Der Weinanwalt ist wieder im Languedoc, seiner Wein-Wahlheimat in Südfrankreich.
Anlass war eine mehrtägige Degustation Mitte April in Carcassonne – die Millésimes en Languedoc, bei der sich die Appellationen der größten frz. Weinbauregion einer internationalen Fachpresse präsentierten und zur systematischen Verkostung luden.
Der offizielle Teil wurde von der CIVL (Weinhandelsvereinigung der AOC Languedoc) veranstaltet und von der Agentur Clair de Lune in der historischen Altstadt der Cité de Carcassonne durchgeführt. Ich habe noch ein paar Tage am Canal du Midi angehängt und widme mich neben diversen Culinaria & la vie en rose den Weinen aus Saint Chinian, La Clape, Faugères und den diversen weiteren AOCs im Minervois und den Corbières.
In diesem und den Folgeartikeln auf Baccantus ist der Weinanwalt also wieder à la recherche du vin perdu und wird aus der Region berichten.
Das Languedoc an sich
Während die Weinbaukultur im Süden auf eine bewegte Geschichte zurückblickt, die bis zu den Griechischen Kolonien an der gallischen Mittelmeerküste um 600 v. Chr. zurückreicht und von den Römern an der Via Domitia stark verbreitet wurde, genießen die heutigen Anbaugebiete erst seit relativ kurzer Zeit den geschützten AOC-Status. Die älteste geschützte Rotwein-Appellation im Languedoc ist seit 1948 das Fitou mit seinen 2300 ha Anbaufläche, Faugères und Saint-Chinian wurden erst 1982 AOC und die westlichste anerkannte Appellation an der Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Atlantik ist seit 2006 Malepère.
Stand das gesamte Languedoc-Roussillon nach der Reblauskatastrophe Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die 70er vor allem für alkoholreiche billige Massenweine (und ja, es gibt auch immer noch welche), so versucht man seither, sich auf die Vielfalt und Qualität der Terroirs zu besinnen und die enorme Vielfältigkeit herauszustellen.
Leicht tun sich die Winzer und Caves Cooperatives dabei nicht immer, denn gerade auch in vielen Weinimportländern stehen Bordeaux, Burgund & Co. nach wie vor an erster Stelle der frz. Weinregionen, auch wenn man sich ehrlicherweise schwer tun wird, dort wirklich Gutes für annehmbare vergleichbare Preise zu finden. (ich sag mal bösartig: 2013 BDX…) Und selbst die Chinesen sind inzwischen auf den Geschmack des Südens gekommen, aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.
Masse, Klasse, Terroiristes und Freaks
Konzentriert man sich anderswo fast ausschließlich auf internationale Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc einerseits, Chardonnay, Sauvignon Blanc und Pinot Noir andererseits, so finden sich im Languedoc eine unübertreffliche Vielzahl an Rebsorten, Stilen, Böden und klimatischen Verhältnissen – eine breitere Palette kann man sich kaum vorstellen.
Nach dem in den meisten Unterregionen die Genossenschaften auf dem Rückzug sind und sich ein starker Konzentrationsprozess bei den verbliebenen abzeichnet, stellen neben den Caves Cooperatives die privatwirtschaftlichen Zusammenschlüsse eine weitere Spielart der „großen“ Weinproduzenten dar, denen ein Heer von Vignerons Independants gegenübersteht, die teilweise kleinste Flächen in Handarbeit bewirtschaften und hierbei oft erstaunliches auf die Flasche bringen.
Kaum irgendwo sonst lassen sich mehr Biowinzer finden, die nachhaltige Weinwirtschaft nicht nur als grünes Marketing-Label verstehen, sondern leben. Doch auch manche Genossenschaften und Zusammenschlüsse von Winzern bringen überdurchschnittliche Qualitäten zustande, beispielsweise die SCV Saint-Félix de Castelmaure, die Vignerons de Cers & Portirange bei Béziers und die Vignerons des Crus Faugères.
Was der Region vielleicht fehlen mag, sind die echten Leuchttürme, „les Phares du Vignoble“. Highlights wie die international berühmten Château-Panzerkreuzer aus Bordeaux und Burgund sucht man hier, bei aller Liebe, vergeblich.
Kein Petrus, kein Mouton, kein Lafite und kein Romanée-Conti weit und breit. So what?
Gibt es anderswo auch nicht und ist für die meisten Weintrinker ohnehin kein Thema, da unerschwinglich. Unreife grüne Paprikanoten findet man hier dafür auch nur selten, ebenso wie Preise jenseits der 50 €… im Gegenteil – der Schwerpunkt der Weinproduktion liegt zwischen 3 und 15 €, wobei man hier schon in den Bereich der Grande Reserve Cuvées vordringt.
Uralte hutzelige Rebstöcke, Erträge unter 30 hl und lange Lagerzeiten… Bei vielen Winzern der Region liegen meines Erachtens nach die wahrhaft großen Weine nicht einmal immer in den alten, prestigeträchtigen Bouteillen mit langem Barriquelager, sondern sind schon ein-zwei Stufen darunter angesiedelt.
Was sich natürlich auch hier finden lässt, sind die so genannten Markenweine à la Cuvée Mythique, eine unsägliche und mit über 8 € dabei nicht einmal günstige Restweinverklappung der Groupe Val d’Orbieu, einer der größten Erzeugergemeinschaften Frankreichs. Die Eule und ihre Kollegen verkaufen sich allerdings glänzend und sind auch in Deutschland in jedem zweiten Supermarktregal zu finden.
Egal. Bleiben noch genug individuelle Produzenten, die Weine mit hohem Wiedererkennungswert und markantem Profil schaffen, weit weg vom standardisierten Allerweltsgeschmack.
Von den kleinsten Winzern bis zu den größten Massenweinfabrikanten – auch das ist Heterogenität, die kein „Typisch Languedoc“-Feeling aufkommen lassen will. Trotz der Bodenverhältnisse, die sich gerade im Minervois und der AOCs nördlich des Canal du Midi alle Nase lang ändern, sind es auch gerade die Winzer, deren individueller Ductus in den Reben und im Keller oftmals den Charakter der Weine fast stärker prägen, als das Terroir selbst.
Das Languedoc-Roussillon ist, wenn man so will, eher eine lose Klammer denn ein klares Gerüst, auch geografisch betrachtet. Ein kurzer Blick auf die Karte verschafft schon etwas Klarheit:
Einmal ist da die Küstenlandschaft des Mittelmeers von der Rhone-Mündung in der Camargue Richtung spanischer Grenze hinter Collioure und Banyuls, mit Weinbergen quasi auf Meereshöhe. Dann die Südausläufer des Zentralmassivs, also der Monts de L‘ Espinouse, Montagne Noire und wie sie alle heißen. Hier wird nicht auf Sand und Molasse wie am Meer, sondern auf Sandstein, Dolomit, Schiefer und diversen Kalksteinsorten angebaut und die Weinberge liegen teils auf über 400m.
Von den höheren Regionen im Minervois schaut man nach Süden in die Ebene der Aude, Canal du Midi, N 113 / D610 und der Autobahn A61, welche von Narbonne über Carcassonne Richtung Toulouse führt. Diese Straßen und Wasserstraßen führen durch eine sanftere, flachere Zone der Corbières bis an den Rand des Weinbaugebiets, welches mit Malpère und Cabardès seinen westlichen Abschluss findet.
Zwischen den Südhängen der Cevennen und den nördlichen schroffen Vorgebirgen der Pyrenäen, der Fenouillèdes, weht an gefühlt 333 Tagen im Jahr aus allen möglichen und unmöglichen Richtungen Wind.
Der Cers von nordwestlich von Narbonne, der Marin und Autan vom Mittelmeer, der Tramontane als kalter Fallwind meist aus Nordwest zwischen Hautes Corbières und Pyrenäen…
den Reben schadet dies eher nicht – nach einem Regenschauer sind sie schnell wieder trocken geföhnt und weniger anfällig für allerlei Feuchtigkeitsschäden.
Apropos Autan – die Etangs wie überhaupt der ganze Küstenstrich waren bis weit ins 20. Jhdt. Malariagebiet und sind heute noch mit kleinen Plagegeistern besiedelt, wenn auch keine Malaria-Gefahr mehr droht – ich halte mich ja lieber in den höheren Regionen auf und meide die Küste mit den Touristen und den Blutsaugern.
Unterschiedlichste Böden und klimatische Einflüsse auf kleinstem Raum prägen natürlich auch die Charakteristik der Weine.
Rebsortenvielfalt Rot-Weiß
Um es kurz zu machen – Vorherrschend sind in den AOC-Gebieten in Rot ganz klar Carignan, Grenache, Syrah und Mourvèdre sowie Cinsault bei den Roten, wobei die Leitsorten und Maximalanteile der Cuvées von Appellation zu Appellation variieren. Bei den weißen Cépages ist die Vielfalt noch größer: es finden sich meist Grenache Blanc, Clairette blanche, Viognier, Marsanne, Rousanne, Vermentino (Rolle), Muscat, Picpoul, Carignan blanc, Bourboulenc, Terret, Ugni blanc und Maccabeu. Einige weitere Sorten sind ausschließlich in manchen AOCs zugelassen, aber genug von Rebsorten und Landeskunde und zurück zum Wein:
Ein frischer Extremus 2012 der Vignerons des Crus Faugères begleitet mich beim Schreiben, während draußen der Tramontane die jungen Blätter der Platanen zerzaust. Maskuline Kühle, Schiefer pur und wenig von der opulenten Fruchtigkeit weiter abwärts Richtung Süd. Garrigue, würzige Kräuter und ein Hauch von scharfer Lakritz, etwas Minze. Lange Mazeration, alte Reben, guter Trinkfluss und ein echter Preis-Leistungswinner.
Sein Kollege aus gleichem Hause, der Parfum de Schistes Faugères 2012, benötigt noch etwas Mund-zu-Mund-Beatmung. Nach etwas Karaffierung im Saftkrug (etwas anderes gab die Ferienwohnung nicht her und der Dekanter hat nicht auch noch ins Auto gepasst) zeigt er ebenfalls eine angenehme Frische bei etwas mehr Extrakt. Wer auf frisch-würzige Südländer ohne klebrige Marmeladenfrucht steht, könnte in Faugères fündig werden, nach oben ist jedenfalls noch viel Luft.
Weitere Erzeuger aus Faugères, die schon in Carcassonne bei den Millèsimes en Languedoc gefallen haben: Domaine Ollier-Taillefer, Domaine de Cébène (schon auf der Millésime Bio in Montpellier ein Highlight), Vignobles JeanJean.
Mehr aus dem Languedoc gibt es demnächst bei Baccantus – dranbleiben, der nächste Korken ist schon aus der Flasche!