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Ökologischer Weinbau – Harald Steffens zu den EU-Richtlinien

Zum Thema Biowein / Ökologischer Weinbau und den neuen EU-Bestimmungen schreibt uns Harald Steffens vom Mosel-Weingut Steffens-Keß diesen Diskussionsbeitrag als Gastartikel. Er betreibt in Reil seit 1982 ökologischen Weinbau unter Kontrolle des ECOVIN-Verbandes und bloggt auf seiner Seite Bildergeschichten und vieles mehr aus dem Weingut und der Weinwelt.

Die Fragen zum Thema Biowein & Öko-Weinbau stellten wir bereits hier im Blog und die News zu den neuen EU-Regeln gibt es hier.

Was ist Biowein, was soll es denn sein?

Zum Hintergrund in aller Kürze: früher konnte man nur von Wein aus Trauben aus dem ökologischen Weinbau sprechen, da für die Kellerarbeit keine einheitlichen „EU-Bio-Regeln“ existierten. Jetzt kann es auch offiziell „Bio-Wein“ mit EU-Bio-Logo geben, da auch die Weinerzeugung geregelt ist. Die Details bleiben aber umstritten. (ausführlicher dazu im Baccantus-Blog  hier und  hier.)

Lieber Stefan,

ich möchte nur kurz zu einzelnen Punkten Deines Artikels Stellung nehmen.
Wie du auch schon selbst geschrieben hast sind die ersten Richtlinien für die Weinverarbeitung von der EU beschlossen worden.
Die Umsetzung des EU-Rechtes ist Ländersache, von denen wir in Deutschland sogar 16 haben, die sich bei der Umsetzung auch nicht immer einig waren. Es gab sogar gegensätzliche Aussagen, bzw. was in Baden-Württemberg strafbewehrt war und in Rheinland-Pfalz legal.

Ob die Kontrollen in Österreich strenger sind, kann ich nicht beurteilen, mir reicht meine diesbezügliche Schreibtischtätigkeit.
Es gibt da so einen Spruch: Eine EU Verordnung wird in Deutschland zu 100%, in Österreich zu 130% umgesetzt und in Italien wird währenddessen immer noch nach einem Dolmetscher gesucht, um diese Verordnung zu übersetzen.

Es gibt meines Wissens in der EU keine Gentechnisch hergestellten Mikroorganismen, bzw. Weinbehandlungsstoffe und die Genfreiheit ist auch in der neuen Verarbeitungsrichtlinie (Meines Wissens nach) festgeschrieben, was aber nicht heißt, das auch Bioprodukte Gen-frei sind, da ja bekanntlicherweise genmanipulierte Pflanzen schon im Freilandversuch getestet wurden und evtl. …

Blauschönung und Sorbinsäure dürften ebenfalls verboten sein, Über Velcorin spricht niemand. Wird beim Bag-in-Box und  insbesondere in der Saftindustrie totgeschwiegen.

Deinen Ausführungen zu den Big Playern in der Branche kann ich nur zustimmen.

Ökologischer Landbau heißt für mich auch: sozialverträgliche kleinere Strukturen. Das ist teilweise konventionell in Grün mit den gleichen Problemen wie gehabt. Zum Beispiel reine Tierhaltung (z.B. Hühner.), das Futter wird über Kilometer antransportiert, der Mist entsorgt, die Hühner durch die halbe Republik zum Schlachten gefahren. Ist das ökologisch  und ethisch? Ich stimme Deinen Worten zur Ökobilanz zu. Äpfel aus Neuseeland oder Gemüse aus China sind niemals ökologisch, egal wie sie denn produziert werden.

Ökologischer Weinbau ist mehr als der Verzicht auf Pestizide und Mineraldünger. Erosionsschutz, Erhalt der Kulturlandschaft und vieles mehr zählt dazu.

„Niemand wird ausgebeutet; nicht der Boden, nicht das Grundwasser und nicht der Erzeuger selbst und seine Helfer“ – Das wird allerdings der Verbraucher über den Preis mitbestimmen müssen. Das ist ein wesentlicher Punkt! Wenn ich kein Geld für meine Produkte bekomme, werde ich versuchen, so wirtschaften zu müssen, das ich überleben kann. Dann steht z.B. der Erosionsschutz halt nicht an vorderer Position in der Weinbergsbewirtschaftung.

Die Helferlein im Weinkeller – ein immer wieder heiß diskutiertes Thema. Im Keller kann nur das entwickelt werden, was in der Traube vorhanden ist. Nicht mehr! Dazu können Hilfsmittel erforderlich sein. Ich persönlich möchte nicht alles Mutter Natur überlassen, denn der Verbraucher will hochwertige, bekömmliche Weine und da ist ein Eingreifen, Steuern im Weinkeller absolut nötig und wichtig. Die Rolle der Hilfsmittel wird immer wieder überbetont und der Einsatz vom Verbraucher negativ bewertet, sozusagen emotional diskutiert.

Ich bestreite schlicht und einfach, dass es vegane Weine gibt. Auf Gelatine zu verzichten ist kein Problem, aber was ist mit den Marienkäfern, Ohrenschleifern und weiteren Kleininsekten, die sich zwangsläufig in den Trauben aufhalten und mit in die Weinkelter kommen? Ich denke, dass sich da Einige etliches schön reden.

Schwefel, bzw. richtigerweise Sulfite: Warum soll Schwefel im Wein schädlich sein? Wer kann mir entsprechende Hintergründe, wissenschaftliche Arbeiten/ Veröffentlichungen bringen?
Ich bin schon lange in der Branche tätig, aber außer allgemeinem Bla Bla Bla habe ich kein Hintergrundwissen über die Schädlichkeit von Sulfiten, die auch in vielen anderen Nahrungsmitteln stecken, dort aber nicht diskutiert werden. Und komme mir keiner, dass die Kopfschmerzen am Tag danach vom Schwefel sind. Vielleicht einfach nur zu viel gesoffen und zudem noch vom falschen Wein, der vielleicht Histamin-belastet war oder zu viele Stoffwechselprodukte von wilden Hefen hat.

 Wir haben niemals von pestizidfreien Wein gesprochen. Das war niemals Diskussion in den Anfangsjahren des ökologischen Weinbaues. Ein logischer Gedankengang nur: Wir setzen keine Chemie ein, also ist auch nichts in den Produkten! Aber wir haben eine allgemeine Umweltbelastung durch Pestizide und man wird natürlich auch einmal Rückstände in Bioprodukten finden.

Bio definiert sich nicht über Rückstandsfreiheit. Bio ist ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften.
Der Bio-Kunde sollte ebenfalls so denken und regional kaufen und saisonangepasst.

Ein bisschen Bio geht nicht, genauso wenig wie ein bisschen schwanger. Natürlich wird es die kleinen, ökologisch wie sozial arbeitenden Kleinbetriebe geben, aber seitdem Bio den Weg in den preis-aggressiven Supermarkt gefunden hat, der Konsum steigt, wird es auch große Agrarfarmen geben, die biologisch zertifiziert sind und günstig produzieren können.

Kontrollen sind richtig und wichtig, aber mir reicht es. Ich als Produzent sehe das weitere Umfeld. Ich unterliege noch vielen anderen Kontrollen und Vorschriften die einen erheblichen Arbeitsaufwand mit sich bringen. Ich denke, dass die Biokontrolle ausreichend ist. Im Moment erlebe ich Sie als Produzent und Verarbeiter, bei Erscheinen der ersten Bio-Verordnung der EU habe ich diese als Kontrollstellenleiter in die Praxis für ECOVIN umgesetzt und später als Kontrolleur von der anderen Seite erlebt.

Labels sind wichtig.
Die Labels sind sehr wichtig für den Verbraucher und insbesondere für den Produzent. Für den Verbraucher wichtig, weil höhere Standards festgeschrieben werden, für den Erzeuger unter anderem wichtig, weil auch Lobbyarbeit von den Verbänden in Brüssel oder Berlin gemacht wird (machen die Verbraucher auch) und so extremen Beschlüssen der durchgeknallten Politiker und Entscheider in den Behörden evtl. vorgebeugt werden kann.

Harald Steffens
 
 

Weitere Links rund ums Thema

bei Baccantus:

Und anderswo (egl./frz.):

4 Kommentare

  1. @harald @stefan
    ich kann harald hier nur beipflichten, aber kurz in die runde, glaubt jemand dass wir beim rotwein mit 100 mg SO2 auskommen können? dass das sinnvoll ist, dann auf anderes auszuweichen, was biologisch dann geht?????, nur weil irgendow in australien vielleicht jemand mal einen pickel hatte nach zuviel wein, und jetzt der schwefel schuld ist.
    meiner meinung nach ist diese verordnung ist gesteuert aus dem süden europas, die lachen sich kaputt. wir können mercedes verkaufen, dafür die spanier so etwas wie biowein, falls sie einen übersetzer für die brüsseler texte finden und die kontrollen stattfinden können.
    deutschland sagt zu allem ja und amen, nur damit wir diese verordnung haben, ob die wirklich ökologisch sinnvoll ist wird sich zeigen.
    hoch lebe europa!

  2. @ braunewell
    Ob ich es glaube oder weiss, ist den Agrarkommissaren in Brüssel eigentlich ziemlich egal. Sie wollten es einfach so. Punkt und Basta! Grenzen vorgeben und wir können sehen, wie wir in Zukunft mit diesen Grenzen noch gute Weine machen sollen, fernab von jedem Sachverstand, der auch bei Politikern vorhanden sein sollte.
    Ich habe nicht umsonst „…durchgeknallten Politiker und Entscheider in den Behörden…“ geschrieben

  3. @Braunewell – SO2 – Regeln einheitlich für ganze EU – das war auch auf der Millèsime Bio ein Thema und ua. deswegen haben die neuen Regelungen auch so lange gedauert, das jetzt wird als Kompromiss dargestellt, aber für den Süden Europas ist es leichter als für Cold Climate – Regionen bzw. B/C.

  4. @ stefan
    ein fauler kompromiss höchstens! was passiert dann? dann gibt es eben vitamin c und in 10 jahren sind die besten biorotweine tot.
    wenn du dir so gedanken über die umstellung machst und denkst das mit den weinbergen klappt bei gleicher, oder besserer qualität und dann sowas..

Kommentare sind geschlossen.