Der große Weinkritiker und Autor Hugh Johnson sieht in einem Interview in DIE WELT sowohl die meisten deutschen Weinbaugebiete für außer Stande und ungeeignet, echte Qualitätsweine zu produzieren. Es wird nachgezuckert, es gebe zu wenig Mengenselektion, die süddeutschen Weine mit weniger Säure sind ohnehin uninteressant. Darüber hinaus sei Mosel-Saar-Ruhr das einzige international anerkannte deutsche Weinanbaugebiet. Nun denn, Hugh hat gesprochen.
Harte Worte, so auch Dirk Würtz in seinem Blog.
Es ist auf jeden Fall interessant, wie außerhalb unseres Landes über die deutschen Weine gedacht wird; doch auch an deutschen Weinregalen halten viele Käufer Weine aus Frankreich, Italien und Australien ihren Pendants aus dem Inland für überlegen.
„18 € für einen Spätburgunder aus der Pfalz? Dafür bekomme ich ja schon einen […] aus Bordeaux oder einen Brunello bei Aldi!“ So hört man manche und denken sicher viele, die nicht nur Weine unter fünf Euro kaufen. Selbst große deutsche Weinhändler haben oftmals nur ein paar wenige bekannte Weinstars aus Deutschland im Sortiment, aber kaum einer traut sich an die unbekannteren (und vielleicht spannenderen?).
Noch bedenkenswerter wird die Sache, wenn man die Diskussionen um die Pflichtzahlungen der Winzer an den DWI (z.B. bei der Weinakademie-berlin.de, Dirk Wütz im Gespräch mit DIW-Geschäftsführerin Monika Reule) deren rechtliche wie wirtschaftliche Berechtigung und die tatsächliche Entwicklung der Verkaufszahlen deutscher Weine im Ausland betrachtet. Tatsächlich lässt sich feststellen, dass gerade in den letzten Jahren ein Riesling-Boom stattfand, und das trotz steigendem Druck auf den gesamten Weinmarkt. Die Tätigkeit des DWI hat sicherlich zumindest einen Beitrag hierzu geleistet. Profitiert haben nach Einschätzung einiger vor allem die großen Renommierbetriebe an Rhein und Mosel wie Loosen, die gerade in den USA zu den Superstars der Deutschen Weinszene zählen.
Verständlich ist sicher auch, dass viele Winzer, die vielleicht nicht auf den Export nach Übersee setzen, große Imagekampagnen für den deutschen Wein für verschwendetes Geld halten, da sie selbst nicht merklich davon profitieren. Die Klagen gegen Zwangsabgaben wurden andernorts schon ausführlich diskutiert, (siehe z.B. deutsches Weininstitut, the Drinktank, eno worldwine blog).
Es bleibt abzuwarten, wie sich der Trend zu deutschem Wein in den Zeiten der Wirtschaftskrise fortsetzt. Sicher ist jedenfalls, dass Märkte in Zeiten der Krise Unter Druck geraten können, und dass diejenigen, die sich gut platziert haben und sich präsentieren können, auch die Krise besser überstehen werden.
„Es tut sich was im Ländle“
Zweifellos gibt es gerade in den letzten Jahren auch in Deutschland viele Winzer, die sich einer gnadenlosen Qualitätsarbeit verschrieben haben, und dabei nicht nur ökologischen Anbau betreiben, sondern auch hoch interessante Spezialitäten erzeugen. Trotzdem halten viele Weintrinker – auch deutsche – beispielsweise Württemberg für das Land der rötlich-blassen Trollinger und Baden für das der klebrig-honigartigen Ruländer.
(Hallo? Schnaitmann? Jochen Beurer? Adelmann? Aldinger? Alle noch nie getrunken oder noch schlimmer – gehört? Man könnte noch einige mehr und aus anderen Regionen aufzählen, aber das nur nebenbei…)
Die harten Worte des renommierten Johnson sollten, so anstößig und irritierend sie auch sein mögen, zumindest dazu anregen, ob die „Deutsche Qualitätsoffensive“ der letzten Jahre im Ausland (und natürlich auch zuhause) den tatsächlich auch wahrgenommen wird.
Interessanterweise haben andere Weinbauländer wie beispielsweise Österreich trotz der großen Weinskandale in den achtziger Jahren heute ein astrein makelloses Image und können meiner Meinung nach auch wirklich mit einigen Top- Produzenten auf Weltniveau glänzen. Vom österreichischen Weinmarketing kann man in Deutschland meines Erachtens jedenfalls eine Menge lernen, vom Klassifizierungssystem sowieso. Versteht eigentlich ein Normaltrinker das Deutsche Weinetikett oder die Lagenbezeichnungen, worauf anscheinend einige so stolz sind? In Deuschland ist doch fast jeder Wein ein „Qualitätswein“, was auch immer das bedeuten mag. (Lesenswert hierzu Mario Scheuermann im Drinktank – Österreichs DAC-Weg)
Ob Imagekampagnen und Gemeinschaftswerbung im Ausland für den deutschen Wein notwendigerweise durch eine Zwangsabgabe finanziert werden müssen, sei dahingestellt:
Solange ein Käufer einen Pinot Grigio per se für besser hält als jeden deutschen Grauburgunder, nur weil ersterer aus Italien kommt, existiert ein Imageproblem für den deutschen Wein an sich, und daran muss man dringend arbeiten!