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Scheuermann, der Weinreporter, † 16.10.2015.

Mario Rudolf Scheuermann ist tot, er starb am 16. Oktober 2015. Geboren am 11. August 1948 in Neustadt an der Weinstraße war er als Autor auf den Gebieten der Weinkunde und der Kulinarik bekannt, insbesondere war er einer der Pioniere im Bereich Wein und Web bzw. im Web 2.0.

jahrhundertjahrgang_designEgal ob online-Weinforen, Twitter, Facebook oder Ello, er war stets einer der Ersten, die dort und darüber berichteten. Seine ehemaligen Weinseiten best-of-wine.com“ „talk about wine“, der Drinktank-Blogg und zuletzt als der Weinreporter waren lange Jahre Anregung und manchmal auch Grund zur Aufregung für viele Weinschreiber.
Ein rundum gebildeter, interessierter und technik-begeisterter Zeitgenosse, der Web2.0 schon lebte, bevor der Begriff allgegenwärtig war. Ich hatte vor 8 Jahren über Wein, Winzer und Weinbewertungen im Web diskutiert, bevor Facebook die heutige alles dominierende Rolle bekam. Vieles hatte er vorausgesehen und war stets an neuem interessiert. Viele hat er zum Weinschreiben, zum Bloggen gebracht, auch wenn er sich mit etlichen gestritten und überworfen hatte.
Scheuermann hatte Standpunkte und oftmals eine Meinung, an der es nicht zu rütteln galt, er war eine schwierige Person, die auch ihre herzlichen Seiten hatte. Ich erinnere mich über Streitpunkte wie Bioweinbau in Südfrankreich, aber auch über weinfremde Themen wie die Tour de France und Doping. Mario war großer Radsportfan und strafte mich monatelang mit Nichtbeachtung, als ich mich allzu kritisch über die Höchstleistungen ausgelassen hatte… aber so war er. Ein emotionaler „Wein-Stein“, ein Urgestein.
Das Internet und die Weinszene veränderten sich, Scheuermann blieb, wenn auch mit abnehmender Bedeutung, wie Dirk Würtz schon treffend in seinem Nachruf zusammengefasst hatte. http://wuertz-wein.de/wordpress/2015/10/17/mario-scheuermann-ist-tot/

Ohne ihn würden viele nicht über Wein schreiben, die es heute tun, nicht bloggen und vielleicht sich auch nicht trauen, Position zu beziehen für Weine, Winzer und Stile, die außerhalb des Mainstreams liegen. Mein Weinblogg hier, Baccantus.de – gäbe es ohne ihn wahrscheinlich nicht. Vielleicht hätte ich die Weinplattform, die ich vor 6 Jahren ursprünglich bauen wollte, zwar realisiert und wäre dennoch kolossal gescheitert, wenn mir manche Trends und Techniken nicht zuletzt durch ihn bekannt gemacht worden wären. Vieles hat sich längst überholt, es ist viel mehr Kapital im Wein2.0-Markt als noch vor ein paar Jahren.

Der Bedeutungsverlust durch wachsende Vielfalt und Meinungspluralität war etwas, womit er sich sichtlich schwertat, auch wenn er viele förderte, die heute in vorderster Reihe stehen, wenn es um Aufmerksamkeit im Web und bei den vielen Veranstaltungen geht, bei denen persönliche Eitelkeiten, Meinungen, Wein- und Selbstvermarktung eine eigenartige Melange eingehen…

Viele in der Szene hatten eine ambivalente Haltung zu ihm, der allzu oft in „Freund-Feind“-Schemen verfiel, wenn es doch nur um Weinthemen und nicht um staatstragende Dinge ging. Zimperlich war er nie, wenn es ums Austeilen ging und Altersmilde war nicht seins. Er hatte aber auch einiges einstecken müssen, wobei manche Tendenzen des Kollektiv-Bashings schon auch fragwürdig waren. Der berüchtigte „Lauenburger Teller“ wird all denen im Gedächtnis bleiben, die sich entweder ernsthaft mit Food-Blogging oder eben auch nur mit der möglichst ästhetischen Darstellung von Speisen im Web beschäftigen, oder aber diese Präsentation von „mein Abendessen, mein Wein, mein Weinglas“ ohnehin ablehnen.

„Ein eloquenter, ruppiger Genussmensch barocken Ausmaßes ist von uns gegangen.“ schreibt Joachim A. J. Kaiser bei Hauptsache Wein auf Facebook. Treffender und kürzer kann man es kaum sagen.
Der wütende Polterer aus der Pfalz wird fehlen, wenn auch nicht allen. Mache Fragen bleiben offen. In meinem Falle die nach dem Essig. Er erzählte vor Jahren, dass er nach Verkostungen daheim die Reste der richtig guten Flaschen in Glasballons sammelte um daraus Essig zu machen. Diesen ließ er dann jahrelang im Fass liegen. Ob das Ergebnis den Weinen gemäß war oder nicht, werde ich wohl nie erfahren. R.I.P. Mario.