Politik und Wein, Wein und Politik?
Zur Weinrallye #67 – diesmal ohne Verkostungen… ausgerufen wurde die neue Etappe von der kochenden Arturs Tochter hier. Auf ihrer Seite erfolgt dann auch die Verlinkung der anderen Teilnehmer und deren Beiträge.
Seit jeher haben die Mächtigen der Welt mit edlen Weinen und Champagnern nicht nur illustre Staatsgäste bewirtet, auch zu Kronjubiläen und Monarchen-Hochzeiten sowie bei Wahlpartys fließt der Rebensaft mit oder ohne Blubber in Strömen.
Bekanntlich hatte Sir Winston Churchill eine Leidenschaft für Champagner des Herstellers Pol Roger, für den er sogar öffentlich schwärmte. Das Unternehmen ehrt Churchill seit Jahren mit einer eigenen Cuvée. (z.B. Champagne Pol Roger Cuvée Sir Winston Churchill 2000, im Kölner Weinkeller für 145 EUR.)
Erst im Mai machte der Elysée-Palast, der angeblich jährlich 150.000 Euro für Wein ausgibt, mit einer Versteigerung von rund 1200 Flaschen teuren Wein von sich reden, bei der 718.800 Euro umgesetzt wurden. Zwei Flaschen Château Pétrus sollen dabei für 5500 und 5800 Euro unter den Hammer gekommen sein. Für die einen stellt dies einen Ausverkauf von französischen Kulturgütern, für die anderen jedoch eine logische Konsequenz dar, da es gegenüber den Bürgern kaum mehr zu rechtfertigen ist, auf Kosten der Steuerzahler edelste Tropfen zu horten oder gar auszuschenken.
Wein als Symbol von Macht und Status hat zwar keinesfalls ausgedient, Protzerei mit den edlen Big Bottles verbindet man inzwischen allerdings eher mit chinesischen Neumillionären und weniger mit politischen Eliten. (was trinkt eigentlich Kim Jong Un?)
Hierzulande scheint man auch in Anbetracht eines glänzenden Wahlsiegs und einer nur knapp verfehlten absoluten Mehrheit etwas bescheidener zum Glas zugreifen: anlässlich der Bundestagswahl 2013 wurde am Wahlabend in Berlin zur CDU-Wahlparty ein Auggener Schäf Gutedel trocken 2012 des Winzerkellers Auggener Schäf ausgeschenkt. Die Kosten dürften deutlich unter 10 EUR gelegen haben. Ein anständiger Tropfen fürs Wahl- und Wahlhelfervolk allemal. (http://auggener-wein.de)
Die Bundeskanzlerin bei der CDU Wahlparty zusammen mit Regine Schewe,
„Villa Salve“, und Thomas Basler, Geschäftsführer Winzerkeller Auggener Schäf.
Foto: PR Winzerkeller Auggener Schäf.
Die Genossenschaft als Gutedel-Cup Gewinner aus dem Markgräflerland einerseits, die vor kurzem stattgefundene Präsentation der großen VdP-Gewächse andererseits – zwei Seiten des Deutschen Weinbaus – was hat das mit Politik zu tun?
Nun, auch im Gehabe um die mehr oder weniger edle Bewirtung von Gästen liegt allerhand Symbolik. Der erfolgreiche Politiker als prassender Zecher scheint nicht mehr überall en vogue zu sein, Protzerei auf Staatskosten in Zeiten knapper Kassen ohnehin nicht, zumindest in manchen Ländern.
Helmut Kohl bewirtete seinerzeit Gäste gerne statt in Bonn im Deidesheimer Hof. Gutbürgerlich-deftig mit Blutwurst-Strudel und geräucherten Saumagen, dazu Pfälzer Weinen aus der Umgebung. Von Karl Heinz Bohrer sei er hierfür dereinst verspottet worden: Der behäbige Kanzler symbolisiere die „Herrschaft des Bauches über den Kopf“. (die Welt). Hätte er sich eher ein Bollinger- & Yquem-Gelage in Bonn gewünscht?
Genussmensch Kohl scheint aber nicht nur mit Pfälzer Weinen in Verbindung zu stehen. Als vermeintlicher Lieblingswein des ehemaligen Bundeskanzlers wird auch der Oestricher Doosberg Riesling Spätlese vom Rheingauer VdP-Weingut Balthasar Ress gehandelt, von dem 2009 eine 20 Jahre Sonderedition „Die Mauer fällt“, Jahrgang 1989 mit Sonderetikett erschien.
Pinooh Grdschiioh oder was? Der Deutsche Wein hat jedoch anscheinend noch immer ein partielles Imageproblem in der Politik, Brüderle hin oder her: Manchen deutschen Politikern der „Berliner Republik“ scheinen die eigenen Gewächse aus deutschen Landen nicht würdig genug zu sein, um sie internationalen Gästen vorzusetzen, und so sah man in den letzten Jahren immer wieder bei Empfängen und Veranstaltungen in Berlin und auch in den weniger Weinbau-dominierten Bundesländern alkoholische Getränke aus dem Nachbarnationen Frankreich und Italien. Welche Botschaft damit vermittelt werden soll, verbleibt indes fragwürdig: „lieber französischer Staatsgast, ich lasse Dir einen Wein aus deinem Heimatland kredenzen, da ich die Weine aus den deutschen Anbaugebieten a) nicht kenne, b) nicht mag, c) nicht für edel genug erachte, d) ich eh lieber Bier trinke…?
Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück musste einige Schelte über sich ergehen lassen: Eine Flasche Pinot Grigio unter 5 Euro würde er nicht kaufen. (einige andere Politiker schrecken hiervor nicht zurück…) Ein klares Bekenntnis zur hochpreisigeren Spitzenklasse der Deutschen Weine konnte man bei seinen Wahlkampfauftritten allerdings auch nicht vernehmen, wenngleich der mutmaßliche Sinn der Aussage, eher höherwertige Qualitätsweine zu bevorzugen, ihm sowohl vom politischen Gegner als auch von den Teilen des eigenen Lagers, die stets den „kleinen Mann“ als Wähler vor Augen haben, vorgehalten wurde.
Wie man es macht, man macht es verkehrt. Unter Schröders Zeiten konnte man selbst als Sozialdemokrat noch Zigarre rauchen und Champagner schlürfen, heute feiern selbst siegreiche Christdemokraten bei Genossenschaftswein und Salzgebäck zum volkstümlichen Punkrock der Toten Hosen – Volksparteien eben. Ob eine freie, liberale, ökologisch-nachhaltige Genusspartei die 5%-Hürde bei der nächsten Wahl knacken könnte? Gäbe es dann bei der Wahlparty Große Gewächse?
Die FDP ist zumindest im kommenden Bundestag Geschichte, und mit ihr Rainer Brüderle, dem man sicher einiges vorwerfen kann, nicht jedoch seinen Einsatz für den Deutschen Wein und seine Königinnen. Immerhin kommt der Wein zum diamantenen Thronjubiläum der Queen of England aus Deutschland, und nicht von den Inseln: Das Weingut Keller Flörsheim-Dalsheim hat die Ehre…
Wohl bekomms!