Jahrgang 2015 hat vielerorts das Zeug zu einem großartigen Weinjahr trotz langer Trockenperioden. Der Bodensee weist gegenüber den restlichen deutschen Anbaugebieten ein paar Besonderheiten auf. Zum einen die südliche Lage in Baden, zum anderen die Höhe – der See selbst liegt auf knapp 400m ü.N.N, entsprechend liegen sämtliche Weinbauflächen darüber:
am nahegelegenen Hohentwiel am Olgaberg wird bis auf 530 Meter und vom Weingut Vollmayer am Elisabethenberg bis auf 562 Meter Weinbau betrieben. Die große Wassermasse wirkt als Wärmespeicher, der die Temperaturschwankungen ausgleicht eine für die Höhe sehr lange frostfreie Vegetationsperiode ermöglicht. Die seenahen Lagen profitieren darüber hinaus von der Reflexion der Wasseroberfläche und an Niederschlägen mangelt es in den meisten Jahren nicht.
2015 scheint auch am See mit einem malerischen, sonnigen Herbst vielversprechend in Sachen Wein zu werden.
Wir sprachen mit Dr. Jürgen Dietrich, dem Weingutsdirektor des Staatsweingutes Meersburg über den Jahrgang und die Lese 2015.
Baccantus: In weiten Teilen des Landes ist die Weinlese inzwischen abgeschlossen und man hört viel Gutes bis Außergewöhnliches von den Winzern, egal ob man an der Mosel, im Rheingau oder im Badischen nachfragt. Wunderschöne, gesunde Trauben, hohe Öxlegrade – wie ist die Lage am Bodensee?
Dr. Dietrich: Wir sind mit der Lese fertig und haben fast ausschließlich Spät- und Auslesen im Keller. Auch am Bodensee hatten wir einen Klassejahrgang – gegenüber anderen Regionen waren wir dieses Jahr sogar etwas im Vorteil, weil wir bis in den Juni hinein sehr reichliche Niederschläge bekommen haben. Während z. B. in Franken an der Mainschleife von Mai bis Juni nur 3 mm Niederschlag fielen, waren es in Meersburg 300. Dieser Wasservorrat im Boden half unseren Reben, gut durch den trocken-heißen Sommer zu kommen. Die Trauben lagerten nicht nur Zucker, sondern auch Mineralstoffe ein, sodass wir nicht nur außergewöhnlich kräftige Rotweine, sondern auch ausgewogene, lagerfähige Weißweine erwarten. Das ist ein deutliches Plus gegenüber dem Jahrgang 2003. Was unserer Region ebenfalls zu Gute kam, ist der spätere Beginn der Vegetationsperiode, der zusammen mit den kühlen Nächten in der Reifephase dazu führte, dass die Säurewerte nicht so schnell in den Keller gingen. Durch den Nordostwind und den Föhn, die die Trauben in der Reife begleiteten, blieben die Beeren gesund, sodass wir in aller Ruhe zum optimalen Reifezeitpunkt lesen konnten.
Wir hätten das Wetter nicht schöner malen können. Lediglich die Menge blieb deutlich unter den Erwartungen. Wir müssen dieses Jahr mit 75% einer Normalernte bei einem durchschnittlichen Hektarertrag im Staatsweingut von 50 hl/ha klarkommen.
Baccantus: Letztes Jahr war die Kirschessigfliege in aller Munde, manchmal auch im Wortsinne. Kein Thema 2015? Liegt es nur an der Witterung?
Dr. Dietrich: Eindeutig ja. Die KEF mag keine trocken-heißen Sommer und keine direkte Sonneneinstrahlung. Der Supersommer hat die Vermehrung der Tiere gehemmt. Nichts desto weniger ist der Schädling da. Wir haben etliche Exemplare bei unseren Kontrollen gefangen. Die Anzahl lag aber unter der wirtschaftlichen Schadschwelle, sodass wir über die vorbeugenden Arbeiten (Entblättern der Traubenzone, Begrünung kurz halten) hinaus keine Bekämpfungsmaßnahmen durchführen mussten.
Baccantus: Trockenheit war neben dem bisher goldenen Herbst vielerorts das große Thema, Trockenstress bis hin zu Schäden an jüngeren Rebstöcken. Vorteil Bodensee?
Dr. Dietrich: Ja, die Reben ab dem vierten Standjahr konnten bei uns gut vom Wasservorrat im Boden zehren. Die Junganlagen, die noch nicht tief genug wurzeln, mussten auch bei uns gegossen werden.
Baccantus: Hohes Mostgewicht, sind höhere Alkoholwerte auch bei den Weißweinen die Folge? Bleibt die feine Säure auch bei steigenden Temperaturen erhalten?
Dr. Dietrich: Die Hefe macht bei der Vergärung keinen Unterschied zwischen Rot-und Weißwein. Die Alkoholausbeute ist bei der Vergärung von Traubenmost i. d. R. sogar etwas höher als bei der Vergärung von Maische, weil bei den höheren Temperaturen der Maischegärung mehr Alkohol verdunstet. Die Fruchtsäuren in der Traubenbeere werden während der Reifephase im Zuge der Atmung der Pflanze, also nachts, abgebaut. Deshalb sorgen kühle Nächte im September und Oktober für eine stabilere Säure als warme Nächte. Wir hatten dieses Jahr zum Glück recht kühle Nächte…
Baccantus: Wie schaut es mit den gelesenen Mengen aus?
Dr. Dietrich: Das ist der einzige Wermutstropfen für diesen Spitzenjahrgang. Wir haben nur 75% einer Normalernte eingefahren.…
Baccantus: Kann man sich auf den 2015er aus Meersburg freuen?
Dr. Dietrich: Auf jeden Fall! Es wird sicher nicht nur ein fantastischer Rotweinjahrgang. Die Müller-Thurgau-Trauben haben wir so rechtzeitig geerntet, dass sich die Frische und Frucht erhalten haben. Die Grau- und Weißburgunderweine werden sich durch Cremigkeit und Fülle auszeichnen. Die Rieslinge haben eine herrliche Frucht und dazu noch eine ausgewogene Säurestruktur.
Baccantus: Herr Dr. Dietrich , Vielen Dank für das Interview!
Alle Bilder/ image credits: Stefan Schwytz 2015