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Billige Lebensmittelpreise – die Kehrseite

Von Preisdiktaten und Billigpreisen

Wir berichteten hier neulich bereits auf Baccantus über ein Beispiel des Kampfes der Produzenten gegen die Macht der Konzerne: REWE hatte den Münchner Kaffeeröster Dallmayr aus dem Sortiment genommen, da dieser die Billigpreispolitik des Handelsriesen nicht mehr mitgehen wollte. Angeblich zum Wohle des Kunden, so REWE.


In ihrer Ausgabe vom 12. Juli 2010 berichtete die Wochenzeitung „Das Parlament“ von der Anhörung beim Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 05.07.2010 vor dem Deutschen Bundestag zum Thema »Angebots- und Nachfragemacht des Lebensmitteleinzelhandels und die Auswirkungen auf die Verbraucher«.

Die Produzenten werfen den führenden Handelsunternehmen vor, ihre Marktdominanz zu Preisdiktaten gegenüber den Herstellern auszunutzen und diesen mit Auslistung aus dem Sortiment drohen, falls sie den zerstörerischen Billigpreisvorgaben der Handelskonzerne nicht Folge Leisten. So beklagte Jürgen Abraham von der Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie BVE ein existenzielles Ausgeliefertsein der Erzeuger gegenüber dem Preisdruck der Hersteller.

Die Praxis des „Auslistens bei Verweigerung“ durch die Handelskonzerne gleiche einer Erpressung, so andere Stimmen.  Weiter wurden das immer „stromlinienförmige Angebot“ in den Regalen sowie der steigende Druck auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten bei den Produzenten durch Preisdiktate kritisiert, sowie eine „schleichende Qualitätsverschlechterung“ der Lebensmittel durch Preiskämpfe konstatiert, so die Verbraucherzentrale Hamburg.

Wie zu erwarten konterte die Gegenseite mit dem Verweis auf die niedrigen Lebensmittelpreise, von denen ja der Kunde profitiere, so Stefan Genth vom Handelsverband HDE. Der Preisdruck laste ja nicht nur auf Herstellern, sondern auch auf dem Einzelhandel.

In der Stellungnahme des Markenverbandes ist zu lesen, dass die Nachfragemacht selbst zwar noch kein Eingreifen erforderlich macht, die Ausnutzung der Selben zulasten der anderen Marktbeteiligten aber nicht mit einem verantwortungsvollen Wettbewerb zusammenpasse, insbesondere dann nicht, wenn der Vertragspartner unter Druck gesetzt werde. Das geschehe nicht erst durch (drohende) Auslistung und weitere Repressalien, (wie im Fall Dallmayr bei REWE) sondern bereits durch bewusst verzögertes Zahlungsverhalten, einseitige Rechnungskürzungen und Verlängerung von Zahlungszielen.

In der Anhörung wurde auch die Praxis des Kartellamtes kritisiert, welches trotz massiver Hinweise durch Produzentenverbände in diversen Fällen nicht gegen marktwidriges Verhalten der fünf dominierenden Handelskonzerne eingeschritten sei.
Bemerkenswerter Weise scheint das Kartellamt bei Preisabsprachen auf Seiten der Produzenten sehr viel strenger hinzusehen…