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Witwen, Schaumschläger und der Dom

Prickelwasser und Parfum

Champagner boomt und für viele ist er das Zeichen von Luxus pur. Nicht nur an Silvester, sobald es was zu feiern gibt, lässt man die Korken knallen. Letzteres sollte man bei einem anständigen Champagner zwar besser lassen, aber wer kann der kann.

Viele Berühmte Häuser sind mittlerweile vor allem alle eines: weltweit bekannte und etablierte Marken, hinter denen große Konzerne stecken und ihre Produkte mit großem Aufwand, Hollywoodbotschafterin und Werbeetat am Markt platzieren. So gehören beispielsweise Moet & Chandon, Dom Pérignon, Veuve Clicquot, Krug, Mercier, Ruinart alle zum Luxuskonzern LVHM, der u.a. auch Parfümmarken wie Kenzo, Givenchy, Dior und viele mehr im Portfolio hat. Und wie in einer super edlen Parfümerie kommt man sich auch vor, wenn man die heiligen Hallen von Moet in Epernay betritt…
Rémy Cointreau und Laurent-Perrier sind andere Konzerne, zu denen mehrere Prestigebetriebe in Reims, Epernay und den anderen Erzeugergemeinden gehören und nur wenige großen Häuser sind wirtschaftlich selbständig geblieben.

Rémy Cointreau sucht übrigens gerade einen Käufer für die Marken Piper- und Charles Heidsieck, will aber mindestens 400 Millionen 😉 Wahrscheinlich wird die Modegruppe EPI den Zuschlag erhalten, Piper H. gehört zu den 10 größten Marken unter den Edelschäumern…

Der Dom steht in Épernay!

Nicht in Köln, sondern mitten in der Champagne mit ihren Kreideböden erfand der Benediktiner Dom Perignon die berühmte Methode der Flaschengärung und der Assemblage, dem gekonnten Verschneiden diverser Jahrgänge und Rebsorten. Auch der Blanc de Noirs wird ihm zugeschrieben, also ein weiß gekelterter Pinot Noir, aus dem neben Pinot Meunier und Chardonnay die meisten Champagner cuviert werden. (ein Blanc de Blanc ist dann ein reiner Chardonnay-Prickler).

Nun steht der Dom bzw. die bekannte Statue von ihm vor dem gigantischen Firmengebäude von Moet. Eine geführte Tour durch die imposanten Keller des Hauses kostet übrigens 15 € und dauert ungefähr 1 h. Imposant ist dabei eher untertrieben, Das unterirdische Kellernetz zieht sich über 100 km durch den Kreideboden von Épernay! Massen… äh, ja. Massen an Champagner lagert dort.

Lustige Witwen

„Wie lieb und luftig perlt die Blaseder Witwe Klicko in dem Glase!“ (W. Busch)
Nicht nur der Mönch Perignon, auch einige Damen haben perlende Weingeschichte geschrieben, allen voran Barbe, Luise und Mathilde. Barbe Nicole dürfte dabei wohl die bekannteste Witwe der Welt sein. Die Tochter des Bürgermeisters von Reims, Mr. Ponsardin, der darüber hinaus noch Präsident der Handelskammer war, heiratete jung den Winzer François Clicquot, der sie bereits im Alter von 27 mit einer Tochter zurückließ. Sie erbte das 1772 gegründete Gut und übernahm erfolgreich die Führung bis zu ihrem Tod mit 89 und exportierte schon damals nach ganz Europa. Veuve Clicquot dürfte damit eine der erfolgreichsten und vielleicht die berühmteste Winzerin aller Zeiten sein, jedenfalls gehört der Standardchampagner des Hauses „Brut Carte Jaune“ zu den populärsten und meistgekauften und ist für viele Liebhaber mit Moet zum Quasi-Standard geworden. Unter ihr fand das Rüttelpult für die Remuage Einzug in die Keller,  in dem die Flaschen gedreht werden, um sie später vom Hefetrub zu befreien. Vorbild war sie u.a. auch für Jeanne Alexandrine Louise, die Witwe Pommery, und für Mathilde-Emilie Perrier, die Veuve Laurent-Perrier. Sie führten die jeweiligen Unternehmen zur Größe und etablierten sie international. Frauenpower also schon in einer Zeit, in der weibliche Führungskräfte absolute Ausnahmen waren! Chapeau!

Masse, Klasse, Rasse

Sind wir ehrlich: Champagner ist ein Massengeschäft. Das merkt man sofort, wenn man durch die Region fährt, deren Rennomierbetriebe industrielle Ausmaße haben. So hat beispielsweise Pommery aus Reims 415 ha rot und 260 ha weiße Rebflächen bei einer jährlichen Produktion von über 4,5 Millionen Flaschen, Lanson ca. 5 Mio, Bollinger 2,5 Mio und P. Heidsieck 8 Mio. Ach ja, Moët & Chandon toppt das natürlich lässig mit fast 30 Millionen Flaschen, gefolgt von N. Feuillatte mit 21 Mio… Insgesamt wurden weltweit übrigens rund 319,5 Mio Edelschäumflaschen verkauft, von denen 185 Mio im eigenen Land blieben…

Die großen Unternehmen liefern das Schmiermittel für die weltweite Luxus- und Partyszenerie und liefern zumeist mehr oder minder gleich bleibende Qualitäten. Hat da etwa jemand „Luxusmassenplörre“ gesagt? Sagen wir so: Sie befriedigen das Bedürfnis & die Nachfrage eines Marktes zu einem entsprechenden Preis, wie man es von einem wirtschaftlich geführten Unternehmen auch erwarten kann. Oftmals jedoch ist der „Brot-und-Butter-Schampus“, also der Einstiegswein dieser Häuser nicht wirklich umwerfend prickelnd – gerade VC Carte Jaune ( der vielleicht absichtlich immer besch..eidener wird?) oder Moet Impérial Blanc Brut mögen vielleicht den Massengeschmack treffen, liegen aber mit ca. 30 € in einem Preissegment, in dem sich schon deutlich interessantere und besser bewertete Tropfen finden lassen. Selbst so manche Prestigecuvée aus berühmtem Keller von oft weit über 100 € erzielt bei Rankings (was auch immer man davon halten will) kaum mehr Punkte als diverse aus kleineren Häusern.

Lieferten diese früher ihre Trauben zumeist bei den großen Maisons ab, lässt sich seit Jahren ein Trend zum Eigenausbau und zur Selbstvermarktung feststellen, manchmal mit wirklich bemerkenswerten Ergebnissen. So wird beispielsweise Der Grand Cru Authentique Rosé von Barnaut von Bettane & Dessauve mit exzellenten 18/20 Punkten gerankt, und das bei einem VK von unter 20 € ab Keller.
Zum Vergleich: Feuillatte Palmes d’Or Rosé 2002 bekam 14/20 Punkte, bei ca 140 €… der Rosé Vintage 2000 von Pol Roger, erzielte 17/20 Punkte, was wirklich schon ziemlich gut ist, bei knapp 80 €. Um beim Thema der immer beliebteren Rosé-Champagner zu bleiben, es lässt sich in jeder Hinsicht noch steigern: Veuve Clicquot Ponsardin Cave Privée Brut Rosé mit 19/20 Punkten bei 220 Euronen…

Schaumschläger & Charmante Schäumer

Natürlich kann man auch richtig Asche für BlingBling-Brause hinlegen, was ja in manchen Kreisen unabhängig vom Geschmack als hip gilt. Es muss aber auch nicht immer teuer sein, allerdings verstehe ich auch ohne jeden Snobismus nicht, was manche (viele!) am Billigschampus von Aldi, Lidl & Co. finden (Durand, Monsigny & Co.) Stiftung Warentest lag damals im Test meines Erachtens voll daneben. Billigluxus for the masses?? Gerade auch der Monsigny (Aldi Süd) steht meilenweit hinter dem, was ich unter Gutem und auch Günstigem aus der Champagne verstehe. Thomas Günther von Weinverkostungen.de hatte sich aber dazu hier schon ausführlicher geäußert.
In diesem Falle empfehle ich eher einen guten Winzersekt für 10-15 Euro, z.B. von H. Gretzmeier  aus Merdingen/Tuniberg/Baden (traditionelles Champagner-Verfahren und bis zu 10 Jahre Hefelager! Bio) oder vom viel gelobten Wilhelmshof in Siebeldingen/Pfalz, neben vielen anderen.

Ein feines und noch vertetbares P/L-Verhältnis unter den großen Namen bietet z.B. der Bollinger Brut Spécial Cuvée, der mit ca. 45 € im deutschen Versandhandel erhältlich ist und nicht nur von James Bond geschätzt wird. (17,5/20 B&D). Jacquesson Cuvée 733 – ganz groß und vielleicht einer der besten bezahlbaren Champagner derzeit. (leider schwer zu finden in D.) Von Pannier ist der Brut Blanc d. Noirs Louis Eugène von 2002 ein Gedicht mit langem Nachklang, kein Schnellperlator für den Club (17/20 B&D, Prix d’Excellence aux Vinalies Nationales 2008).  Auch ein „Brut Non Millésime“ von Charles Heidsieck liegt deutlich vor den üblichen Verdächtigen: Die Brut Réserve Blanc Brut (Ca. 33 €, 16,5/20 B&D).

Ein paar echte Preiskracher sind neben vielen anderen kleineren Häusern Dehours & Fils, Gallimard Père et Fils, Bruno Michel (Bio) und Roger Closquinet, sowie Gonet-Médeville, die teilweise wirklich erstaunliches für um die 20 € schaffen und damit so manchen Markenschäumer als Disco-Stalker abstrafen. Mehr Spaß im Glas geht kaum.

Wer noch ein paar weitere Tipps braucht, einfach melden! Was sind Eure Favoriten?

– – – Eigenverpunk! – – –


übrigens auch für Champagnerhasser! 😉


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