Nach den Tagen im Hunter Valley steuerte ich nun die noch junge Weinregion rund um Orange an. Die für den Obstanbau bekannte Region hatte mit „Bloodwood Wines“ erst in den frühen Achzigern ihr erstes Weingut bekommen und gilt Down Under als eine der kommenden Weinregionen.
An den Hängen des erloschenen Vulkans Mount Canobolas sollte ich auf bis zu 1100 m Höhe mit einer persönlichen Entdeckung australischer Rieslinge und Dessertweine belohnt werden, die im Falle von „Bloodwood Wines“ schon Ernie Loosen und Stuart Pigott hinauf lockten, doch davon später mehr…
Das Klima, obwohl im australischen Sommer genauso warm wie im Hunter Valley, kann hier im Winter durchaus bis auf Minusgrade fallen und begünstigt daher meinen geliebten Riesling. Und genau um diesen soll es hier gehen, den „Scandalous Riesling“ von Patina Wines.
Skandalöses Cool Climate: Patina Wines
Das Weingut Patina liegt auf 930 m Höhe und wird von Gerald Naef geführt. Ein stetiger Abwind vom Gipfel des Mount Canobolas sorgt für permanente Kühlung und beschert den Rebstöcken auch schon mal den ein oder anderen Frost. Perfekte Voraussetzungen also für Weine, die kühleres Klima bevorzugen.
Der Winzer bei Patina ist Gerald Naef. Der Name machte mich neugierig und so erfuhr ich, dass die Vorfahren des Winzers einst aus der Schweiz in die USA auswanderten. Er selbst wurde in den USA geboren und verschrieb sich dort der Landwirtschaft. Er wuchs im Central Valley in Kalifornien auf und seine frühen Experimente der Weinerzeugung in der väterlichen Scheune waren nicht wirklich von Erfolg gekrönt.
Doch das Thema Wein ließ ihn seitdem nicht mehr los und nachdem er die USA Anfang der Achziger Richtung Australien verließ, begann er um die Jahrtausendwende mit dem Weinbau, vor allem des Rieslings, seiner große Leidenschaft, auch wenn auf dem Weingut noch vieles andere angebaut wird. Es finden sich in seinem Angebot Pinot Gris, Sauvignon Blanc, Chardonnay, Rose, Pinot Noir, Merlot und Shiraz über verschiedene Jahrgänge verteilt, da er selbst für europäische Maßstäbe eher klein ist (um die 4 Hektar).
Umso erstaunlicher ist es, dass trotz seiner geringen Größe ihm der Erfolg hold ist und sich seine Weine mittlerweile in der First Class der Fluggesellschaften Virgin AU und Quantas sowie in den Gastronomietempeln Sydneys Finden.
Gerade als wir ihn besuchten, hatte er die erste große Auslandsbestellung nach Singapur auf dem Weg gebracht und kämpfte jetzt eher mit den schwindenden Lagerbeständen…
Ein skandalöser Riesling…
Bei der Verkostung erzählte mir Gerald Naef all dies und vor allem von seiner Leidenschaft für den Riesling, welche ihm keine Ruhe lässt, so er nicht das letzte bisschen Perfektion aus Ihm herausgeholt hat.
Dies merkte ich dann, als wir seinen „Scandalous Riesling 2009“ probierten, der mit seiner fruchtigen, frischen Art und sanfter Säure einfach nur für ein wunderbares Weinerlebnis sorgte.
Doch was ist denn so skandalös an diesem feinen Riesling, fragte ich mich? Er antwortete nur: „Die Restsüße!“.
Wie schon im Hunter Valley von vielen Winzern angesprochen und in Orange von weiteren bestätigt, hängt der Restsüße in Australien der Makel des schlechten oder nicht vorhandenen Winzerkönnens an, man mag es kaum glauben. Dies bewegte die Winzer von „Ross Hill“ und „Bloodwood“ auch dazu, sie in ihren Weinen nicht zuzulassen, aber dazu später. Ich jedenfalls, obwohl von der Erklärung der Namensgebung doch recht erstaunt, kann nichts Skandalöses daran finden.
Der glückliche Unfall oder der Dessertwein und der grüne Tee
Von seinem Riesling bereits beeindruckt widmete ich mich als nächstes dem „Sticky Tea Riesling 2009“, dem einzigen Dessertwein in der Palette, welchen der Winzer einem glücklichen Unfall verdankt:
„The Happy Accident! Basket presses are desirable in winemaking because they are gentle on the fruit and don’t extract many bitter phenolics. The drawback is the skins are tipped out while still quiet wet. Since Riesling is notoriously stingy with its juice it always annoys me to tip out the Riesling pressings knowing there is still up to 25 percent juice left. So this year I added yeast to the pressed skins not sure what would result. Tea leaf, honey and lemon notes dominated after a few days of ferment so I decided this could make a very interesting sticky/aperitif style with a bit of an iced tea slant.”
Angetan von der Geschichte und von der Verkostung überzeugt, kaufte ich auch hiervon eine Flasche zwecks späterer Nachverkostung und Besprechung. Ich staunte nicht schlecht, dass er mit nur 22 australischen Dollar recht günstig daherkam. Ich hätte ihn mehr als doppelt so teuer geschätzt, wurde aber darüber aufgeklärt, dass es für Dessertweine in Australien nicht wirklich einen Markt gäbe. – (Ich kann das immer noch nicht glauben) – Was wohl wiederum mit dem Stigma der Restsüße des Weines in Down Under zu tun haben muss.
Schlussendlich verließ ich um zwei Flaschen schwerer Gerald Naef, das Patina Weingut und seine Rieslinge und hatte nun auch noch diverse Empfehlungen vom ihm im Gepäck welches Weingut ich in Orange noch besuchen müsste. Doch mehr davon im nächsten Teil…