Nach der Messe ist vor der Messe und nach der ProWein kommen Vinexpo in Bordeaux und die Vinitaly in Verona. Der Bordeaux Jahrgang 2010 schlummert noch für längere Zeit in den Fässern, doch die großen Namen der Weinwelt nebst Horden von Weinjournalisten und Weinhändlern sind derzeit unterwegs zwischen Haut Medoc und Pomerol, um sich erste Eindrücke „en primeur“ über den kommenden Spitzenjahrgang zu verschaffen.
Spitzenjahrgang? Schon wieder? War nicht erst 2009 ein hochgelobter Jahrhundertjahrgang?
Es wurde schon nach der Weinlese 2010 gemunkelt, dieser Jahrgang kenne den 09er noch übertreffen. Geringere Erntemenge mit kleinen aber nahezu perfekten Trauben, dazu perfektes Wetter zur rechten Zeit… usw., und so fort.
Die Chinesen kaufen ohnehin alles, und je teurer desto besser!
so hört man die einen, die anderen fragen sich ernsthaft, was aus den weniger prominenten Châteaus wird und ob sich der Markt in eine gesunde Richtung bewegt, woran natürlich allen Ernstes gezweifelt werden darf.
Für viele Weintrinker und auch echte Liebhaber sind mittlerweile schon die zweite und dritte Weine der renommierten Erzeuger unerschwinglich, selbst wenn sie als Subskription bezogen werden und umso mehr verschärft sich die Suche der „Wein-Trüffelschweine“ nach den Leckerlis, die weniger bekannt und trotzdem große Klasse haben.
Embedded journalism ist an sich schon eine höchst problematische Sache. Ein wirklich ernstes Problem ist es allerdings, wenn durch bevorzugte Behandlung einiger weniger einflussreicher Weinjournalisten letztlich auf die Preisgestaltung eines Jahrgangs Einfluss genommen wird und Meinungen im Sinne des Wortes „gemacht“ werden, worüber sich auch der renommierte Weinjournalist Michel Bettane, Mitherausgeber des bekannten Weinführers Bettane & Desseauve in einem offenen Brief beschwert. Er kritisiert hierin insbesondere die Vereinnahmung und Instrumentalisierung der schreibenden Zunft durch die großen Châteaus und Negotiants in Bordeaux, die man nur allzu gerne als Marketing- Schlachthäuser vor den eigenen Pflug spannen möchte.
Auch die berühmte britische Weinkritikerin Jancis Robinson fragt sich auf ihren Seiten, wann der richtige Zeitpunkt für eine Publikation zum jeweils neuen Jahrgang wäre und kritisiert ebenfalls eine zunehmende Instrumentalisierung seitens der Händler.
Lesenswert zum gleichen Thema ist der Artikel von Eckhard Supp zum Thema BDX/Primeur auf EnoWorldWine.
Das Verkosten von Fassproben an sich ist schon kein leichtes Unterfangen, und so mancher greift hier auch mal in seinen Bewertungen kräftig daneben. Das Verkosten und ernsthafte Beurteilen von Fassmustern von großen und komplexen Weinen gerade aus dem Bordelais, die in ihrer Jugend oft schon extrem dicht, tanninstrotzend und verschlossen sind, ist eine Kunst, die nicht jedem gegeben ist und die sich auch nicht jedem erschließen wird, Übung hin oder her…
Aussagen zur Lagerfähigkeit und zum Entwicklungspotential der verkosteten Weine im Embryonalzustand zu treffen erfordert jedenfalls viel Phantasie und hat in meinen Augen schon auch immer etwas Mystisches und Metaphysisches an sich…
Weitere Infos zum Thema Bordeaux 2010 im Tipptelegramm – mit Notizen vorort von Siggi Hiss auf den Seiten von Captain Cork.
Warum das Thema BDX-Hype nicht einfach ignorieren und den Weinfreaks überlassen? fragt sich so mancher nicht nur in den Facebookdiskussionen, die jetzt zum Thema entwickeln, bspw. beim MeisterBlogger und Weinmacher Dirk Würtz, der über BDX und das „Punkteschleudern“ der Weinkritiker schreibt.
Nicht Mitspielen ist keine gute Idee, zumal der Markt sich immer mehr internationalisiert und längst neben den USA auch China und Indien eine wachsende und bedeutende Rolle spielen, wie Dirk richtig bemerkt. Es gibt nicht genug von dem gehypten Superstoff, also stören ein paar Verweigerer, die den Zirkus nicht mehr mitmachen wollen, überhaupt nicht und es wird trotzdem ein Geschachere um die kostbaren Flaschen geben, als gäbe es keinen 2011er- Jahrgang…
Dieser wird übrigens sensationell, ein Spitzenwein, nichts ordinäres und natürlich die 09er und 10er in den Schatten stellen. Wollen wir wetten?
Das passende Weinshirt zum 2009er Jahrhundertjahrgang gibts hier!
Und für die anderen Spitzenjahrgänge einfach dashier nehmen und beliebige Zahl nehmen…
2011 soll ja auch überragend werden! 😉
Gell Thomas L. und Harald S.?