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Durst, Andreas. Fotograf. Winzer.

Baccantus: Andreas – vielen bist du bekannt als Fotograf aus der Weinszene, insbesondere durch die Bebilderung für den dicken Wälzer „Wein spricht Deutsch“ mit Stuart Pigott. Nun hast du vor einer Weile deine Erstlingswerke als Winzer vorgestellt, die ja durchaus schon einige Wellen geschlagen haben. Vom Werbe- zum Weinfotografen und von dort in den Wingert, oder wie muss man sich das vorstellen? Anders gefragt – wie kommt man von Wuppertal nach Bockenheim an der Weinstraße, also „mitten hinein in den Wein“?

A. Durst: Es gab so zwei Erweckungserlebnisse für mich. Mit unseren alten Motorrädern fuhren meine Frau und ich früher quer durch Europa, Ende der 90er Jahre zum ersten Mal nach Sizilien und tranken dort tolle Weine. Zurück in Deutschland hielten uns natürlich alle, die was von Wein verstanden, für Opfer der südlichen Sonne…  Mein Interesse war jedenfalls geweckt und der Wein ließ mich nicht mehr los.
Drei Jahre später habe ich mich dann von einem alten Schulfreund zu einer Moselreise überreden lassen. Meine Eltern bekamen traditionell Schwarzwein von der Mosel, das heißt unetikettierte grüne Schlegelflaschen von einem Nebenerwerbswinzer aus der weitläufigen Verwandtschaft. Offenbar ein Nordosthang. In guten Jahren als Getränk erkennbar, in schlechten Jahren einfach nur unglaublich saures Zeug. Meine Mutter trank also Amselfelder. Meine Wahl war in der Folge klar – Bier!
Mein Freund fuhr uns zielsicher ins erste Weingut: Markus Molitor. Wir probierten ein paar Weine, mir war sofort klar: Scheuklappen weg. Es war wie ein Blitz. Wir fuhren durch diese unglaubliche, archaische Winterlandschaft der Mittelmosel. Bis dahin kannte die Mosel nur von den Bildern mit zuprostenden Winzern und blonden Frauen  vor Herbstlaub bei strahlendem Sonnenschein. Eben das biedere Nachkriegsimage mit Bötchentour und deutschem Liedgut. Wir fuhren zu weiteren guten Läden, nach Trittenheim zu Clüsserrath-Weiler und Eiffel, am Tag drauf  bis nach Trier – es war endgültig um mich geschehen. Nachdem habe ich eine kleine Erbschaft in verschiedene Moseljahrgänge investiert um eine Art Referenz zu schaffen und zu versuchen, einen Wein aus einer bestimmten Region zu verstehen, Sozusagen als Messlatte oder als Referenzwert zur Eichung der Zunge. Und Moselriesling ist sicherlich keine schlechte Referenz. Parallel bin ich dann neben meiner Arbeit als Werbefotograf privat immer wieder an die Mosel gefahren um eine neue Bildsprache zu erfinden, die weg führen sollte von der vorherrschenden, und für mich oft verlogenen Heile-Welt-Moselromantik. Stuart Pigott zeigte ich dann ein paar Bilder, er war begeistert und letztlich führte dies zu einer Zusammenarbeit mit dem Fischer Verlag und dem Wälzer „Wein spricht Deutsch.“ Dann kamen weitere Bücher und internationale Printmedien, heute sind es natürlich auch oft Weingut-Webseiten, z.B. Dönnhoff oder von Othegraven. Die neue Seite vom Scharzhof ist von mir bebildert und steht kurz vor dem Start. So etwas macht natürlich Spaß in den Backen.

Vor drei Jahren haben wir in Bockenheim an der Weinstrasse ein altes Weingut gekauft, Wein wurde da aber seit Jahrzehnten nicht mehr gemacht. Ich habe natürlich sofort angefangen mit dem Wein machen. Wir lebten am Anfang noch inmitten der Baustelle mit einer Notküche in der Scheune bis in den Dezember hinein – aber die ersten Gärballons standen schon blubbernd in meinem Büro. Mein Job als Fotograf bringt mich jeden Tag mit vielen guten Leuten zusammen und die Portraits mit den Winzern habe ich immer genutzt, um Sie nach Strich und Faden auszuquetschen. Eine Win-Win-Situation, sie können locker von dem sprechen, wovon Sie wirklich Ahnung haben, und ich kann dann Fotos machen, bei denen das Fotografiertwerden für die Winzer gar nicht mehr so im Vordergrund steht.
Weinbau bedeutet eine Menge an unumkehrbaren Entscheidungen: entweder lese ich früh oder spät, manchmal eben auch zu spät. Winzer unterhalten sich untereinander bei der Weinbeurteilung primär über Fehler. Im Kopf ist immer der Wein wie er sein soll oder sein könnte. Das ist hoch spannend und mir wurde klar, dass ich das nur verstehen kann, wenn ich es selber ausprobiere.

Baccantus: Wenn man mit dem Nachnamen Wein macht gibt es sicher viele mäßig intelligente Sprüche. Daher auch der Zusatz „kein Programm?“

A. Durst: Den Nachnamen Durst abzuarbeiten hatte ich ja schon 40 Jahre Zeit. Als klar wurde das ich jetzt Wein machen muss, es ist wirklich ein Muss, dass war ja eine Steilvorlage – mein Name. Ist doch ein Vorteil, wunderbar. Da brauchst du ja gar nichts erfinden. Schreibs drauf. Fertig.

Baccantus: Genießen Sie ihn mit Bedacht, nehmen Sie sich Zeit… Handle with Care – im Sinne einer Wertschätzung des Genussmittels Alkohol bzw. Wein?

A. Durst: handle with care –  Wein ist ein alkoholhaltiges Getränk! Wir trinken es auch deswegen. Punkt. Und dazu keine Zuckerbrause, sondern eine handwerklich hergestelltes Wesen, für das viel Schweiß, Tränen und Arbeit verwendet wurde, und daher nicht einfach gedankenlos runtergekippt werden möchte. Weintrinken ist für mich Kultur.

Baccantus: Was man so auf Facebook liest, scheint das Design sehr gut anzukommen. Du hast dich ja in prominente Hände gegeben, was das angeht, die Medienagenten in Bad Dürkheim, dir jetzt auch von Melanie Stumpf (ehem. VdP) unterstützt werden…

A. Durst: Dass die Medienagenten sich um das Design kümmern war für mich von Anfang an klar. Unsere Zusammenarbeit im Bereich Weinmarketing, CI für Weingüter, Verbände und Ideeentwicklung im Weinsegment ist so eng, das ich es als schon symbiotisch bezeichnen würde. Als Wein-Aficionado und optisch geprägter Mensch war ich hoch begeistert, dass sich in Deutschland endlich gute Köpfe dem brachliegenden Acker Wein und Gestaltung annahmen. Dass die Agenten dann noch in Bad Dürkheim, also quasi um die Ecke, beheimatet sind war dann wohl Schicksal. An der Zusammenarbeit mit Melanie Stumpf bin ich nicht ganz unschuldig. Ich war begeistert von Ihrer Arbeit für den VDP, spürte aber das Sie sich beruflich weiterentwickeln müsste, um Ihr Potential wirklich auszuschöpfen. Melanie arbeitet mit einer großen Leidenschaft und es ist gut für alle Beteiligten, dass Sie der Branche treu bleibt. Menschen wie sie sind ein Glücksfall für die Weinszene.

Baccantus: Wenn man so weit herumgekommen ist in Sachen Wein, dann hat man sicher den ganzen Kopf voll mit Ideen, wie man es selbst machen würde. Was findet sich davon in deinen Keller? Minimal-invasives Weinmachen?

A. Durst: Die große Klappe wird ganz klein wenn Du plötzlich selber entscheiden musst. Du musst entscheiden! Jetzt, Sofort! Kein Handbuch, es ist niemand da außer Dir. Klar, du denkst – ich mache alles anders. Dann stehst Du vor der Entscheidung, anders, aber bitte wie? Und bekommst Panik, machst Blödsinn, hörst auf schwachsinnige Ratschläge etc. Für mich ist es immer am schönsten so richtig auf die heiße Herdplatte zu packen, schneller lernen geht nicht. 2010 habe ich meine ersten beiden Rotweinversuche gemacht. Der erste ging herrlich in die Hose. Handgelesene, topp selektierte Beeren von 110 Jahre alten wurzelechten Portugieserreben habe ich in wurzelechten Essig verwandelt. Ich wollte Alles, und das natürlich auf sofort und auf Einmal. Also klar spontan, 14 Tage Kaltmazeration, minimale Bewegung. Das ging leider total schief. Mein Glück war nur, dass der Spätburgunder später reif wird, so konnte ich zeitversetzt meine Fehler direkt eliminieren. Mal sehen wie der Pinot wird, bis jetzt läuft die Entwicklung sehr gut. Ein befreundeter Önologe, Albert Schamaun gibt mir sehr gute Inspiration, er wartet aber immer schön ab bis ich auf die oben beschriebene Herdplatte gefasst habe. Eine Sache scheint mir aber schon jetzt klar: Dogmen helfen Dir beim Weinmachen nicht weiter.

Baccantus: Der große Durst – Riesling ist jedenfalls schon mal ein klasse Teil, auch ganz unabhängig davon, dass es nicht schon zehn Jahrgänge davor gab. Wo geht die Reise hin? Weinmacher in Quereinstieg mit Ziel Vollerwerbswinzer? Über ambitioniertes Hobbyweinmachertum scheinst du ja schon hinaus zu blicken…

A. Durst: Mit dem großen Durst bin ich zufrieden. Der Wein ist richtig trocken, schlank, mit eigenem Charakter und dabei frei von Schnickschnack, Zierrat oder Lametta. Das wird auch weiter der Weg bleiben. Ich möchte Weine machen wie ich Sie mag. Ohne die Hypothek vergangener Jahrhundertjahrgänge oder Weinbau in der xten Generation zu arbeiten finde ich sehr angenehm. Ich muss nichts. Es soll Spaß machen, Arbeit ist es sowieso, knüppelharte Arbeit. Es ist ein wunderbares Gefühl, meine Ideen zu verwirklichen.

Baccantus: Ist das Feedback von Seiten der mehr oder minder gelernten Winzer, von denen sich auch in deinem Freundeskreis so manche tummeln?

A. Durst: Sehr positiv. Die Winzer finden es einfach gut wenn Du Ihre Arbeit wirklich ernst nimmst, anpackst, selber schwitzt. Sie sehen ja auch dass Du Dich in die Materie eingräbst, dazulernst und dieses Wissen weitergibst. Die Unterstützung ist da, von vielen Seiten, mit meinem Freund Lukas Krauß tausche ich mich sehr eng aus – zusammen Neues zu spinnen und sich gegenseitig zu helfen ist ungeheuer wichtig. Und es erfüllt mich natürlich mit Stolz, wenn mein Held Peter Jacob Kühn dann erzählt „Den Wein haben wir abends zusammen ausgetrunken. Da kannst Du Dir was drauf einbilden, das geschieht nicht oft mit Flaschen die wir von Kollegen bekommen.“ Da werde ich natürlich rot und freu mich total. Gerade von den Winzern bekomme ich sehr viel schönes Feedback zum Grossen Durst.

Baccantus: Warum gerade diese Region, warum gerade diese Rebsorten?

A. Durst: Für mich war vor 15 Jahren klar – Pazifik, amerikanische Westküste, da will ich hin. Eine Weingegend musste es dann irgendwann natürlich auch sein, das war fix. Meine Frau und ich einigten uns dann auf die Pfalz, ein schöner Kompromiss – auch wenn das nächste Meer ein paar hundert Kilometer weit weg ist.
Riesling musste sein, das ist nun mal in Deutschland der Maßstab. Spätburgunder ist natürlich bei den roten Sorten gesetzt. Da sehe ich das größte Potential, völlig eindeutig. Aber auch Portugieser finde ich sehr spannend, da hoffe ich auf eine Renaissance dieser Sorte hier. Sehr zickig im Anbau, für mich auf jeden Fall eine sehr eigene Rebe – und nebenbei autochton. Ansonsten versuche ich offen zu bleiben und sammle noch Erfahrungen um herauszufinden, was die Region wirklich kann und fordert. Das braucht seine Zeit. Ausprobieren ist wichtig.

Baccantus: Du machst ja auch Wein mit anderen zusammen, wie darf man sich das vorstellen?

A. Durst: Es gibt aktuell zwei Weine die ich für den Fachhandel fülle, den Riesling Großer Durst und den Burgunderrosé Kutschler – gerade ist der 2010 fertig gefüllt. Bei diesen Weinen arbeite ich mit jungen befreundeten Winzern zusammen, deren Können und Tatkräftigkeit noch weitgehend im Verborgenen geblieben sind. Sehr spannend ist es zu sehen, was für unterschiedliche Weine man aus den im Grunde gleichen Trauben erzeugen kann. Vielleicht ist es einfach auch leichter ohne Tradition im Kopf einfach das zu machen, was du als richtig fühlst. Noch habe ich ja auch nicht den immensen Druck eines normalen Weingutes, das oft mehrere Familien ernährt.

Baccantus: Expansionspläne? Bio, Nachhaltigkeit, Spontanvergärung – wie sieht die Philosophie und Methodik hinter deinen Wein aus?

A. Durst: Ja klar. Ein Anfang ist gemacht, 2009 war ja der erste Jahrgang. 2010 habe ich mit Mühe und Not die Menge des Vorjahres geschafft, das Jahr ist ja bekanntlich kein ertragsstarkes. Mein Ziel ist auch auf keinen Fall in Mengen zu denken. Ende des Jahres wird noch ein weiterer Wein hinzukommen, der erste Spätburgunder, dazu noch ein, zwei kleinere Projekte in Miniauflagen. Für 2011 nehme ich mir die nächste Stufe vor.
Die Richtung und das Ziel sind ganz klar: Bio. Ob zertifiziert oder nicht, ob 200 % oder so viel und so gut es eben geht ist mir dabei im Moment zweitrangig. Für mich ist das eine absolut logische Entwicklung. In meinem Garten spritze ich doch auch keinen Dreck. Derzeit sind die Hälfte meiner Weine Bio. Nachhaltig ist mir zu schwammig als Zielbegriff und zu verbraucht. Umweltschonendes Arbeiten, Recycling, Müllvermeidung, regionale Produkte etc. ist für mich sowieso außer Diskussion. Ich trenne da auch nicht zwischen Privat und Arbeit, Urkunden und Zertifizierungen helfen da nicht weiter. Es geht um die Haltung. Philosophie das packen wir am Besten wieder ein.
Das Thema Spontanvergärung ermüdet mich inzwischen in der Weindiskussion. Ja klar, immer, gerne. Wenn es passt. Wenn nicht dann nicht. Keine Dogmen bitte, keine Scheuklappen. Was ist überhaupt Spontanvergärung? Meine Erfahrung ist: es ist einfach. Es ist schwierig. Das macht doch Spaß. Der „Grosse Durst“ ist eine Assemblage aus einer kleineren Partie Spontangärer und einer größeren Partie, die mit Tütenhefe vergoren ist. Mir gefällt das sehr. Das hat Gripp, und Du kannst damit einen völlig kompromisslosen Wein machen. Die Qualität der Trauben ist für mich wichtiger, nach ein paar Jahren in der Flasche spielt das ohnehin immer weniger eine Rolle, ob spontan oder nicht. Und ein paar Jahre soll der „Große Durst“ auch groß schmecken, das ist mir viel wichtiger.

Baccantus: Andreas, wir danken für das Gespräch!

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Bilder/Grafiken: A. Durst, medienagenten.de, alle Rechte beachten!

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5 Kommentare

  1. Stephan Lappas

    Danke für dieses aufschlussreiche sehr ausführliche Interview! Sehr sympatisch das Ganze! Habe direkt großen Durst bekommen 😉

  2. Sehr schönes Interview. Vor allem seine Einstellungen zu Dogmen im Weinbau gefallen mir, freu mich schon sehr aufs Kosten!

  3. Auch meinerseits Danke für das interessante Interview.
    Wo gibts die Weine in Deutschland, schwer zu googlen (der Namen macht es einem nicht einfacher… ;)), man stösst nur auf Weinremise in Österreich…

  4. merci! @Peter – am einfachsten über die Webseite des Winzers, siehe ganz unten im Artikel bzw. http://durst-wein.de/

  5. Klasse Interniew das neugierig macht!

Kommentare sind geschlossen.