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Weinlese 2010 – Nachtrag

[Baccantus] Nachdem hier schon die ersten Winzer zu Ihrer Meinung bezüglich der Weinlese 2010 befragt haben, folgt nun ein erster Nachtrag. Wir sprachen mit Martin Manderschied vom Weingut Manderschied [MD] und mit Thomas Lippert [TL] vom Winzerblog.


[Baccantus] Nachdem was man so husten hört, scheint 2010 für viele Winzer ein schwieriger Jahrgang zu werden. Manche sprechen vom ersten normalen Jahr nach vielen außergewöhnlichen, andere von minderer Qualität durch den langen Winter und viel Regen im August und September. 2010 scheint jedenfalls spannend zu werden wie lange nicht, und auch wenn manche den Jahrgang schon abgeschrieben haben erwarten andere noch durchaus bemerkenswertes. Aus dem Bordeaux ist von kleinen, aber perfekt geformten Beeren zu hören, aus Deutschland eine Mischung aus Frustration, banger Hoffnung und cooler Gelassenheit.

Vielerorts ist ein wesentlicher Teil der Lese schon abgeschlossen – Zeit für ein erstes Zwischenfazit von euch – wie schaut’s aus?

[Baccantus] Wie weit seid ihr mit der Lese? Wie sieht es bei euch aus mit den hohen Säurewerten, feuchtigkeitsbedingter Fäule oder sonstigen witterungsbedingten Problemen?


[MD] Die Lese ist zu 75% abgeschlossen. Die Säurewerte sind bei uns jetzt nicht auffallend hoch. Feuchtigkeitsbedingte Fäulnis herrscht vorwiegend beim Riesling vor, es handelt sich aber um gesunde Botrytis.

[TL] Wir haben am 14. Oktober die Ernte versöhnlich abgeschlossen. Die Spätburgunder haben 2010 am längsten gehalten und konnten mit wunderschönen Qualitäten geerntet werden. Die Säurewerte sind durchweg erhöht, egal mit wem ich spreche und aus welchem Gebiet, das war überall der Fall. Vor allem die Sorten die am Beginn der Ernte reinkamen wie z.B. Sauvignon blanc hatten zum Teil extrem hohe Säurewerte. Fäulnis war bei uns weniger ein Problem, wir haben dafür höhere Säure in Kauf genommen, stets nach dem Motto, Gesundheit vor Oechsle.


[Baccantus] Viele haben noch Hoffnung für die späteren Sorten. Poker spielen und zocken, also den Lesezeitpunkt möglichst weit nach hinten raus schieben und noch auf ein paar Sonnenstrahlen hoffen oder was ist die Devise bei euch?


[MD]Die dicken Spätlesen wird es nicht geben. Wir warten nur noch auf die physiologische Reife.

[TL] Nach Abschluss der Ernte kann man sagen das das zocken nicht funktioniert hat, aber nicht wegen der Mostgewichte oder der Reife, sondern mit jedem Tag wurde die Erntemenge geringer und geringer. Und Botrytis macht eigentlich erst Spass bei hohen Mostgewcihten und vollreifen Trauben.


[Baccantus] Reicht Abwarten aus oder muss man dieses Jahr im Keller gezielt mit den Weinen arbeiten, also aus der Laienperspektive betrachtet also „mehr Hand anlegen“ als sonst?


[MD] Die Säurewerte wird man beim einen oder anderen Wein noch korrigieren müssen, aber der Wein hat auch noch viel Zeit, bis er im Frühjahr abgefüllt wird.

[TL] Ha!!! Der Jahrgang 2010 ist DER Jahrgang der Kellermeister!! Da können die Winzer sagen was sie wollen, ohne gezielte Massnahmen im Weinkeller ist 2010 kaum ein Wein zu produzieren. Und mal davon abgesehen, die Kellerarbeit ist ein bodenständiges Handwerk, da ist zunächst mal nichts schlimmes dabei wenn Kellermeister Hand anlegen!!


[Baccantus] Wein ist ein Naturprodukt, so hört man es zumindest oft. Trotzdem erwarten viele Käufer eine gleichbleibende Qualität, gerade auch im Lebensmitteleinzelhandel und Fachhandel. Wenn die Weine wesentlich von den Vor-Jahrgängen abweichen werden (wovon vielerorts zumindest auszugehen ist), wie werden eure Kunden darauf reagieren?


[MD] Wein ist ein Naturprodukt. Jeder Jahrgang stellt andere Anforderungen an den Kellermeister. Wenn der Kellermeister aber alles im Griff hat, dann wird die Qualität des Weines nicht leiden. Die eine oder andere geschmackliche Veränderung zwischen den Jahrgängen ist ja auch das Interessante für den Weinliebhaber!

[TL] Wir produzieren Regional, wir verkaufen Regional, unsere Kunden kennen uns und wissen das jeder Jahrgang anders schmeckt. Lediglich im Gastrobereich versuchen wir zumindest die Säure und Restzucker auf einen Level zu bringen der dem Durchschnitt der Jahre nahe kommt.


[Baccantus] Welche Auswirkungen haben gezielte Eingriffe im Weinberg durch Laubarbeiten und letztlich die Lesemethoden zu einem Jahrgang auf die Qualität?


[MD] Handarbeit steht bei uns ganz oben, schon alleine deswegen, weil wir unsere Weinberge ökologisch bewirtschaften.  Die Lesemethode hat bei gesunden Trauben keine Auswirkung.

[TL] Die sind natürlich wichtig, aber Winzer und Weingurus neigen dazu das leicht überzubewerten. Letzendlich leben wir alle unter der gleichen Sonne auf dem gleichen Planeten. z.B. gute und intensive Laubarbeit, Grünernte usw. gehört einfach zur gängigen Praxis.

Die Lesemethode hat meiner Meinung nach eintscheidenden Einfluss auf die Weinqualität. Schnell und selektiert muß es gehen, und das exakt zu dem Zeitpunkt an dem Winzer und Kellermeister es möchten!! Darum sollte man vorsichtig sein mit dem Verteufeln von Erntemaschinen, bei klugem Einsatz, z.b. mit Negativselektion ist sie der Handlese durchaus überlegen.  Und, was hilft eine Handernte wenn die Trauben dann Stundenlang in der Sonne im eigenen Saft rumliegen? Man kann sich alles schönreden und man kann alles schlecht reden. Jeder Betrieb muß sich sein eigenes Optimum erarbeiten und kann damit nicht auf die restliche Weinwelt schliessen, denn das ist letzendlich auch eine Frage der betrieblichen Struktur.


[Baccantus] Wir danken für eure Einschätzungen und wünschen euch noch eine erfolgreiche Lese im Herbst 2010!

Die Links zu unseren Interviewpartnern:

Weingut Manderschied in Kapellen-Drusweiler

Thomas Lippert vom Winzerblog in Heidelberg


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