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Languedoc-Roussillon – South of Heaven oder paradiesische Zustände?

In der jüngsten Zeit wurde naheliegender Weise viel von Weinen aus Südafrika geschrieben, auch Weine aus Ost- und Südeuropa lagen eher im Fokus als der so sonnig wie windige Süden unseres großen westlichen Nachbars. Frankreich-bashing gab es nicht nur bei der WM (teilweise zu Recht) – auch beim Captain Cork (teilweise zu Recht) war von „wertlosen Winzern“, Stagnation und allgemeiner Weinbaukrise zu lesen.

Da die alle Rekorde brechenden Subskriptionspreise für Bordeaux 2009 täglich für Schlagzeilen sorgen, wollen wir hier in nächster Zeit einige Weine und Regionen vorstellen, die nicht permanent im Rampenlicht stehen und „bebloggt“ werden, insbesondere aus dem Languedoc-Roussillon.

Wie das Land, so der Wein…

Der Süden Frankreichs vom Rhônedelta bis zu den Pyrenäen ist für mich persönlich nicht nur ein wunderbares Reiseland, sondern auch eine wahre Fundgrube für überaus eigenständige, individuelle Weine jenseits des massenkompatiblen Einheitsgeschmacks. Dabei gibt es das Languedoc-Roussillon als Weinregion natürlich nicht (bevor hier jemand… aber lassen wir das;) – es ist vielmehr eine Großregion aus den historischen Provinzen Languedoc und Roussillon, bestehend aus den heutigen Départements Hérault, Aude, Gard, und Lozère und dem Département Pyrénées-Orientales.
Die Küstenregion am Mittelmeer blickt auf eine Jahrtausende alte Weinbautradition zurück. Schon im 7. Jhdt. v. Chr. betrieben hier griechische Seeleute aus Korinth einen Handelsstützpunkt für Eisenerz und pflanzten an der Côte Vermeille auch Reben an, was später die Römer in großem Stil perfektionierten. Heute ist sie die größte zusammenhängende Weinbauregion der Welt…

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Kalkstein und Lehm, ausgiebige Schieferzonen, Sandige Schwemmlandböden, unterschiedlichste Niederschlagsverhältnisse, Einflüsse vom Mittelmeer und sogar noch vom Atlantik, dazu fast unablässig blasende und überaus kräftige Winde – Ein „Schmeckt typisch nach Languedoc-Roussillon“ – kann es folglich nicht geben; zu uneinheitlich sind Böden und Mikroklima. Trotzdem scheint vielen Weinliebhabern dieser Region nicht bewusst zu sein, wie vielförmig und abwechslungsreich „Frankreichs größter Weinberg“ ist, um nicht schon wieder über „Terroir“ zu sprechen.
Zur Veranschaulichung: von Montpellier nach Banyuls-sur-Mer ist es weiter (über 200km) als von Bad Kreuznach nach Würzburg – die dortigen Weinlagen würde man auch nicht spontan in einen Dekanter gießen…oder?

Okzitanisch, Katalanisch –
typisch Languedoc, typisch Roussillon?

Die „Vignobles du Languedoc“ beherbergen u.a. namhafte Appellationen wie St. Chinian, Faugères, Minervois (insbes. Die Appellation Communale „la Livinière“) und die beiden Fitou-Enklaven in den Corbières. Die Coteaux du Languedoc erstreckt sich von Narbonne bis zur Camargue und den Ausläufern der Montagne Noire und der Cevennen, wobei die Unterappellationen von la Clape, Montpeyroux und Picpoul de Pinet herauszuheben sind. Die Weine aus den Corbières sind oft rauer und härter, wie das stark zerklüftete schroffe Land mit seiner Garigue-Heide, während die aus dem Minervois und Saint-Chinian eher etwas weicher daherkommen. Von den Hängen des „Hausberges der Katalanen“, dem 2784m hohen Pyrenäengipfel des Canigou, über die Täler und Hügellandschaften von Agly, Têt und Tech bis hinab zum Mittelmeer ziehen sich die Côtes du Roussillon und CdR-Villages. Trockener und sonniger ist es kaum irgendwo im Süden, und neben kraftvoll-würzigen Roten entsteht hier auch eine unüberschaubare Anzahl an bemerkenswerten Weißweinen, nicht nur in Form von Dessertweinen.

Rouge et Blanc

Die dominierenden roten Hauptsorten sind zumeist Carignan Noir, Grenache Noir, Syrah,  Mourvèdre und Cinsault. In den einzelnen AOCs sind oft unterschiedliche Sortenanteile für die AOC-Cuvées vorgeschrieben. So ist die Verwendung von Carignan oder Cinsault beispielsweise mancherorts zugunsten von Syrah und Grenache stark begrenzt. Das führt wiederum dazu, dass Winzer mitunter ihre Erzeugnisse – oftmals die interessantesten – als einfache Vins de Pays d’Oc oder Vins de Table deklarieren, (deklassieren) um freier in der Verwendung der Sorten zu sein. So keltert bspw. Sophie Guiraudon vom Weingut Clos de l´Anhel einen reinrassigen Carignan von teils über 70 Jahre alten Reben, der als VdT in den Handel kommt.
Die in früherer Zeit dominierende alte Rebsorte Aramon findet sich immer seltener, dafür wachsen die Stockzahlen der internationalen Rebenstars Merlot und Cabernet Sauvignon auch im Midi – über Sinn und Unsinn lässt sich sicher vortrefflich streiten… Ferner werden noch Macabeu, Lledoner Pelut und viele weitere, seltenere Rebsorten angebaut.

Unter den weißen Sorten dominieren Grenache Blanc, Macabeu, Tourbat oder Malvoisie, darüber hinaus Roussanne, Marsanne und Vermentino. Als wichtige Nebensorten sind neben der uralten Clairette Blanche auch der Muscat blanc à petits grains und Muscat d’Alexandrie, Piquepoul Blanc und Terret Blanc & Gris zu erwähnen, sowie der Mauzac im Limoux.

Süße und spritzige Spezialitäten

Die aufgespritteten Süßweine gelten als Spezialitäten des Südens; im Roussillon werden mehr Vins Doux Naturels als im ganzen Restfrankreich erzeugt. Die berühmtesten VDN sind die Muscat de Rivesaltes aus Maury, Banyuls und Rivesaltes.
In der südlich von Carcassonne gelegenen Appellation Limoux werden beachtliche Schaumweine erzeugt, oft nach der Méthode ancestrale. Schon seit 1531 wurde hier von den Benediktinern in der Abtei von Saint-Hilaire der „premier vin à bulle“ hergestellt, der als Blanquette de Limoux (älteste AOC im Languedoc) überwiegend aus Mauzac-Trauben gewonnen wird, während beim Crémant de Limoux vor allem Chardonnay und Chenin Blanc verwendet werden.

Massenproduktion vs. Qualitätsweinbau

Das Languedoc ist beides: ein „neues Kalifornien“ (Bettane et Desseauve 2010) mit einer immer selbstbewussteren Winzerelite und steigenden Weinpreisen bei den Toperzeugern, sowie Frankreichs größte Produktionsstätte für überaus belanglose Massenweine, von denen ein nicht unerheblicher Teil destilliert wird. In kaum einer Region habe ich in letzter Zeit so viele frisch gerodete Weinberge gesehen wie hier – die EU-Stillegungsprämie macht’s möglich. Vom Tetrapack und den unteren Regaletagen des LEH über lecker-legere fruchtige Alltagsweinchen, die durchaus Spaß machen bis hin zu elegant-monumentalen Werken der Weinbaukunst lässt sich hier alles finden.

Deren „Leuchttürme“ mögen weiterhin im Bordelais und im Burgund flackern, vielleicht auch scheinen. Man muss jedoch feststellen, dass es in kaum einer anderen Weinregion – nicht nur in Frankreich – eine derartige Vielfalt an innovativen und sicher auch eigenwilligen Qualitätserzeugern gibt. Jedes Jahr kommen neue hinzu, die den großen Genossenschaften den Rücken gekehrt haben und authentische Weine von hohem Wiedererkennungswert schaffen. Ein besseres Preisleistungsverhältnis findet sich meines Erachtens ebenfalls nicht allerorten, von Bordeaux ganz zu schweigen. Die Dichte an überzeugenden Biowinzern, die nicht nur das grüne Marketing-Fähnchen schwenken ist im Midi ebenfalls bemerkenswert. Man sollte allerdings auch den Sud-Ouest erwähnen und im Auge behalten, da tut sich was!

Wir freuen uns darauf, hier in nächster Zeit ein paar unserer Lieblingsweine aus den verschiedenen Ecken des Languedoc-Roussillon vorzustellen – dranbleiben!

Eure Kommentare und Erfahrungen mit Weinen & Winzern aus der Gegend sind natürlich immer herzlich willkommen!