Wir sprachen mit Andreas Knauß, Württemberger Winzer in Weinstadt-Strümpfelbach im Remstal, über Qualitätsweinbau im Ländle jenseits von Trollingerschlotzer -Image und Genossenschaften.
Baccantus: Hallo Andreas, die ProWein ist längst vorbei, wie ist es ist es aus deiner Sicht gelaufen, zufrieden?
Andreas Knauß: Für´s erste bin ich sehr zufrieden. Auch auf Grund dessen, dass wir das erste Mal in dieser Konstellation (Knauß, Zimmerle, Bieselin) vor Ort waren. Aber letzten Endes entscheidet, was sich danach abspielt, gerade hinsichtlich Neukunden, Bestellungen usw., was sich ja aber alles noch ein wenig hinzieht, da ja die Vinitaly gleich anschließend war.
Baccantus: Nun ist ja für viele Weinfans auch im eigenen Land die Weinregion Württemberg erstaunlich wenig bekannt, sieht man mal von den großen Namen und den renommierten VDP-Mitgliedern wie Ellwanger, Aldinger, Wöhrwag, Haidle und Schnaitmann ab.
Schoppenwein aus der Genossenschaft, Viertelesschlotzer und flachbrüstiger Trollinger mit Maultaschen – ist das das Image mit dem viele schwäbische Winzer außerhalb des Ländles zu kämpfen haben? Manchem unken ja, die Schwaben würden ihre guten Tropfen lieber selbst trinken… woran liegt es? Schlechtes Marketing?
A. Knauß: Zum Einen ist schlechtes Marketing sicherlich ein Grund (siehe den „Kenner trinken Württemberger“-Kopf). An diesem Image arbeiten wir und ein paar junge Betriebe bzw. junge Betriebsnachfolger, und auch daran, frischen Wind ins Ländle zu bringen. Sicher sind da soziale Netzwerke auch sehr interessant, was von den meisten Kollegen jedoch noch unterschätzt wird.
Zum Anderen ist es wirklich so, dass wir außerhalb vom Ländle damit zu kämpfen haben, dass ein Großteil der Weintrinker immer noch meint, außer Trollinger gibt es bei uns nichts, was sehr schade ist. Allerdings ist Württemberg eben auch überwiegend genossenschaftlich geprägt. Vielerorts spricht das nicht gerade für Qualität, bis auf ein paar wenige Ausnahmen.
Baccantus: Da würde mir jetzt auch spontan zunächst nur die Weinmanufaktur Untertürkheim einfallen. Sind Zusammenschlüsse von Winzern wie zum Beispiel der gemeinsame Auftritt von Junges Schwaben deiner Meinung nach eine gute Chance, mehr Bekanntheit nach außen zu transportieren?
A. Knauß: Sicherlich war es das eine gewisse Zeit lang, aber mittlerweile gibt es fast wieder zu viele solcher Zusammenschlüsse. Meiner Meinung nach verwirrt das den Kunden mehr oder irritiert ihn. Ich denke, dies ist zwischenzeitlich nicht mehr so einfach zu kommunizieren. Für mich persönlich kommt es nicht infrage, was aber nicht heißen soll, dass ich straight allein meinen Weg gehen möchte. Es bestehen schon sehr intensive Kontakte zum Austausch zu anderen Kollegen, auch weit übers Remstal hinaus.
Baccantus: Wie grenzt man sich von den Genossenschaften ab?
A. Knauß: Das fängt sicherlich bei innovativem Marketing an und endet bei traditioneller Produktion.
Baccantus: Wir hatten ja auf der ProWein unter anderem über Mengenreduktion, Biowein und Nachhaltigkeit gesprochen…
A. Knauß: Mengenreduktion, ganz klar! Wir sind bei einem Durschnittsertrag von 60 hl/ha, das ist für württembergische Verhältnisse schon sehr gering. Dies bedeutet aber natürlich nicht, dass wenn du ein paar Trauben im Sommer auf den Boden schneidest, du auch gleich ein Top-Produkt bekommst.
Die Bodenbearbeitung ist für uns sehr wichtig, verschiedene Einsaaten und weg von der Monokultur hin zur Diversität – Es kreucht und fleucht im Weinberg, so hab ich’s am liebsten. Viele kleine natürliche Helferlein. Weiter spielt auch das Alter der Reben natürlich eine Rolle; bei uns im Betrieb sind diese bis zu 50 Jahre alt, was durchaus schon sehr alt für dieses Gebiet ist. Großer Wein kann nur aus alten Reben erzeugt werden.
Öko ist ganz klar ein großes Thema – für mich wird das eines der Entwicklungsziele des Weingutes sein. Jedoch geht der Begriff der Nachhaltigkeit für mich über den von „nur Bio“ hinaus, er trägt neben der darin enthaltenen ökologischen Nachhaltigkeit auch noch die sehr wichtigen Aspekte der sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit in sich, was ich ebenfalls für sehr wichtig halte.
Baccantus: Wie schaut’s im Keller aus, wie baut Ihr aus?
A. Knauß: Für uns ist ganz klar ein weiteres Pro die Spontangärung, bis auf ein paar ganz kleine Partien im Literbereich, die wir schon kurz nach der Ernte brauchen. Ansonsten wird allen Weinen sehr viel Zeit gegeben. Einige gären oftmals auch bis in die nächste Ernte hinein. Spontangärung gehört nach meinem Dafürhalten zu einem handwerklich produzierten Wein dazu.
Zum Ausbau gibt’s nicht allzu viel zu sagen, alles sehr Low-Tech, wie in allen guten Betrieben. So gut es geht gibt es keine Pumpvorgänge. Fast alle Weine werden im Holz ausgebaut. Ein lebendiges Produkt sollte nach meiner Meinung in ein lebendiges Behältnis, jedoch mit so wenig Neuholz wie möglich. Das Barriquefass ist in unserem Weingut vom Aussterben bedroht und wird ersetzt durch 500 Liter- oder größere Holzfässer. Leider herrscht aber teilweise immer noch die Meinung, dass großer Wein nach viel Holz schreit.
Also alles sehr entschleunigt, ungeschminkt und ohne Schnickschnack.
Baccantus: Viele kennen ja die Region Mittlerer Neckar und ihre Böden nicht, wie kann man sich das vorstellen?
A. Knauß: Wir leben im Remstal an der Keuperverwitterungsstufenlandschaft, d.h. wir haben folgendes im Untergrund: Gipskeuper, Schilfsandstein, Bunte Mergel, Kieselsandstein, und Stubensandstein, also recht vielschichtige Böden. Im Unterland in Lehrensteinsfeld bei Heilbronn bewirtschaften wir noch eine Fläche von 2 Hektar, auf der wir ausschließlich Riesling und Lemberger auf Kalk stehen haben.
Baccantus: Thema Rebsorten: wie erklärt man einem Rieslingfan, der sich fast nur mit Weinen von der Mosel, Rheinhessen und dem Rheingau befasst, einen Riesling aus Weinstadt?
A. Knauß: Ich spreche für unsere Rieslinge, die sicher so im Remstal nicht typisch sind, wohl eher Knauß-typisch. Das sollen sie aber auch nicht sein, ich strebe grundsätzlich eine gewisse Eigenständigkeit mit unseren Weinen an. Es steht immer Filigranität, Finesse und Mineralität – was wenige Weine beinhalten – und niemals Opulenz und Breite im Vordergrund.
Baccantus: Wie ist das schwierige Jahr 2010 aus Deiner Sicht gelaufen? Gerade auch in Bezug auf Säure, Erntemengen, Qualitäten des Lesegutes… man hörte ja recht unterschiedliches aus den verschiedenen deutschen Anbaugebieten.
A. Knauß: Sehr gut. Thema Säure ist absolut kein Problem; bei uns wurde kein einziger Wein entsäuert. Die Erntemengen waren wie nahezu überall sehr gering: im Ergebnis ca. 40 % weniger als im langjährigen Mittel. Qualitativ bin ich hoch zufrieden, Rot wie Weiß. Meiner Einschätzung nach wird 2010 bei Sorten wie Spätburgunder, Lemberger, Riesling und Sauvignon Blanc ganz groß. Bis heute ist dies wahrscheinlich unser stärkster Jahrgang.
Baccantus: Viele Winzer experimentieren derzeit mit bekannten Sorten, die hierzulande aber nicht heimisch sind, wie dem Chardonnay, dem Sauvignon Blanc, aber auch mit Merlot und neben dem Original mit diversen Cabernet- Neuzüchtungen. Wo siehst du die größten Chancen bei Euch im Weingut und in der Region? Gerade Sauvignon Blanc und Chardonnay sind ja bei manchen als Modesorten verschrien, die angeblich nicht in die Region gehören und in Deutschland keiner wirklich braucht…
A. Knauß: Wir haben auch sehr viel experimentiert und haben unseren Weg gefunden, welcher sich in folgenden Rebsorten spiegelt: Lemberger, Spätburgunder, Trollinger, Merlot, Zweigelt, Riesling, Sauvignon Blanc, Chardonnay, Grau- und Weißburgunder.
Den Cabernet-Trend sind wir nie mitgegangen, da es nach meiner Ansicht bei uns an der Reife scheitert. Ich sehe als Cuvée-Partner den Lemberger als den wichtigsten an, wie beispielsweise im Altenberg mit Merlot und Lemberger.
Baccantus: A Propos, ist der Sauvignon 2010 mittlerweile gefühlt? Ich glaube, den hattest du auf der ProWein noch als Fassprobe dabei, wenn ich nicht irre. War ja schon mehr als viel versprechend…
A. Knauß: Der Sauvignon wurde letzte Woche gefüllt und wie Du sagst, er ist sehr vielversprechend 🙂
Baccantus: Spätburgunder aus Württemberg – unterschätzt?
A. Knauß: Spätburgunder aus Württemberg ist noch unterschätzt, das liegt vielleicht daran, dass teilweise die falschen Klone und falsche Standorte für diese Rebsorte gewählt werden.
Baccantus: Hat der Lemberger nicht vielleicht die Chance, die Leitsorte der Region zu werden? Du hattest dich ja auch während deiner Ausbildung schon mit der Rebsorte Blaufränkisch auseinander gesetzt, und zwar bei Nittnaus…
A. Knauß: Absolut; Lemberger ist bei uns im Betrieb mit einem Anteil von 20%, welcher in den nächsten Jahren noch auf 30 % gesteigert wird, schon die absolute rote Leitsorte.
Lemberger ist die Sorte schlechthin fürs Ländle; sehr facettenreich, hat Struktur und Säure – also alles da für einen großen Wein. Hier sehe ich auch international die größten Chancen, vergleichbar zum Blaufränkisch aus Österreich. Speziell in den USA bauen wir uns gerade einen Markt auf mit dieser Rebsorte.
Baccantus: Ich hatte ja schon letztes Jahr eure Rotwein-Cuvée Altenberg „R“ 08 in der Fassprobe verkosten können und war beeindruckt – liegt die Zukunft für hochwertige Rotweine aus Württemberg nicht auch eher in Cuvées? Ich verstehe ja ohnehin nicht, warum viele Weintrinker das in Deutschland nicht schätzen, während sie bei Weinen aus Frankreich damit keine Probleme haben…
A. Knauß: Sicherlich wird auch hier die Zukunft liegen, da mittlerweile auch sehr viel Cuvées aus Württemberg kommen, die national und international mithalten können. Ich denke, in Württemberg wird die Cuvée bis heute nicht so geschätzt, weil die Verschnitte aus Trollinger mit Lemberger eben noch in den Köpfen verankert sind.
Baccantus: eine Cuvée Grau-Weiß aus den beiden Burgundersorten macht Ihr ja auch… durchaus erwähnenswert, da man die beiden ja auch meist sortenrein gefüllt bekommt.
Du machst ja noch zusammen mit Dr. Rainer Scholz das Parfum der Erde, was erhebliche Furore gemacht hat in den letzten Jahren. Was macht Ihr da anders als im eigenen Weingut?
A. Knauß: „Parfum der Erde“ klingt zunächst nach einer Marketing-Idee, es ist aber weit mehr als das. Ich habe Rainer vor fünf Jahren kennengelernt, als er anfing, seine erste Rebfläche in Strümpfelbach zu bewirtschaften. Er hat zu dem Zeitpunkt in Stuttgart gearbeitet und Telekommunikationsdienste für die Automobilindustrie entwickelt.
Er hatte mich damals gebeten, die Vinifikation für ihn zu übernehmen. Der erste Wein, der Regent 2006, gelang wunderbar, leider besitzen wir nur noch ca. 10 Flaschen. Von da an haben wir die Idee „Parfum der Erde“ gemeinsam entwickelt. Der Natur ausgeliefert zu sein, was man als Winzer ja immer ist, das wollen wir nicht bekämpfen, sondern akzeptieren und respektieren.
Aus diesem Grund bringen wir keine Herbizide aus, wässern nicht, vergären ausschließlich mit den weinbergseigenen Hefen, bauen lange, aber zurückhaltend im Holz aus und filtrieren nicht. Kurz gesagt: wir machen ehrlichen Wein!
Unsere Flaschen sind etikettiert mit der Geoposition des Weinberges, man kann also sagen: So schmeckt der Punkt 48° 46′ 35″ Nord, 009° 21′ 50″ Ost unserer Erde.
Baccantus: Andreas – Wir danken für das Gespräch!
Link zum Weingut Knauß
Link zum Parfum der Erde
Ein paar persönliche Empfehlungen: Sauvignon Blanc „S“ trocken 2009 und 2010, „Grauweisse Reben S“ 2009,2010, Lemberger „R“ trocken 2008, 2009, Spätburgunder „S“, Rotwein-Cuvée Altenberg „R“ 2008.
Bilder Weingut Knauß, Parfum der Erde, alle Rechte vorbehalten, Bildnachweise siehe dort.
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Die passenden Shirts: