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Deutscher Sekt künstlich unter Druck?

Das neue Jahr ist gerade erst 14 Tage alt, und schon haben wir den ersten Weinskandal des Jahres. Manch einer denkt vielleicht noch immer an die Sylvesterfeier zurück und daran, dass er das Xte Glas Sekt vielleicht doch nicht hätte trinken sollen…

Kopfschmerzen bereitet aber gerade eher etwas anderes als das schäumende Kribbelwasser selbst: Vergangenen Dienstag berichtete das Magazin Frontal 21 / ZDF über Sektpanscherei mit dem Titel „Getäuschte Verbraucher – Etikettenschwindel bei Deutschem Sekt“.


Aussage des hier einzusehenden Beitrags war, dass deutsche Sektproduzenten im großen Stil und mit Billigung der Regierung (ZDF PDF) gegen geltendes Europäisches Recht verstoßen, indem sie zwischen 22 % bis zu unglaublichen 85 % exogenes CO2 bei der Produktion in ihren „Qualitätsschaumwein (Sekt)“ in die Flasche mit abfüllen.

Rechtlicher Hintergrund

Die Regelungen über die Verkehrsbezeichnungen von Schaumweinen sind im Anhang VIII der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 festgelegt sowie weiter für solche mit zugesetzter Kohlensäure in Art. 41 der Verordnung (EG) Nr. 753/2002. Bei Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure ist dies auch die Angabe, die obligatorisch auf dem Etikett zu stehen hat.

Es ist demnach nicht egal, ob die Kohlensäure aus dem Gärprozess selbst oder exogen, also von außen künstlich hinzugefügt wird, um den Druck in der Flasche zu erhöhen.

Träume sind Schäume.

Aber nicht jeder Schaum ist traumhaft, und Qualitätsschaumwein, „Sekt“, sollte sich nicht nur namentlich, sondern auch qualitativ von einfachem Schaumwein abheben.

Wenn sich nun der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Sektkellereien, Ralf Peter Müller gegenüber Frontal21 hinstellt und verkündet,  es sei überhaupt keine Verbrauchertäuschung, da sich der Verbraucher sich nicht für „Exkurse zu Isotopenverhältnisse in Kohlensäure“ interessiere, so ist das einfach nur unglaublich. Ein Politiker, der sehenden und billigenden Auges derartige Rechtsverstöße verharmlost, muss hierzulande meistens zurücktreten.

Champagner ist auch keine Weißweinschorle aus Reims, und dem Verbraucher ist das auch alles andere als egal – er bezahlt ja auch für die entsprechende Qualität und deren Einhaltung.

Zum Wohl, Glykol! – Nix dabei, CO2!

Diese Einstellung lässt einen kopfschüttelnd zurück, von der ebenso skandalösen Duldung durch die staatl. Behörden ganz zu schweigen. Man könnte meinen, es habe den Glykol-Skandal in Österreich 1985 und den damit verbundenen massiven Imageschaden (und extreme Absatzeinbrüche!) nie gegeben. Kohlensäure ist zwar bekanntlich nicht wie Glykol gesundheitsschädlich, aber es dauert oft viele Jahre, bis die Vertrauensschäden der Verbraucher wieder behoben sind.

Kein Grund zur Aufregung, selber schuld, wer billigen Sekt kauft, meint der FAZ-Kommentator Christian Geyer auf faz.net– auch eine Einstellung.

Früher Glyzerin und Glykol, neulich Natamycin im Wein und gepanschte und gefälschte italienische Weine – man mag kaum glauben, dass bei den großen Schaumschlägern, äh, „Qualitäts“-Schaumweinproduzenten in Spanien und Italien das groß anders ist als diese deutsche Co2-Panscherei, aber das kann dennoch keine Entschuldigung für die deutschen Sekthersteller sein. Den Schaden hat der deutsche Qualitätssekt an sich.

Zwei Seiten der Medaille

Verbrauchervertrauen  ist wichtig, aber will er nicht vielleicht auch belogen werden? „Geiz-ist-Geil“ – diese immer noch real existierende Billigluxus-Mentalität ist die Kehrseite: 2,22€ für einen bekannten Markensekt bei einer Schaumweinsteuer von 1,02€ für eine 0,75 l-Flasche (gesehen bei Real vor Weihnachten) – was fällt einem dazu noch ein?

„Qualitäts“-Schaumwein, gerade auch die großen Marken wie Rotkäppchen, Freixenet, etc. – ist nun mal zumeist ein Massenprodukt, das muss man auch sagen dürfen und es sollte jedem mündigen Verbraucher klar sein, das dabei die Qualität auf der Strecke bleibt.
Aber belogen zu werden scheint er noch lieber in Kauf zu nehmen als angemessene Preise. Das es in diesem Umfeld für einen Qualitätshersteller sehr schwierig ist, einen Winzersekt für 15€ zu verkaufen, nur weil nicht „Champagner“ auf der Flasche steht, ist nur ein weiteres Merkmal desselben Problems.

Was also bleibt?

Vertrauensverlust gegenüber den Verbrauchern und Imageverlust des Deutschen Sektes. Staatlich gebilligter innereuropäischer Rechtsbruch und damit einhergehende Wettbewerbsverzerrung. Fehlendes Unrechtsbewusstsein bei Verbänden und Behörden mit dem Ausblick, diesen Missstand in den nächsten Jahren weiter bestehen zu lassen…

Na denn mal Prosit!

Weiterführende Links

Getäuschte Verbraucher – Etikettenschwindel bei Deutschem Sekt, in: ZDF Frontal21, Sendung vom 12.01.2010
(http://frontal21.zdf.de/ZDFde/inhalt/14/0,1872,7973454,00.html)
Schummel-Markensekt, in: BILD, 12.01.2010
http://www.bild.de/BILD/ratgeber/ratgeber/2010/01/12/schummel-marken-sekt/ist-mogelpackung-mit-kohlensaeure-gepanscht.html
Vertrauensfragen – wie es perlt. FAZ-Kommentar von Christian Geyer auf
www.faz.net
Glykolskandal in Österreich 1985, u.a. in der Stuttgarter Zeitung:
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/951412
Qualitätsschaumwein (Sekt) bestimmter Anbaugebiete –  vorgeschriebene Produktbezeichnung gemäß Art. 1 c der
Verordnung (EWG) Nr. 2332/92 des Rates vom 13. Juli 1992 über in der Gemeinschaft hergestellte Schaumweine

3 Kommentare

  1. das imprägnieren von sekt erscheint mir in etwa so strafwürdig wie falschparken

  2. @Boris: und beim Prosecco ist es demnach dann auch egal, wenn man Frizzante statt Spumante erhält, auch wenn man den teureren bezahlt hat?
    Falschparken ist auch dann nicht mehr witzig, wenn man andere behindert oder gefährdet…

  3. beim prosecco ist sowieso alles egal 😀

    unabhaengig davon: die welle der empoerung ist offensichtlich ausgeblieben. weil es gar keinen aufreger gibt.

Kommentare sind geschlossen.