Über Parkers Punkte und ihre Auswirkungen auf den Weinmarkt und dessen Preise wurde schon viel gesprochen und geschrieben, insbesondere jetzt wieder in den Verkostungszeiten für Bordeaux-Primeur und der mal wieder sensationellen Preisentwicklung für den Jahrgang 2010.
Heute geht es allerdings mal um ein etwas anderes Thema im Baccantus-Blog:
Parker-Punkte im Supermarkt
Wie wohl jeder ehrliche Einkäufer eines LEH-Unternehmens oder eines Discounters bestätigen wird, lässt sich mit goldenen Preismünzen und sonstigen Auszeichnungs-Zierrat an der Flasche Geld verdienen. Soll heißen: der normale Kunde kauft lieber einen im Wortsinne ausgezeichneten Wein, als den unausgezeichneten, der daneben steht. Bis zu einem gewissen Preis gibt es sogar lieber etwas mehr für die dekorierte Flasche aus als für die gleich gute oder vielleicht sogar bessere ohne Abzeichen, Anhänger oder Empfehlung vom Sternekoch Meyer-Schulze-Lehmann.
Eine von einem Konsortium verliehene Preismünze ist zwar nicht das gleiche wie eine Benotung mit Parkerpunkten, doch sind diese, zumal wenn sie die magischen 90 PP überschreiten, eine Art Adelsprädikat nicht nur für die Flasche selbst, sondern oftmals für das gesamte Weingut, ganz gleich, wie die sonstigen Weine sein mögen.
Sie sind aber nicht nur im Hochpreissegment für Bordeaux-Weine ein Kriterium, das sich einerseits auf die Preise und andererseits auch auf die Kaufentscheidung auswirkt – nehme ich jetzt den mit den 92 PP für 28€ oder den mit 92,5 PP für 34 €?
Parker sales – auch bei Aldi, Lidl, Norma & Co.
Auch wenn viele Weinenthusiasten die Nase rümpfen, wenn es um den Weinkauf beim Discounter geht so ist Fakt, dass diese eben die größten Weinhändler Deutschlands sind. 48% aller in Deutschland gekauften Weine gehen laut GfK-Haushaltspanel hier über das Rollband.
Ob es aus Sicht eines deutschen Winzers sinnvoll ist, bei einem Discounter gelistet zu werden, muss jeder selbst wissen, einem VDP-Prädikatswinzer wie Hans Lang mögen die Spezialverkäufe über Aldi sicher nicht geschadet haben, ebenso wenig das Aldi-Projekt von Franz Keller dem Fritz oder einem Raimund Prüm.
Wein muss in die Fläche… Bei aller persönlicher Vorliebe für den Weinfachhandel – für viele Winzer ist es schlicht ein wirtschaftliches Erfordernis, entsprechende Mengen ab- und umzusetzen, und das nicht nur aus Platzproblemen für den frisch gefüllten Jahrgang. Mancher Großabnehmer aus LEH und dem Discountbereich wird in mancherlei Hinsicht auch gerne der Restweinverklappung für sonst Unverkäufliches aus aller Herren Länder bezichtigt, andere haben sicher auch in manchen Jahren dem ein oder anderen Winzer vor dem Strick bewahrt, um es mal so drastisch auszudrücken.
Auch dem Weinkäufer in entsprechenden Märkten ist kein Vorwurf zu machen, zumal eben der Gang zum Discounter besonders bequem ist und – was in entsprechenden Weinliebhaberkreisen gerne vergessen wird:
Nicht jeder interessiert sich wirklich für das Thema Wein,
manche trinken ihn nur einfach gerne…
Und so wundert es kaum, dass eben auch diverse Goldmünzen und Pappanhänger dem potentiellen Käufer die eine oder andere Flasche schmackhaft machen sollen.
Wenn ich mich als Kunde entscheiden muss, einen mit 90 Punkten von Robert Parker bewerteten Tardencuba Crianza 07 für 4,99€ oder einen NoName-Vacqueyras AOC 2010er von Lidl für 5,99€ zu erwerben, dann entscheidet sich der Schnäppchenjäger guten Gewissens für den Parkerwein, denn der muss es ja wissen!
Bei Norma herrschte in jüngster Zeit und vorösterlicher Freude geradezu eine Inflation von Parker- und sonst wie hochgelobten Weinen mit zumeist iberischer Provenienz, was vielleicht auch dem Überangebot an gut gemachten günstigen Spaniern geschuldet sein könnte.
Wir haben uns also an die Front gewagt – hier ein paar Eindrücke ohne Vollständigkeit und natürlich hochgradig subjektiv!
Tardencuba Crianza 2007 für 4,99 € 90 PP. 100 % Tinta de Toro von 50-jährigen Rebstöcken, Ausbau in (neuen?) französischen Eichenholzfässern. Tardencuba könnte man als Lang im Faß übersetzen, als Crianza sollten es 18 Monate sein. Sehr weich und gefällig am Gaumen, großer Trinkspaß für einen wirklichen Hammerpreis, auch wenn die Bewertung meines Erachtens etwas hoch gegriffen ist. aber egal. Den Vorjahrgang habe ich anderswo für weit über 12 € gesehen… passt.
„Der Verführer, Spitzenwein!“ – So wird auch der Encanto Bierzo DO Crianza 2005 beworben, ebenfalls 4,99 € 90 PP. Dieser Wein aus der Rebsorte Mencia scheint wohl alle Jahre wieder hier aufzutauchen, entpuppt sich aus meiner Sicht aber als Fehlkauf, anders als der Tardencuba landet er im Ausguss… zwar ohne Weinfehler, aber auch ohne Esprit, unrunde Tannine, überhaupt unharmonisch und stumpf. Keine Ahnung, was Parker hier bewertet hat, diesen Wein wohl kaum. Kein Schnäppchen, kein Genuss. Konterflasche genauso, falls TCA, dann deutlich unter meiner Wahrnehmungsgrenze.
Ibice Tempranillo Cabernet Sauvignon, 3,99 €, 89 PP. deutlich besser als das Modell „Encanto“, das so gar nicht zum Singen animieren wollte… angenehm trinkig, easy going und unkompliziert. Der „Lass uns einen Roten trinken“- Wein. Vielleicht etwas belanglos und sicher ebenfalls überbewertet, aber abgesehen davon ein anständiger Spanier ohne übertriebene Eichenholz-Automatik zu einem anständigen Preis. Mehr aber auch nicht.
Vega Escal Priorat DOQ 2006, Carignan, Grenache, Shiraz. 90 PP, 6,99 €. Ok, Priorat ist teuer und es gibt Regionen mit besserer PL-Relation in Spanien. Trotzdem ein feiner Tropfen. Sagen wir 88 Punkte – hey, das ist schon richtig gut! Smoooth. Verträgt viel Luft und wirkt nach 2h deutlich komplexer. Schwarze Johannisbeeren & Herrenschokolade – hier passt sogar die Beschreibung im Text. Etwas gekochte Pflaumen und Süßkirschen. Anständige Länge und ein echter Gaumenschmeichler, vielleicht etwas zu gefällig und abgerundet? Sein Geld jedenfalls mehr als wert und einer der Favoriten hier.
Belaya Reserva Seleccion Rioja DOC. Tempranillo. 92 PP, 7,99 €. Wie schmecken 92 Punkte für knapp 8 Euro? Sicher kein schlechter Tempranillo und keiner der Holzbomben, von denen es aus la Rioja leider immer noch viel zu viele gibt. Gab es im Dezember 2010 angeblich schon einmal im Angebot.
Sportoletti 2009, Assisi Rosso DOC, 5,99 €. Mal keine PP, sondern 2 Gläser im Gambero Rosso. Sangiovese, Merlot, Cabernet Sauvignon. Passt. Großer Spass im Glas, Preis geht in Ordnung. Markant frische Säure, Vielleicht noch etwas jung, aber jetzt schon eine positive „sportive“ Überraschung und angenehm vielschichtig. [edit:Der große Bruder des Assisi Rosso ist übrigens der Villa Fidelia Rosso IGT 2006, der im Gambero Rosso 2009 mit 2+ Gläsern ausgezeichnet wurde und 90PP erhielt, preislich allerdings schon um die 20€ kostet, nur mal so als Vergleich.]
Fazit
Ohne die 5€-Weindiskussion wieder anzufachen lässt sich sagen, dass man bei einem Preis deutlich über Zwo€Sonstwas, die der Deutsche Konsument im Schnitt so für Wein ausgibt, nicht nur anständiges bekommen kann sondern dies auch erwarten darf. Für 4,99 bis knapp 8 € gibt es sehr trinkbare Weine, auch beim Fachhändler. Anständig sollten diese Weine also auch aus dem Discounter sein, das ist das Mindeste. Wie sich ein Tardencuba für nur 4,99€ im Norma erklären lässt? Vielleicht mit Überkapazitäten oder neuen Jahrgängen… bei manchem anderen schien jedoch auch der Discountpreis nicht wirklich günstig, sondern allenfalls angemessen für die gebotene Qualität. Was meines Erachtens fast nie passt sind die vorweihnachtlichen „Knüller-Bordeaux“ und Barolos der Discounter. Hier ist meist Resterampe und Wühltisch-Qualität angesagt, ich würde von Barolo jedenfalls die Finger lassen, zumal hier mit Großabfüllungen auch viel Schmus betrieben wird…
Schnäppchenjagd, Lebensmittel und Genuss haben in ihrer Kombination meines Erachtens nach einen schalen Beigeschmack, und das nicht nur seit den jüngsten Lebensmittelskandalen!
Shirts!
Sehr guter Artikel. werde mal den einen oder anderen der PP-Discount-Fraktion antesten. Man versucht es ja immer wieder mal. Letztendlich höchstens ein Nullsummenspiel, wenn man Enttäuschungen und Schnäppchen aufsummiert…
Wein für linksgerichtete Aktivisten: Will mal keine politische Motivation unterstellen, aber was du als „Sponto“letti bezeichnest, ist bei Norma als „Sporto“letti im Netz 😉
oops. War so mit „Spontanvergärern“ befasst… da wurde tatsächlich ein Spontiletti drauss… Danke Carsten! Aber der sportive Letti ist schon ein klasse Name;-)
-Nullsummenspiel – manchmal sicher. Aus Kundensicht sind die gewonnenen Erkenntnisse bei Ge- oder Mißfallen nur halt zumeist nicht weiterverwertbar, da die Weine als Sonderposten verkauft werden, bei der nächsten PP-Schlacht gibt es andere Weine, andere Jahrgänge…
es wird Herbst und wieder steht der Encanto Bierzo DO Crianza 2005 zum gleichen Preis bei Norma im Regal… scheinen noch einige von der Plörre übrig zu sein;-) wundert mich auch nicht. Ich empfehle eher den Domaine du Tauch/ Mont Tauch zum gleichen Preis, auch ohne PPs oder den Dogliani mit 2 Gläsern im Gambero Rosso.
Kaum zu Hause, schon geht es weiter: 2006 La Mancha Casa Gualda Seleccion 50; 91 PP ab Dienstag bei Norma.
Vielleicht sollte man aber eher über den Spitzenwein im Fachhandel schreiben, vielleicht ist dann die Motivation höher auch mal im Vergleich diesen zu trinken.