Wenn im Rest von Deutschland über Württemberger bzw. Weine aus dem Ländle gesprochen wird, dann fällt vielen (auch Nicht-Weintrinkern) vor allem eines ein: hellroter Trollinger im Henkelbecher zum Sauerbraten mit Spätzle… am besten aus der Literflasche. Dazu der Slogan
„Kenner Trinken Württemberger“,
der seit Jahrzehnten für die Imagewerbung der Region steht. Meines Erachtens ist genau das das Problem: in der breiten Bevölkerung ist das Klischee vom billigen dünnen Trollinger aus dem Ländle gerade durch diese Art der Werbung fest verankert worden, auch wenn es freilich viel zu kurz greift.
Genossenschaften und VdP… und sonst?
Richtig ist daran, dass zum einen die Imagewerbung anders als in anderen Regionen fast ausschließlich durch die übermächtigen großen Winzergenossenschaften geprägt und finanziert wird, allen voran die WZG Möglingen, der Württembergischen Weingärtner-Zentralgenossenschaft e. M.
Dem geneigten Leser sind vielleicht noch die VDP-Winzer geläufig, welche auch bei diversen Weinwettbewerben regelmäßig in den vorderen Rängen auftauchen: Aldinger, Graf Adelmann, Wöhrwag, Erbgraf von Neipperg, Haidle, Ellwanger, Dautel, und Herzog von Württemberg u.a.
Und die allermeisten von ihnen machen auch Trollinger. Na gut. Aber das ist nicht das Problem, sondern dass von den teils auch im Wortsinne ausgezeichneten Rieslingen, Spätburgundern und der meines Erachtens besten Stammsorte Württembergs, dem Lemberger (Blaufränkisch) so wenig Notiz genommen wird; sieht man einmal von den Weinwettbewerben ab. In anderen (auch deutschen) Weinregionen wird viel in Imagekampagnen investiert und man beauftragt Agenturen, die nicht nur im Inland die Außendarstellung einer Weinregion ins rechte Licht rücken sollen, sondern auch im Ausland diese repräsentativ darstellen, ganz zu schweigen von Social-Media-Aktionen, Weinreisen und anderem mehr.
Es sind auch nicht die VDP-Winzer, die darunter am meisten zu leiden haben (manche sind ohnehin recht zügig ausverkauft) sondern die vielen anderen, die insbesondere im mittleren Neckarraum Wein anbauen. Darunter gibt leider noch einige, die in den besten Steillagen Trollinger statt Riesling stehen haben, aber sei’s drum. Für viele Konsumenten steht Württemberg für billigen Zechwein aus der Literflasche. Aber muss man dieses Bild noch ausschmücken oder durch Werbung unterstützen?
Württembergs Wein hat ein Image-Problem.
Masse statt Klasse, abgesehen von einigen Spitzen Weingütern, so könnte man es kurz formulieren und so sehen es viele. Die Realität im Ländle sieht indes anders aus. Eben hatte etwa das Weingut Schäfer Heinrich aus Heilbronn beim ECOVin- Wettbewerb „Ecowinner 2012“ einige Rieslinge aufs Treppchen gebracht, aber eben auch einen Trollinger in der Kategorie leichte Rotweine bis 12,5 Vol. %. Den Ersten Platz belegten hier die Weingärtner Brackenheim mit einem Cuvée aus Trollinger & Lemberger… denn das sollte erwähnt werden: auch aus diesen Rebsorten lassen sich schmackhafte Getränke keltern, jenseits von Maischeerhitzung und Mandelton-Klebrigkeit.
Vielleicht der bekannteste Versuch, aus dem Trollinger-Schlotzer-Klischee auszubrechen ist der bereits 2002 erfolgte Zusammenschluss der teils nun nicht mehr ganz so jungen Winzer Hans Hengerer, Jürgen Zipf, Sven Ellwanger, Rainer Wachtstetter und Jochen Beurer mit dem Namen „Junges Schwaben“.
Gerade auch diese Winzer zeigen, dass es eben auch im Qualitätssegment in Württemberg spannende und innovative Weine zu entdecken gibt. Und am Beispiel von Jochen Beurer aus Kernen-Stetten im Remstal bedeutet das vor allem eins: Riesling!
Ob natürlich derartige immer häufiger zu sehende Zusammenschlüsse von Winzern in allen möglichen Weinregionen auch außerhalb Württembergs vorhandene Image-Probleme lösen können mag bezweifelt werden. Es gibt den Winzern aber die Möglichkeit, außerhalb der eingetretenen Pfade ihre Weine einem geneigten Publikum vorzustellen.
Was mir neben Riesling, Spätburgunder und Lemberger wirklich gefällt, ist sie Vielfalt an innovativen jüngeren Winzern, die einerseits High-Quality aus den bekannten Traditionsreben liefern, aber auch aus anderen Rebsorten Bemerkenswertes kreieren. Das können einerseits die oftmals verpönten Neuzüchtungen wie Cabernet Cubin sein, (etwa der prämierte 2009 Cabernet Cubin trocken vom Weingut Schäfer-Heinrich) oder auch Weine aus Zweigelt, Kerner, Silvaner oder Sauvignon Blanc…
Ein Blick ins Glas Neckarabwärts kann jedenfalls lohnend sein, auch wenn kein VdP-Adler auf der Flasche prangt.
Ein paar Empfehlungen jenseits der VdP-Winzer und der genannten Jungen Schwaben seien noch gestattet:
Weingut Knauß, Weingut Siglinger, Weingut Andreas Stutz.
Übrigens: Die Autorin Kathrin Haasis, Journalistin und Weinkolumnistin bei der Stuttgarter Zeitung, veröffentlicht diese Tage ein Buch über die Württemberger Weinszene mit dem Titel: »Württemberger Weinlese«, Schwerpunkt Winzer und Weine rund um Stuttgart. (Erscheint am 30. Juli 2012.)
Weiterführend zum Thema Trollingerschlotzer & Württemberger-Klischees auch hier:
„Winzerview“ Baccantus-Interview mit Andreas Knauß vom Weingut Knauß aus Weinstadt-Strümpfelbach im Remstal
Falls Interesse besteht an einer Verkostung von Trollinger & Lemberger (oder anderen leckeren Produkten der Winzer aus dem Ländle) bitte einfach kurz melden!
immer gerne, Andreas!