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Weinrallye #52 – Klimawandel: Ein Syrah aus dem Kaiserstuhl?

Es ist mal wieder Weinrallye, diesmal mit dem Thema Klimawandel und Baccantus ist auch mal wieder dabei. Trotz über 30 Grad am Feierabend! Passend also, und es soll die Woche so bleiben…

Schon jetzt sind auch in der Landwirtschaft in Deutschland die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren, was sich natürlich auch im Weinbau niederschlägt. Gerade die Winzer können über den Beginn der Vegetationsperiode im Frühjahr, die Rebblüte und die Reife ihrer Trauben ziemlich exakt Auskunft geben und haben so eine genaue Vorstellung davon was und wie sich diese im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte verändert haben. Ob der Austritt der Reben regelmäßig fünf oder mehr Tage früher als noch vor ein paar Jahren stattfindet, macht dabei durchaus einen Unterschied.

In den letzten Jahren gab es in vielen Regionen Europas außergewöhnlich gute Jahrgänge, die allerdings oft auch durch extreme Witterung gefährdet worden, sei es durch Trockenheit und Hitzestress, Spätfröste oder etwa durch Unwetter und Hagelschlag.

100+X Öxle – Traum oder Alptraum?

Ein weiteres Phänomen der Klimaerwärmung macht sich zunehmend bemerkbar. Alkoholreichere Weine. Reife Trauben sicher zunächst etwas Schönes. Süßere Trauben bedeuten bekanntlich mehr Zucker und somit auch mehr Alkohol.

Die Folge sind hierzulande mehr Weine im Spätlese- und Auslesebereich, oft aber auch einhergehend mit Alkoholmonstern, die keinem mehr Spaß machen – und das, wo es in den letzten Jahren einen vermehrten Trend zu leichteren bzw. alkoholärmeren Weinen gibt.

2011 – auch nicht überall ein einfacher Jahrgang – zeigte mancherorts genau diese Trends: Grau- und Weißburgunder in Südbaden und dem Kaiserstuhl, die bei 15 und mehr Vol% schon vor Abschluss der Gärung lagen… im Einzelfall sicher spannend, in der Regel jedoch dem Kunden und geneigten Trinker kaum zu vermitteln, sprich: unverkäuflich.

Portwein und Cabernet aus der Pfalz?

Viele Rebsorten gedeihen bekanntlich vor allem im Süden Europas besonders gut, darunter Grenache, Carignan, Syrah und die typischen Sorten aus Bordeaux, Cabernet Sauvignon und Merlot. Zeigt der Cabernet Sauvignon bei weniger ausgereiften Lesegut unschöne Töne von grünem Paprika, so verschwinden diese Vollreife. Findet sich also das Klima in Deutschland, so lassen sich auch die entsprechenden wärmeliebenden Sorten hierzulande nicht nur anbauen, sondern liefern auch entsprechende Qualität. Und viele Winzer experimentieren bereits längst eifrig mit diesen Sorten oder bauen nicht nur neue, pilzresistente Sorten an, sondern versuchen sich an ortsfremden, teils schon jetzt mit beachtlichem Erfolg.

Riesling ohne Säure?

Rot kommt, weiß geht – das könnte eine Reaktion auf die erwärmung sein. Mehr schwere kräfigere Rotweine in Deutschland (viele würden das durchaus begrüßen) und dafür weniger filigrane und subtile brilliante Weißweine….
So spannend und interessant der Trend zu den neuen Sorten aus Sicht von vielen auch sein mag, so problematisch ist er für andere. Viele der typischen Rebsorten aus unseren Breiten – ob man sie nun „Cool Climate“-Sorten nennt oder wie auch immer – sie brauchen den Wechsel von warm und kalten Perioden in entsprechenden Phasen, und nicht alles ist mit Laubarbeit oder der Kellerarbeit zu steuern. Es wird daher vermutet, dass beispielsweise deutsche Parade-Rebsorte, die Riesling, an Frische und Säure verlieren wird, wenn sich das Klima weiterhin erwärmt. Viele Rebsorten erleiden auch Schäden durch zu viel Sonneneinstrahlung oder Temperaturen: Sonnenbrand gibt es auch bei Trauben…

Wein in Großbritannien und Skandinavien?

Ein weiteres Phänomen, das man schon heute betrachten kann, ist eine Verschiebung der Grenzen für einen erfolgreichen Weinbau in der Gefilde. Zwar wird schon längst in Regionen, die früher als undenkbar für den Weinbau gegolten hätten, eben diese betrieben, doch ist in Zukunft damit zu rechnen, dass dies auch in qualitativer Hinsicht von Erfolg gekrönt ist. Schon jetzt werden beispielsweise in England hervorragende Sekte erzeugt (hier bereits mehr zum Thema Sekt aus Cornwall), vom Weinbau auf Sylt und im Süden Schwedens hat man auch schon gehört. Kein Witz, auf den Schäreninseln macht das Erik Rudhe schon seit vielen Jahren. Rudhesheim statt Rüdesheim, sozusagen.

Es ist also damit zu rechnen, dass im Süden sich durch zunehmende Hitze und Trockenheit vielerorts der Weinbau nicht mehr möglich oder rentabel sein wird, in nördlichen Regionen zunehmend andere Rebsorten angebaut werden. Ebenfalls werden sich die typischen Schädlinge in den Weinbergen verändern, d.h. nördlich der Alpen werden Insekten und andere Organismen durch die ebenfalls ausbleibenden kalten Winter und mit hinreichend langen Frostperioden überleben können und sich prächtig vermehren…

Nicht eben rosige Aussichten, aber von lokal sehr unterschiedlicher Auswirkung und mancherorts durchaus von Vorteil, ohne damit das mensch-gemachte Klima-Problem verharmlosen zu wollen.

Syrah vom Kaiserstuhl

Der Rallye-Kandidat ist ein noch exotisch anmutendes Beispiel, was mir spontan zum Thema Klimaerwärmung und Weinbau einfällt:

Der Syrah 2009 von Reiner Probst, Achkarren im Kaiserstuhl.

Reiner und Marion Probst betreiben ihr Weingut in einer der wärmsten Gegenden Deutschlands – dem badischen Kaiserstuhl. Schon jetzt ist es hier wärmer als anderswo, man darf also gerade auch hier gespannt sein, wie sich dies auf den Weinbau auswirken wird. Und es kann sicher nicht schaden, wenn sich die Winzer mit dieser Frage schon jetzt befassen und sich darauf einstellen.

Sortenrein ausgebaut zeigt der Syrah schon in der Nase eine unglaubliche Würze bei undurchdringlichem Dunkelrot im Glas. Kräftiges Johannisbeer-Aroma und mächtig tanninbetont herrscht vor allem eine Not vor: schwarzer Pfeffer. Auch wenn man sich mit den üblichen sehr blumigen Geschmacksbeschreibungen Verkostungsnotizen nicht anfreunden kann oder diese einem zu obskur erscheinen – schwarze Pfefferbeeren, nicht etwa dieser komische gemahlene Puder, der in manchen Restaurants auf dem Tisch steht. Und diese Note ist so eindeutig, dass sie auch von erklärten Biertrinkern in meinem Beisein sofort erkannt wurden…

Dieser Kandidat kommt sehr eigenständig und mit hohem Wiedererkennungswert daher, woran sicher auch dieser eindeutige Aromenfokus auf der Pfeffernote liegt. Findet man gerade bei den Südfranzosen noch ein zusätzliches Bouquet von Kräuternoten und roten Beeren, soviel in diese hier zu Gunsten der bemerkenswerten Würzigkeit.

Etwas mehr hiervon und es wäre wirklich ein ganz großer Wein, aber auch so ist er alle Mal bemerkenswert im positiven Sinne. Wenn schon „neigschmeckte“ Rebsortenweine, dann bitte mit individueller Klasse und Wiedererkennungswert. Wäre spannend zu sehen, wie er altert und ihn in ein paar Jahren nochmals zu verkosten – leider hab ich keine mehr…

Soweit in aller ungewohnter Kürze mein Beitrag zur Weinrallye #52 – viel Spaß!

2009 Syrah Qualitätswein trocken,
Achkarrer Schloßberg
19,80 € ab Hof.
Alkohol: 14%; Restsüße:2,9 Säure:5,3.
http://www.weingut-reiner-probst.de

Mehr zur Weinrallye#52 hier:

Initiatior dieser Etappe, Torsten Goffin bei Glasklare Gefühle mit der offiziellen kompletten Zusammenfassung der Rallye nebst Ankündigung der nächsten:
http://glasklare-gefuehle.de/2012/07/nach-der-grossen-hitze-%E2%80%93%C2%A0weinrallye-52-ist-vorbei/
Außerdem hat er natürlich einen eigenen Starter aufgestellt, einen „Cool Climate Syrah“:

http://glasklare-gefuehle.de/2012/06/ein-cool-climate-syrah-%E2%80%93-aus-der-pfalz/

Eine weitere Art kommentierter Zusammenfassung der anderen Artikel & Teilnehmer gibt’s hier bei Perini-Weinbau:
http://periniweinbau.com/2012/06/30/weinrallye-52-klimawandel-im-weinberg/

Ein besonders Wissenschaftlicher Artikel mit Perspektiven für den Weinbau auf der Iberischen Halbinsel von Dimitri V. Taits bei winelog.de:http://www.winelog.de/2012/klimawandel-bedeutung-fur-die-iberische-halbinsel/#more

Einen weiteren spannenden Syrah von Ziereisen aus Südbaden hat Christoph Raffelt von originalverkorkt.de nebst anderen Weinen, etwa einen Syrah von Knipser, am Start:
http://www.originalverkorkt.de/2012/06/weinrallye-52-klimawandel-im-weinberg-und-ein-pinot-noir-von-chapel-down/

Viele weitere spannende Artikel zum Thema Wein & Klimawandel finden sich in der Zusammenfassung!