieder beliebter wird, gerade in Österreich? Ist GS jetzt die nächste Trendsau, die durchs ‚WorldWideWeindorf‘ getrieben wird?


Gottfried Lamprecht: Zuerst – das kleine neue Weingut Herrenhof Lamprecht gibt es erst seit einigen Jahren (seit 2005). Eine ganz exponierte und besondere Lage wird Schritt für Schritt wieder mit Reben bepflanzt. Ziel ist 100%ige Authentizität: das Zusammenspiel von der Geschichte des Hofes, der Lage, des Bodens und dem Klima. Der kulturelle Hintergrund und der Mensch sollen den Wein gestalten. Der ist in diesem Fall fast zur Gänze ich alleine, da ich alles selbst mache, bzw. hin und wieder von meinen Eltern arbeitstechnisch unterstützt werde.

Ein GS wird nie eine Trendsau sein, da das eigentlich der ursprünglichste Weg ist, um Reben zu kultivieren. Das schöne am GS ist, dass man statt immer nur von Sorten wieder vorrangig von der Herkunft spricht, da dieses Zusammenspiel der eigentliche Spiegel eines bestimmten Grund und Bodens ist.

Früher wurden die Weine nach ihrer Herkunft benannt: „der Nussberger“, „der Gumpoltskirchner“ „das Erlauer Stierblut“, und und und… – das waren alles Weine aus gemischtem Satz.

Viele Weingärten haben sich noch im Wiener Raum erhalten. Ich würde fast sagen dass der GS die eigentliche österreichische Weinidentität ist, inkl. der lokalen Sorten versteht sich. Auch in der Steiermark gab es ihn zuhauf, doch wurde er für die wahre Trendsau Sauvignon Blanc ausgerissen. Sehr schade drum. Die Trendsau wird übrigens auch in Deutschland forciert.


Baccantus: Unterschiedliche Rebsorten haben ja bekanntlich unterschiedliche Blüte- und Reifezeiten. Wie bekommt man beim GS dann ausgereiftes Lesegut zustande und wie kontrolliert man die Reifeentwicklung, wenn man frühe und späte Sorten mischt?


Gottfried Lamprecht: Die Grundlage ist immer eine sehr gute Lage, die es ermöglicht, spät zu ernten. Dann sind manche Sorten eventuell fast schon zu reif, andere optimal und andere wiederum haben die Bukettreife erreicht. Es gibt aber Erfahrungsberichte, die besagen, dass sich die Rebsorten unter einander ausgleichen und harmonisieren können – in der Blütezeit und Reife, da sie direkt nebeneinander stehen. Diversität und trotzdem Harmonie, dass ist schon faszinierend!


Baccantus: Ein Wein aus verschiedenen Rebsorten, bei dem sich die unterschiedlichen Säuregehalte und Charakteristiken ausgleichen, das kennt man ja sonst eher als Cuvée. Wo liegen die Unterschiede beim GS und wie kann man einen solchen Wein ausgewogen gestalten?


Gottfried Lamprecht: Es ist ja auch eine „Cuvée“, nur eben entstanden im Weingarten. Die Trauben werden zum Unterschied gemeinsam gelesen und verarbeitet. Ausgewogenheit und Harmonie stellt sich im Weingarten selbst ein. Der Lesezeitpunkt ist natürlich auch maßgebend. Es ergibt sich die Möglichkeit beim Pflanzen die Sorte genau auf dem Bodentyp zu pflanzen, der ihr gefällt. Bei mir zu Hause wechselt der oft recht rasch, daher kann und muss ich fast reagieren.

Baccantus: Mischanbau – das klingt nach zusätzlichem Aufwand, aber auch nach mehr Biodiversität in der Rebenmonokulturlandschaft. Was ist deine Motivation? Ist GS mehr Bio oder einfach nur anders?


Gottfried Lamprecht: Ob es nun mehr Aufwand ist, kann ich nicht sagen, da die Weingärten noch sehr jung sind. Biodiversität ja: da auch alte hochwertige Sorten erhalten werden. Außerdem ist es viel angenehmer in so einem Weingarten zu arbeiten, da es abwechslungsreicher ist. GS ist mehr Herkunftswein. Wir sind leider viel zu voreingenommen gegenüber einer Sorte beim Verkosten.


Baccantus: Voreingenommen beim Verkosten, wie meinst du das? Bei Gewürztraminer denk ich an Elsass, bei Spätburgunder Weißherbst an Kaiserstuhl und bei Cabernet Sauvignon mit Merlot ans Bordelais – Voreingenommen in diesem Sinne?

Gottfried Lamprecht: Ich meine damit, dass wir beim Trinken immer im Hinterkopf haben, welche Sorte gerade im Glas ist, nie die Herkunft. Zu oft ist man voreingenommen, da mit wie z.B. bei Sauvignon Blanc ein gewisses Aromenprofil im Kopf hat. Ist er untypisch, aber dennoch typisch für seine Herkunftsregion, sind viele enttäuscht. Deshalb ist das Zusammenspiel von mehren Sorten interessant, da eine gewisse Voreingenommenheit wegfällt.


Baccantus: Kann man GS schmecken? Eher eine Sache für einfachere Schankweine für den Heurigen oder auch für Qualitätsweine?


Gottfried Lamprecht: Die Wiener zeigen es vor und keltern aus uralten Weingärten hochwertige vielschichtige Weine, die keinerlei Sortencharakter haben und so die Herkunft besser erkennen lassen. Das steht weit über dem „Qualitätswein“.

[vsw id=“Y4t0Ix9aCCA“ source=“youtube“ width=“425″ height=“344″ autoplay=“no“]

Baccantus: Welche Rebsorten kommen konkret bei Euch im Weingut für den GS zum Einsatz? Ist GS nur ein „Nebenprojekt“ oder sind das größere Flächen?

Gottfried Lamprecht: Da ich am Herrenhof nur drei Weine keltern möchte: Einen reinsortigen Weißburgunder und die beiden Lagenweine Buchertberg im gemischten Satz Weiss und Rot, wird der GS schon einen wichtigen Platz einnehmen. Ich habe ein paar Reihen Pinot Noir, eventuell werde ich den künftig noch reinsortig keltern, je nach Jahr.

Der eigentliche gemischte Satz in der Steiermark war für Weisswein bestimmt. Dort gibt es auch die größere Auswahl: neben den Burgundersorten auch z.B. Furmint und Rotgipfler. Viele weitere und auch uralte Rebsorten werden jetzt von mir getestet. Bei meinem roten GS kommen unter anderem St. Laurent, Blauer Wildbacher, Pinot Noir, und Blaufränkisch zum Einsatz. Der Fokus liegt bei lokalen Sorten und solchen aus dem südosteuropäischen Raum, da die südöstliche Steiermark mit diesem immer eng verbunden war.


Baccantus: Gemischter Satz in Rotweinsorten klingt auch spannend, ich bin bisher nur über die Weißen gestolpert. Gibt’s da Unterschiede im Weinberg und bei der Vinifikation?


Gottfried Lamprecht: Bei Rotwein ist die Pflanzmethode und das gemeinsame Verarbeiten das Gleiche. Historisch gesehen gab es hier wahrscheinlich keinen roten GS. Aber das ist eine Antwort auf den Klimawandel. Die Südost-Steiermark wird schön langsam zum Rotweinland. Ich habe über 3 ha selbst gepflanzt. Tendenz steigend- Fläche ist noch genug vorhanden. Ein recht kleines Projekt, aber was zählt ist: lieber 5 Reihen auf einer tollen Lage als 50ha auch Flächen, die eigentlich nicht für den Weinbau bestimmt sind. Das sollten sich einige vor Augen führen.

Der Weinbau an sich beruht immer auf kulturellen, historischen und lokalen Gegebenheiten. Das sollte man nicht außer acht lassen. Alles andere hängt in der Luft und ist nicht „verwurzelt“ und das nennt man dann z.B. „Trend“.


Baccantus: „Verwurzelt“, „Herkunft“ und „Weinidentität inkl. der lokalen Sorten“ – klingt so, als wäre das eine klare Definition von „Terroir“, um diesen Begriff mal wieder zu bemühen…


Gottfried Lamprecht: Bestes Beispiel: viele junge Winzer fahren nach Neuseeland, um dort Weinbau zu lernen. (ich war auch dort). Irgendwie komisch, denn bei uns gibt’s den schon seit Jahrhunderten und ist fest mit den Menschen und der Kultur verbunden. Davon sollte man lernen. Die neue Welt hat uns viel Technik gebracht, aber lehrt uns nicht, wie man auf das schauen soll, was Beständigkeit und Tradition hat. Das einzige, wobei die uns überlegen sind ist die Lockerheit und Kreativität im Marketing.

Mein Ziel ist es, den Grund und Boden mit dem Hof und den Wein in eine Linie zu bekommen. Der Hof braucht als Wein ein traditionelles Produkt. Davon bin ich überzeugt. Es muss sich ein Kreis bilden – ein Gesamtes.

Für mich ist ein Herkunftswein ein Terroirwein, der nach seiner Herkunft schmeckt.

Baccantus: Ein schönes Schlusswort! Gottfried – vielen Dank für dieses Multimediale Gespräch!


Kontakt zum Weingut Herrenhof Lamprecht

Gottfried Lamprecht
Pöllau 43
8311 Markt Hartmannsdorf
Österreich
fon/fax: +43 (0) 3114 2693
mobil: +43 (0) 699 17149689

4 Kommentare

  1. Schönes Interview. Interesssant!

  2. Dieser Beitrag über Gemischten Satz gefällt mir, er bietet einen feinen Überblick über die Bedeutung des Gemischten Satzes und ich bin schon sehr gespannt am Donnerstag den ersten Wein von Gottfried zu verkosten.

    Während des Lesens ist mir auf gefallen, dass im Südburgenland (meiner Heimat) der Gemischte Satz auch vorherrschend war. Alleine die urigen Uhudlerweingärten spiegeln dass mit den verschiedenen Uhudlersorten in einem Weingarten wieder. Ein „richtiger“ Uhudler ist immer ein GS, eine Rebsorte alleine macht keinen Uhudler aus. Den Uhudler gibt es erst seit gut 100 Jahren im Südburgenland. Bei den anderen Rebsorten ist es nicht mehr üblich sie als Gemischten Satz auszupflanzen.

    Mich erfreut es jedenfalls, dass am Eisenberg im einen oder anderen Weingarten noch Weingartenpfirsiche zu finden sind.

Kommentare sind geschlossen.