Zum Inhalt springen

Weinrallye #44 – Die Rhône – ein weites Feld, ein langer Fluss

Christoph Raffelt von Originalverkorkt liefert das spannende Thema zur 44. Rallye: Die Rhône – der Fluß, der Wein, die Winzer – in der Tat ein weites Feld, oder besser Weinberg…

Eigentlich wäre meine Tour an der Südl. Rhône ja schon der perfekte Weinrallye-Artikel gewesen… nun also noch ein dedizierter Beitrag. Ähnlich wie am Rhein über Graubünden und den Bodensee bis weit in den Norden wird auch an der Rhône vom Oberlauf im Wallis über den Genfersee bis nahezu an die Mündung im südlichen Rhônedelta Wein angebaut – ähnlich verschieden sind naheliegender Weise auch die Weine. Ein Pinot Noir oder Dôle aus Sion hat mit einem Wein aus der stark mediterran geprägten südlichen Rhône wenig gemein. Spricht man allerdings von Rhône-Weinen im engeren Sinne, so haben die einen die oftmals günstigen und günstigsten Tropfen von der frz. Nördlichen Rhône im Sinn, die meist auf Kniehöhe in sämtlichen deutschen Supermärkten und Discountern zu finden sind. Die anderen denken eher an die qualitativ dezent hochwertigeren großen Namen wie Châteauneuf-du-Pape, oder aus der Appellation Côtes du Rhône Villages etwa Vacqueyras, vielleicht auch an einen Rosé aus Tavel oder einen kräftigen Gigondas.

73 468 ha / 2,83 Mio hl in 2010 / ca. 6 000 Weinbaubetriebe /
Zweitgrößtes französisches AOC-Weinanbaugebiet in Fläche und Produktion /
eines der weltweit größten Weinregionen für Qualitätsweine /
wichtigster Wirtschaftszweig der ganzen Region / …

– das sind nur ein paar hard facts, welche die älteste und eine der größten Weinbauregionen Frankreichs nur unzureichend beschreiben.


Von der Nördlichen Rhône zwischen Vienne und Valence sind vor allen anderen zwei Regionen zu erwähnen:  Côte Rôtie und Condrieu/ St-Joseph, die sich teilweise mit dem benachbarten Oberlauf des Loire-Tals überschneiden. Geprägt vom Syrah und teils extremen Steillagen (übrigens mit grandiosen Ausblicken in das Flusstal!) werden hier hervorragende Rote angebaut, darüber hinaus aber auch unglaublich banales und auch miserables, was den Ruf der nördlichen Rhône hierzulande nachhaltig beschädigt hat. Standardrotwein, säuerlich bis pappige Billigplörre.

Der andere große Stern der nördlichen Rhône ist weltberühmt und zählt vielleicht zu den besten Toplagen Frankreichs: Hermitage. Diese Steilhänge sind vom Granit geprägt, ganz anders als sedimentüberlagerte Kalkböden weiter südlich.

An der Südlicheren Rhône gibt es dann die berühmten Böden von Châteauneuf-du-Pape. Alles andere als gleichartig oder gleichförmig und überall bedeckt mit den bekanntesten Quarzkieseln Frankreichs, den Galets mit der Eigenschaft, Wärme zu speichern und sie nachts wieder abzugeben. Rote, sehr sandige Böden, Ton, vor allem ist die Gegend aber mit die trockenste an der Rhône, und trotz Sonne bläst der Wind fast dauernd. Wenn mal der Mistral eine Pause macht, dann kommt ein anderer von irgendwo und Ruck Zuck sind die Trauben wieder getrocknet, falls doch mal ein Schauer kommt.

Die Bodenqualität gilt zwar als hochwertiger als in den umliegenden Gemeinden, doch auch innerhalb der AOC ist sie recht uneinheitlich und die Grenzziehungen zu den Nachbar-Gemarkungen meist nur historisch zu verstehen. Auch haben viele Winzer kleinere Rebflächen über die ganze Großregion verstreut und kreieren daraus nachher ihre Cuvées. Hierzu kommt die unglaubliche Vielfalt von 13 Rebsorten, die für den Châteauneuf-du-Pape verwendet werden dürfen und die Fertigkeit der Winzer, aus Grenache, Cinsault, Mourvèdre und Syrah, Clairette und den anderen zugelassenen Sorten einzigartige, langlebige Geschöpfe zu zaubern. Oder eben auch nicht… die Reben stehen frei, da das Anbinden mit Drähten oder Stützpfählen nicht gestattet ist.

Ein paar der Bekanntesten unter den Châteauneuf-Produzenten sind Château de Beaucastel, Clos des Papes, Clos de l’Oratoire des Papes und Le Clos du Caillou. Beaucastel dürfte wohl eines der Biodynamischen Weingüter mit der höchsten Qualität sein und gehört nicht nur in Sachen Bio, sondern überhaupt zu den wirklich legendären Weinen, die man mal getrunken haben sollte.

35 ha Châteauneuf-du-Pape und 25 ha in Rasteau haben die Brüder Daniel und Frédéric Coulon von der Bio-Domaine Beaurenard. Bescheidene, sympatische Menschen, große, aber bezahlbare Weine… seit 7 Generationen wird hier Weinbau bezeugt, unter den Bioweinbauern gehören sie zu den Pionieren an der Rhône. Bearbeitung mit dem Pferd, Handlese… egal, hier stimmt jedenfalls die Qualität, und zwar über den CdR, den Rasteau bis zum Boisrenard Ch9dP.

Die Domaine Clos du Caillou in Courthezon mit ihrem Önologen Bruno Gaspard und Winzerin Sylvie Vacheron habe ich auf der Rhônetour mit Gernot Freund nach der Millésime Bio im Januar kennen und lieben gelernt, ebenfalls ein Spitzenweingut mit einer breiten Fächerung, vom einfachen, aber guten Côtes du Rhône bis zum CH9dP der Extraklasse…

Lässt man aber einmal die „ganz großen Tiere“ beiseite, so zeigen auch die scheinbar unbedeutenderen Appelationen in der unmittelbaren Nachbarschaft, dass sie in der Lage sind, wirklich große Weine hervorzubringen. Über die Rosés aus Tavel rede ich nicht, die mag ich nicht – aber das ist natürlich Geschmacksache. Ich rede von Gigondas, Vacqueyras und Sablet im Besonderen.

Wieder faszinierend zu sehen, wie unterschiedlich auch hier die Böden (siehe Grafiken) und entsprechend auch die Weine ausfallen, selbst wenn sie aus der gleichen Feder stammen.

[imagebrowser id=6]

Zwei große Côtes du Rhône Villages macht Pascal Chalon in Tulette, den kleinen und den großen Bären, Petite und Grande Ourse. Biodynamisch bewirtschaftet liefert Pascal noch einen Großteil seiner Trauben beim benachbarten Château de Beaucastel ab, während er einen extrem ertragsreduzierten Teil zu seinen „Bärchen“ verarbeitet. Schon der kleine ist eigentlich ein großer, der Grande Ourse jedoch ein wahrer Zauber an Komplexität und weicher Aromenfülle… einer meiner absoluten Lieblinge von der Rhône!

Domaine La Cabotte, Mondragon –  Gabriel d’Ardhuy macht als Burgunderwinzer seit 1980 Wein an der südlichen Côtes du Rhône im Herzen des Massif d’Uchaux, Nordost-Vaucluse. Mitlerweile gibt es auch ein Rebstück in Châteauneuf-du Pape und seit 2002 wird auf bio-dynamischer Basis gearbeitet. Weißer Sandstein Kalk, Quarz und die bekannten Kiesel prägen die Böden. Einen bemerkenswerten Châteauneuf-du-Pape Vieilles Vignes macht die Familie, aber auch die CdR Gabriel „Massif d’Uchaux“ sind feine Stöffchen…

Einer meiner absoluten Lieblinge von der Rhône ist die Domaine Grand Bourjassot, Gigondas. Abgesehen davon, dass die Familie Varenne „super sympa“ ist, werden hier auf traditionelle Weise charaktervolle Individualisten gekeltert und gefüllt. Teilweise bis 100 Jahre alte Grenache Noir-Reben, die natürlich begrünt und  ohne künstlichen Dünger, dafür aber mit Pferd gepflegt werden… viel Handarbeit, die sich aber lohnt und ohne große Technik auskommt. Cuvée Cecile, ein sehr traditioneller Côtes du Rhône, fast mit einer burgundischen Eleganz und mit dem Coup de Coeur im Guide Hachette ausgezeichnet. Der Goutte Noir – nur mit dem Gewicht der Trauben gepresst – ein schwarzer Traum… dicht und voll. Noch ein Lieblingswein von Bourjassot ist der weiße Sablet CdR Villages, einer meiner liebsten Weißweine aus Frankreich…  eigenständig bis zum Dahinschmelzen am Gaumen.

Und genau das ist das Faszinierende an der Rhône:
Eigenständige, unangepasste Charaktere, Terroiristen und Winzer, die ihren Weg gehen. Mitläufer und Massengeschmäckler sowie Langweiler gibt es natürlich auch, aber das ist ja keine regionale Besonderheit…

[vsw id=“JcHS6zDIHK4″ source=“youtube“ width=“500″ height=“405″ autoplay=“no“]

Weitere Artikel zur Rhône:

Copyright Grafiken © Inter-Rhône – alle Rechte beachten!
Copyright © Christophe Grilhé
Andere Bilder Stefan Schwytz, logo by orginalverkorkt/
Facts & Figures via Interprofession des vins A.O.C. Côtes du Rhône & Vallée du Rhône
.
.
Die passenden Rallye-Shirts gibt’s hier:
.


3 Kommentare

  1. Die Rhône war lange in den Augen vieler unwichtig. Eines muß man Robert Parker lassen. Er war der Erste, der sie wieder in den Focus gerückt hatte und ihren wahren Wert erkannt hat. Allerdings hat dies die Winzer einen hohen Preis gekostet. Teilweise monströse Weine ohne Hirn und Verstand!

  2. Stefan Krimm

    Hendrik Thoma hat mit beiden Hinweisen recht: Parker hat sich getraut, Rhône-Weinen Bewertungen zu geben, die jahrzehntelang Bordeaux und Burgund vorbehalten schienen. Dass war mutig und hat viel bewegt. Dass er dabei mit den von ihm favorisierten Kriterien eine Uniformierung in Gang gebracht hat, welche die Konturen verwischt, ist die Kehrseite der Medaille. Unter „ohne Sinn und Verstand“ muss aber neben der schieren Marmelade- und Alkohol-Wucht auch noch die Maskierung durch das Barrique genannt werden, die so gut wie keiner der größeren Weine von der Rhône benötigt. Da wurden viele Dummheiten gemacht und in Spanien zeigt sich momentan, wo die zum System erhobene Narretei hinführen kann. Dabei ist gegen eine feine Sauerstoffzufuhr durch das Holzfass beim Ausbau nichts einzuwenden, wohl aber gegen das Aufschminken mit Vanille, Kokos, Kaffee und Schokolade, das aus Schönheiten manchmal Straßenmädchen macht.

    Aber: Es gibt jede Menge Winzer, die einen unabhängigen Kurs steuern. Thierry Allemand in Cornas gehört zum Beispiel dazu, Laurent Charvin in CdP, Cayron, Gour de Chaulé und Grapillon d’Or in Gigondas, Amouriers in Vacqueyras, Viret in St. Maurice, Ciaran Rooney (Domaine des Anges), Vindemio mit Jean Marot im Ventoux, Mourgues du Grès in den Costières de Nîmes. Da wird, wenn überhaupt, auch das kleine Fass weise eingesetzt und nicht als Lieferant weinfremder Zusatzstoffe.
    Es lohnt sich, etwas umherzustreifen und den Produzenten auch zu sagen, wo sie auf dem richtigen Kurs sind: dem, der Terroir und Sortenspezifik nicht übertüncht.

  3. absolument d’accord, Stefan! „Gut Holz“ kann sicher kein Schlachtruf für die Rhône sein und die Opulenz in Sachen weinfremder und alkohollastiger Charakteristik kann sicher keine Lösung sein, zumal bei vielen Konsumenten auch ein Umdenken einsetzt und sich ein Trend zu leichteren Weinen abzeichnet. Das von dir erwähnte „Aufhübschen“ – ob nun in Spanien oder anderswo – ist genau das, was ich ich bei der Weinsuche immer zu umgehen versuche. Gerade aber Winzer wie die Familie Varenne von der Domaine Grand Bourjassot zeigen, dass es auch anders geht. Feinglidrig statt monströs wuchtig, ob nun Gigondas oder Vacqueyras – eher unabhängig und stilsicher denn massenkompatible Traubenmarmelade…
    Den letzten Punkt aber halte ich für wirklich wichtig und leider völlig unterschätzt – Feedback! Wenn man als Konsument, Händler oder sonstiger Weinfreund die Möglichkeit hat, mit dem Erzeuger ins Gespräch zu kommen, so darf und soll man meines Erachtens nach diesem auch sagen, was einem gefällt (tun sicher viele), aber eben auch, was einem nicht gefällt (tun eher wenige…)
    Der „weise Holzeinsatz“ ist nicht nur eine Wissenschaft für sich sondern auch eine, bei der wenige oft mehr ist… wie so oft.

Kommentare sind geschlossen.