Happy Wiedervereinigung miteinander!
25 Jahre… Jedenfalls eine Zeit, die überall ihre Spuren hinterlässt, von der Gesellschaft an sich über das Konsumverhalten der Deutschen bis zum Weinbau in den Regionen: Zu den altbekannten Weinbauregionen wie Mosel, Rheingau, Nahe usw. gesellten sich aus dem Beitrittsgebiet mit Sachsen und Saale-Unstrut das nördlichste und östlichste Gebiet hinzu und reihten sich in den Kanon der deutschen Qualitätsweinbaugebiete ein, mit wachsendem Erfolg. Und auch wenn die DDR-Zeit nicht zu den rühmlichsten des Ost-Weinbaus gehören, so blickt man dort auch vielerorts auf eine Jahrhundertalte Tradition zurück.
Blühende Landschaften
Bei aller Einheitsfreude sind die Lebensumstände in Ost und West in vielen Bereichen allerdings immer noch signifikant unterschiedlich, wobei einiges, aber längst nicht alles der unterschiedlichen Kaufkraft geschuldet ist. Willkommenskultur, Ausländerfeindlichkeit. Die meisten Menschen, die durch Alkoholmissbrauch sterben, tun dies im Osten, obwohl der Alkoholkonsum gesamt an sich recht ähnlich ist. Wein wird in Ost und West ungefähr gleich viel konsumiert. Im Westen, insbesondere im Taunus, gibt man besonders viel für hochwertige Weine aus, in Vorpommern besonders wenig. Der Aussagegehalt solcher Feststellungen, die man überall von Welt bis Spiegel liest, ist indes gering, auch wenn man hübsche Schaubilder daraus macht, wie hier in der ZEIT.
Brüh im Glanze…
Beim Thema „Ostwein“ denkt so mancher unweigerlich an die Billigschäumer-Angebote in den wöchentlichen Werbebeilagen der Supermärkte für 2,59 €. Dabei ist die Geschichte der heutigen Rotkäppchen Sektkellerei GmbH in Freyburg/ Unstrut zum einen eine ostdeutsche Erfolgsgeschichte, zum anderen auch eine gesamtdeutsche. Das Unternehmen stellte dabei lange vor der Deutschen Teilung Sekt her: gegründet bereits 26. September 1856. Die bekannteste Sektmarke in der DDR ist heute mit über 100 Millionen Flaschen jährlich klar der Marktführer auch des vereinigten deutschen Sektmarkts. Die Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien haben neben Mumm, MM Extra und Geldermann in Breisach auch diverse Spirituosen und die Weinmarke Blanchet im Portfolio. Der geneigte Leser mag die Nase rümpfen ob der Qualität mancher Produkte – erfolgreich ist das Freyburger Unternehmen allemal.
Einheitswein, Einheitsbrühe?
So schmeckt Deutschland nach 25 Jahren Wiedervereinigung / Das Projekt „Einheitswein“. Am Zentrum für Ökonomie, AG „Marketing & Management“ Internationale Weinwirtschaft der Hochschule Geisenheim hat man sich zum Jubiläum etwas ausgedacht:
In einem studentischen Projekt wurden zum ersten Mal in unserer Geschichte überhaupt Prädikatsweine aus allen 13 Weinanbaugebieten West- und Ostdeutschlands in einer Cuvée vereint: ein tatsächlicher „Einheitswein“ als Weiß- und Rotweinvariante, der die Einheit der Bundesrepublik Deutschland auch (wein-) sensorisch in den schönsten Facetten widerspiegelt. Diese beiden Weine werden zur 25 jährigen Jubiläumsfeier der Deutschen Einheit in Wiesbaden vorgestellt und von Staatsmännern und Regierungschefs aus aller Welt verkostet werden. (Zitat Pressetext)
Die Idee, das Spektrum des deutschen Weinbaus durch zwei Cuvées darzustellen, ist zunächst gut, zumal dabei Weinhersteller vom VDP-Gut bis zum Fassweinproduzenten vertreten sind, und neben sämtlichen Weinregionen so auch in qualitativer Hinsicht ein Landesquerschnitt gebildet wird. Ob der deutsche Drang zur Mitte, zum Mittelmaß hier auf die Spitze getrieben wurde? Ironie und Mutterwitz? Mediokrität als erklärte Methode und zwangsläufig auch als Endziel? Ein Schelmenstück?
Das Ergebnis sieht zunächst mal sehr „einheitlich“ simpel aus. Lernt und lehrt man heute überall, wie wichtig auch kleine Details beim Produkt selbst wie bei Verpackung und Marketing sind, so fragt man sich, wieso beim 25. jährigen Jubiläum das Etikett so billig aussieht, wie heute kaum noch ein 4€-Discountwein. Einfachste Flasche, simple Typografie. Eine freischaffende Künstlerin mit Wachsmalkreiden (Kann man die Einheit auch Tanzen?) beim Rotwein, und weshalb ragt es Schwarzrotgold so deutlich in die Nachbarländer hinein? Gehört das Elsass jetzt auch wieder dazu? An deutschem Wesen… ach lasset uns Wein trinken und uns einfach freuen, oder vielleicht doch lieber erstmal Kaffee – nach wie vor das beliebteste Getränk… Böse? Man sollte mal die Kommentare in den Facebook-Gruppen dazu lesen. Die Etiketten sind das eine, aber die Weine?
Klar, man kann sie trinken. Man wird nicht blind davon. Und die Idee ist ja irgendwie auch gut, auch wenn die „totale Einheitlichkeit schon denknotwendig keine große Klasse erreichen kann. Viele der typischsten Vertreter ihrer Weinregionen waren früher als Abweichler oder sonst aus der Art geschlagene Rebellen gebrandmarkt. Sie wichen von der Norm, vom Allerlei, vom Einheitsbrei der Genossenschaften ab, sie machten ihr eigenes Ding und verließen eben die Genossenschaften und eingetretene Pfade. Sie machen es noch heute: Blaufränkisch am Roten Hang. Verzicht auf Allzuleichtes. Steillagen in extremo. Riesling im Holzfass. Restsüße Rieslinge gegen das totale Trockenheitsdiktat – Rock’n’roll – das ist mein W‘EINheits-Deutschland! Nicht das mediokre Kollektivistische. Sehr zum Wohle und einen frohen Tag der Deutschen Einheit!
Ein Original Baccantus-Shirt,
nicht zur Einheit und nicht in Einheitsgröße,
dafür aber tragbar! 😉