Wenn ich von meinem Balkon schaue, kann ich über den Rhein nicht nur in den Thurgau blicken, sondern sehe auch nach Tägerwilen rüber, das Städtchen , in dem 1850 Hermann Müller geboren wurde, der höchstwahrscheinlich berühmteste Müller‘sche Namensträger und -Geber für eine Rebsortenzüchtung…
Viel gescholten wurde der ach so banale wie beliebte Müller-Thurgau in den letzten Jahren, dessen Weine das diesmalige Thema zur endlich wiederbelebten Weinrallye vorgegeben. Was die Weinrallye ist, hat ihr Erfinder Thomas Lippert hier in seinem „Winzerblog“ hinreichend beschrieben. Das Thema wurde vom diesmaligen Rallye-Host Cucina Casalinga vorgegeben. Baccantus war schon viele Male bei der Rallye am Start und umso mehr freut es uns, dass sie nunmehr wieder ins Rollen gerät!
Edle Einfalt, stille Größe? Es wird mir wohl kaum jemand widersprechen, wenn ich behaupte, dass der Müller nicht zum erlauchten Kreis der edelsten Weißweinrebsorten gehört. Dennoch: Sie gehört zu den erfolgreichsten Neuzüchtungen überhaupt mit ca. 42.000 ha Anbaufläche weltweit.
mater semper certa est, pater semper incertus est
Ein wenig Geschichte: Schon 1882 wurde Müller-Thurgau an der Forschungsanstalt Geisenheim im Rheingau durch Hermann Müller gezüchtet, der von einer Kreuzung von Riesling und Silvaner ausging. Riesling als Mutter stand dabei nie außer Frage, allein – wie so oft – der Vaterschaftstest überführte erst vor einigen Jahren die mit dem Chasselas (Gutedel) stark verwandte Sorte Madeleine Royale als Vater.
Da die Rebsorte recht geringe Ansprüche an Klima und Boden stellt, früh reift und große Ertragsmengen liefert, kam sie über Jahrzehnte lang all denjenigen entgegen, die einen einfachen süffigen und vor allem billigen Weißwein suchten, der sich in großen Massen produzieren ließ. Mit ordentlich Restsüße und auf die Literflasche gezogen repräsentiert er noch heute in vielen Ländern den typisch deutschen weißen Zechwein, der neben der Liebfrauenmilch das Image der deutschen Weine nachhaltig geschädigt hat.
Nicht erst seit Stuart Pigott, der in seinem Buch „Wein spricht Deutsch“ eine andere Machart von Müller-Thurgau propagierte (insbesondere den fränkischen Müller vom Winzerhof Stahl http://www.winzerhof-stahl.de , der mit seinem Hasennest schlanke, feingliedrige Müller produziert und dafür auch mal 9,50 € ab Hof nimmt…) scheint diese Rebsorte aber eine Art bescheidenes Comeback zu feiern. Starke Mengenreduktion bei der Lese ist hierfür unabdingbar, diese Sorte will ordentlich gequält werden, damit sie später nicht den Zecher quält 😉
Rivaner? RieslingxSilvaner?
Die erste Bezeichnung, Rivaner wird immer noch häufig verwendet, um nicht den mit schlechtem Image behafteten offiziellen Namen verwenden zu müssen, zum anderen, weil es die Nähe zu den vielleicht sympathischeren Rebsorten Riesling und Silvaner darstellt. RieslingxSilvaner hingegen ist die offizielle Bezeichnung, die in der Schweiz verwendet wird, auch wenn wie erwähnt Silvaner nicht der Vater dieser Müller‘schen Rebzüchtung war. Immer wieder wird der Müller selbst gerne als Kreuzungspartner für Neuzüchtungen genommen, mit unterschiedlichem Erfolg.
Rebenland Bodensee – nicht nur im benachbarten Thurgau sondern rund um den ganzen Bodensee sowie auf der Reichenau wird seit Ewigkeiten Weinbau betrieben und neben dem Spätburgunder gehört der Müller-Thurgau zur festen Größe im Reb-Portfolio nahezu aller See-Winzer.
Aus diesen aus beiden Rebsorten werden oftmals breite, gefällig weichgezeichnete Konsumweine erzeugt. Es gibt aber glücklicherweise immer mehr Erzeuger, die auch diese Rebsorte die gebührende Aufmerksamkeit widmen und feinwürzig- fruchtige Exemplare jenseits aller klebrigen Banalität erzeugen, die trotzdem und bringt Spaß für bezahlbares Geld ermöglichen.
Nicht oft habe ich die Gelegenheit, einen Kandidaten direkt aus fußläufiger Distanz zu meinem eigenen Wohnort vorstellen zu können:
Müller-Thurgau 2010 aus der Einzellage »Konstanz Sonnenhalde«
(beim Bismarkturm, der sich ziemlich genau 1 km von hier befindet 😉 von der Konstanzer Spitalkellerei.
Reine Südlage, freier Blick auf den See und in den Thurgau… mittelschwere Böden mit Lehm und Tonanteilen (neben an befindet sich der Konstanzer Hauptfriedhof – vielleicht wird das dann in ein paar Jahren der Konstanzer Herrgottsacker? 😉
Ein schlanker Müller mit einem Hauch von Muskat, alles sehr feingliedrig und dezent, ein erstaunlich eleganter und alles andere als marktschreierisch lauter Vertreter seiner Zunft. Ihm fehlt genau das, was mich oft am Müller stört: dieses leicht seifig-pappige Aroma, das an billiges Kleinmädchen-Parfum mit überbordender Fruchtopulenz erinnert.
Angenehmes Gaumengefühl, milde Säure… passt. Man muss keine Romane über die Aromatik schreiben, aber diesen Vertreter kann man sich hervorragend als Essensbegleiter, aber auch zum Opening der Terrassenwein-Saison vorstellen – es muss nicht immer Riesling oder ein Spätburgunder Weißherbst sein, wenngleich Letzterer auch reichlich typisch für unsere Bodensee-Region ist. Mit 6,40 € auch durchaus im bezahlbaren Balkonbereich…
Die Konstanzer Spitalkellerei ist übrigens die älteste, noch bestehende Stiftungskellerei Deutschlands. 1225 gegründet liefert sie auch heute immer noch einen gewichtigen Beitrag zum Betrieb eines Krankenhauses sowie mehrerer Alten- und Pflegeheime, die durch die Spitalsstiftung unterhalten werden.
Neben den Weinbergen in Konstanz und Meersburg gehören auch ua. noch Waldflächen zum Stiftungsvermögen. Neben der Sonnenhalde, aus der der besprochene Müller-Thurgau stammt, gehört auch die bekannte Meersburger Haltnau zum Besitz.
Jahrgang: 2010
Alkoholgehalt: 12.00 % Vol.
Restsüße: 3.20 g/l
Säuregehalt: 6.60 g/l
Preis: 6,40 €
Alles Käse! Gestern noch gefunden: Ein Schweizer Weichkäse, der sich zwar nicht Müller-Thurgau nennt, aber immerhin RieslingxSilvaner… passt.
So, und das Müller-ConterShirt muss natürlich ein Trolli sein:
Die WeinRallye-Beiträge der anderen Teilnehmer gibt es hier:
- La Gazzetta del Vino 2010 Blickwinkel Müller Thurgau von Andreas Bieselin, Baden.
- Culinarium Curiosum – 2008 Schlosskellerei Tiefenbrunner Feldmarschall v. Fenner Müller-Thurgau, 2010 Kellerei Kurtatsch, Graun, Müller-Thurgau und 2007 Kellerei Kurtatsch, Hofstatt, Müller-Thurgau, Südtirol
- Feinschmeckerle Rivaner 2009, Reusch, Metzingen-Neuhausen.
- Foodfreak, Müller-Thurgau 2009 vom Weingut Hammel aus der Pfalz.
- Glasklare Gefühle 2010 Eschendorfer Fürstenberg Müller Thurgau von Horst Sauer.
- Lamiacucina, 2010 Riehener Riesling-Sylvaner, Schlipfer Gemeinde Riehen.
- Das Marien Eck Birnauer Kirchhalde 2010, Müller-Thurgau Markgraf von Baden
- Drunkenmonday Müller-Thurgau 2011,Peter Mertes KG 1,99 Euro, 2010 Winzerhof Stahl Müller-Thurgau “Hasennest”, Franken, 9,50.-
- Perini Weinbau 2010 trocken & halbtrocken 2009 Müller-Thurgau Kabinett vom Weingut Höflich, Lage Großostheim, Heiligenthal.
- Sammlerfreak RäckeDorn Müller-Thurgau 2010, Gächlingen (Schaffhausen), GVS Schachenmann.
- Schiller-Wine über Andreas Clauss, Saale Unstrut
- Matthias Metze von Social Wine über Rheinhessischen Rivaner vom Weingut Hirschhof.
- Super-Schoppen-Shopper Cordula Eich erzählt Geschichten vom Müller-Thurgau
- Vinum philosophiert über Fußballer und Wein
- Theresa /Gastbeitrag Weingut Arns über den hauseigenen 2010 Müller-Thurgau Trocken von der Mosel.
- Weinkaiser Ralf über Nacker Müller-Thurgau 2010 vom Weingut Clauß.
- Weinreich-Blog Christian Rivaner Trocken, Winzergenossenschaft Mayschoß von der Ahr mit Rezept, Thomas über MT von der Philipps-Mühle, Weinheidi über Müller-Thurgau vom Winzerhof Burrlein, Franken.
- Weintipps von Michael Liebert: Müller-Thurgau 2009 vom Köfererhof, Südtirol ua.
- Bei Wein-Wissen : Fritz Müller Perlwein Müller-Thurgau trocken
- Wiesengenuss Müller-Thurgau 2010, Qualitätswein, Weingut Friedrich Becker, Pfalz – MÜLLER 2010 / Enderle + Moll, Münchweier, Baden , Juval „Glimmer“ 2009, Weingut Unterortl, Südtirol.
- Thomas Lippert vom Winzerblog, über den eigenen 2009er Heidelberger Dormenacker Rivaner trocken, Weingut Clauer, Heidelberg.
- Cucina Casalinga 2009er Iphöfer Kronsberg Müller-Thurgau Kabinett trocken, Weingut Wirsching