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Weinbau ohne Schnickschnack

Gottfried Lamprecht, junger Winzer aus Pöllau, Markt Hartmannsdorf in der Steiermark.
Twittert manchmal direkt vom Traktor runter aus dem Weinberg.

Macht „field blends“, also Gemischter Satz, Social Media, Verjus.
Macht / mag nicht: Sauvignon Blanc, Kompromisse beim organischem Weinbau, Schminke und Schnickschnack.

Baccantus: Gottfried, wir beobachten dich ja nun schon eine Weile und haben schon so manche spannende Diskussion via Twitter, Facebook und auf anderen Wegen gehabt. Du nutzt das Web2.0 bzw. Social Media ja auch recht virtuos, um aus deiner Blickrichtung über die Arbeit im Weingut und mit den Weinen zu berichten, teils auch mit Video. Wie ist eigentlich die Aufmerksamkeit außerhalb des doch recht überschaubaren Weinwebs?  Erreichst du auch Weinliebhaber jenseits der Wein-Bloggosphäre?

GL: Das stimmt, die Filme und viel Content sind für die Community. Ich mag keine standardisierten Dinge oder Geschminktes. Manches, das ich im Blog schreibe, enthält Kontroverses und lädt zum Diskutieren ein. Ob es nun gefällt? Entscheidet bitte selbst. Ich würde mir mehr Feedback wünschen, denn es gibt so vieles, das in unserer Weinwelt nicht ganz klar ist. Ich sehe Social Media als Kommunikation mit Menschen, die die gleichen Interessen haben und es hilft mir, die noch recht unbekannten Ideen meines Weinbaues zu verbreiten. Wer im Netz ehrlich und echt arbeitet, wird belohnt. Die Aufmerksamkeit außerhalb des Internets steigt, doch da ist es nicht so einfach, die Leute zu überzeugen. Es ist wie beim Essen. Jemanden, der sagen wir an McDonalds gewöhnt ist, in Richtung ursprüngliche Geschmäcker zu frühren ist schwierig. Ohne eine Spur „open minded“ zu sein ist das kein realistisches Unterfangen.

Baccantus: Du bist sicherlich deutlich bekannter geworden durch den Einsatz von Social Media. Gibt es auch kritische Stimmen in deinem Umfeld?

GL: Kritische Stimmen gibt es immer. Stell dir vor du arbeitest das ganze Jahr im Weingarten, gibst dir Mühe die allerbesten Trauben, wenn auch aus jungen Rebanlagen zu ernten, presst sie, lässt den Saft in traditionelle Holzfässer rinnen und vertraust wilden Hefen, die du nicht kennst. Das alles auch noch 100% Bio, einer Produktionsmethode, der man so oft noch gerne schief begegnet. Und wenn der fertige Wein dann noch schmeckt und man ihn verkosten lässt, die vermeintlichen Weinkenner aber nach intensiver Fruchtigkeit und Kohlensäure suchen, dann sind das die harten Momente am Beginn eines Projektes, das erst vor wenigen Jahren gestartet wurde. Ein Gewöhnungseffekt scheint stärker zu sein als das kritische Auseinandersetzen mit guten Getränken (und Essen). Wie beim Strom: Die Leute gehen den Weg des geringsten Widerstandes 🙂

Baccantus: Was machen die Erweiterungspläne und Neupflanzungen? Wir hatten ja schon des Öfteren über neue Rebberganlagen und mögliche Sorten gesprochen…

GL: In wenigen Tagen wird nun ein neues Stück hochwertiges Land am Buchertberg direkt am Hof wieder mit Reben bepflanzt! Es gibt hier noch einiges an Platz direkt vor meiner Haustüre. Ich muss nicht weit fahren und bin recht flexibel. Die historische Grundlage der Fläche und die Nähe in der Bewirtschaftung sehe ich als meinen großen Vorteil. Die allergrößte Schwierigkeit ist die Frage nach den Sorten, die gepflanzt werden sollen. Das beschäftigt mich jeden Tag. Sauvignon Blanc gehört sicher nicht dazu. Ich teste alte hochwertige Rebsorten und bin neugierig auf die ersten Ergebnisse. Piwis (pilzwiderstandfähige Rebenzüchtungen) sind kein Thema für mich. Die sind nämlich überbewertet.

Baccantus: Wie entwickeln sich die 2010er? Man hört ja recht unterschiedliches vom A*Jahr… 😉

GL: Für mich war der Jahrgang 2010 ein richtig schwieriger. Ich kann nicht auf jahrelange Erfahrung zurückgreifen, doch ich glaube, die viele Arbeit im Herbst hat sich gelohnt und es sind feine Weine gekeltert worden. Niedrigerer Alkoholgehalt, höhere Säure, keine technischen Tricks – ich möchte reinen Wein einschenken. Der Jahrgang soll erkennbar sein. Weine aus der Steiermark – Jahrgang 2010 – über 12,0vol% Alkohol sind entweder Traminer oder durch übermäßiges Aufbessern des Mostes, bzw. entsäuern Jahrgangsfremd gemacht worden. Das möchte ich verhindern. Die Steiermark hatte es im Herbst insgesamt schwieriger im Vergleich zum Burgenland und Niederösterreich …

Baccantus: Wir hatten ja im letzten Jahr ausführlich über Agrest bzw. Verjus diskutiert. Mittlerweile hast du einen sehr gelungenen auf der Flasche, ein wunderbar fruchtiges Säftchen mit feiner Säure. Wie kommt der Verjus an? Es scheint ja immer noch nicht so ganz geläufig zu sein, trotz diverser Vorteile ggü. Essig gerade auch in Salaten oder als Erfrischungsgetränk.

GL: Zugegeben, ich bin ein Fan von historischen Dingen. Wir unterschätzen das viel zu leicht. Ob im Weinbau oder in der Landwirtschaft – die Geschichte ist die Grundlage, auf der wir heute aufbauen können. Verjus bzw. Agrest gehört eindeutig dazu und muss wieder Einzug in die heimische Küche und Gastronomie finden. Ich sehe es nicht als Konkurrenz zum Essig sondern als heimische Alternative zum Zitronensaft. Wir wissen nicht, wo der Zitronensaft herkommt, was damit im Herstellungsprozess passiert, aber ich weiß, wo mein Weingarten ist. Essen wir lieber einen heimischen Apfel als Fairtrade-Bananen. Herrenhof Verjus war schnell weg und ist nach vielerlei Rücksprache gut angekommen. Ich werde weiter machen.

Baccantus: Die Steiermark ist selbst für viele Österreichfans unter den deutschen Weinliebhabern fast schon eine exotische Abteilung, gerade auch im Vergleich zu den Klassikern aus der Wachau, dem Kamp- und dem Kremstal… Ist die Dominanz vom „Österreichischen Weinbotschafter“ Grünem Veltliner außer Landes nicht auch ein Problem für andere Weinregionen?

GL: Interessant ist, dass der Boom des Sauvignon Blanc in der Steiermark noch immer anhält. Vieles, das jetzt gepflanzt wird, wird in den Export gehen und steht natürlich in Konkurrenz mit Neuseeland, Frankreich, Südafrika und Co. Nichts ist so austauschbar wie Sauvignon Blanc auf dieser Welt! Im Gegensatz dazu hat der Grüne Veltliner Österreich eine eigenständige Identität im internationalen Kontext verschafft, so wie es mittlerweile der Blaufränkisch genauso tut. Jedoch bevor ich Sauvignon Blanc pflanze, entscheide ich mich für den gemischten Satz, der erstens alle wichtigen und einheimischen Sorten in sich vereint und wenn auf einer guten Lage gepflanzt, der ultimative Herkunftwein ist. Mehr Geschmack einer Lage kann es aus meiner Sicht nicht geben. Wieso ich mich gegen Grüner Veltliner entschieden habe ist klar: Die Sorte an sich hat wenig Lagenansprüche, gedeiht fast überall gut und passt deshalb nicht auf den Buchertberg. Meine Arbeitsbedingungen sind nicht mit dem flachen Weinviertel vergleichbar. Eine hochwertige Lage braucht meines Erachtens anspruchsvolle Sorten. Trotzdem ist es gut, dass aus dem Grünen Veltliner das geworden ist, was wir heute haben. Hier sehe ich ein Alleinstellungsmerkmal wie beim Riesling in Deutschland.

Es stimmt, die Steiermark ist das einzige Bundesland in Österreich, das sich nicht mit einheimischen Rebsorten beschäftigt, sieht man mal vom Blauen Wildbacher ab. Ich finde, man muss dem Wildbacher eine Chance geben. Achtung: irgendwann kracht es mit dem „Sauvignon blanc“! Es wird sich eine Sackgasse auftun und dann, wahrscheinlich zu spät, beginnt man mit der Suche nach Alternativen. Ich höre, dass in Deutschland ein Anbauboom besteht. Ihr werdet sehen: in 20 Jahren sind viele Weingärten wieder auf andere Sorten umgestellt. Das ist meine Meinung dazu.

Baccantus: Das Thema Bio scheint auch in der Steiermark kräftig an Bedeutung zu gewinnen. Wie arbeitest du im Herrenhof?

GL: Das stimmt, wobei die Betriebe, die nach biologischen Richtlinien arbeiten, noch sehr wenige sind. Bio-Weinbau hat nur dann Sinn, wenn im Keller genauso gearbeitet wird. Da muss sich ein Kreis bilden, sonst sehe ich keinen Unterschied. Ich habe ein Zertifikat, das ich mir jedes Jahr neu verdienen muss. Ich bin aber nicht bei Demeter, deshalb vermeide ich es, mich als biodynamisch zu bezeichnen. Da bin ich fair und möchte ehrlich sein. Wobei ich aber biodynamische Präparate anwende und vielerlei Logisches für mich nutze. Bis dato konnte mich die Esoterik nicht ganz überzeugen.
Die Herrenhof-Charta steht aber über Allem. Bio ist nur ein Teil davon, was man dort nachlesen kann.

Baccantus: Aber Zertifizierungen sind schon wichtig?

GL: Das wollte ich noch sagen: das Wort Bio sollen nur die verwenden dürfen, die ein Zertifikat besitzen, danach arbeiten wollen, und es auch tun. Biodynamisch ist eine „eingetragene Trademark“ des Demeter Verbandes. Ich bin nicht bei Demeter. Vielleicht mal später. Ein bisschen Bio ist nicht Bio.

Baccantus: Auf den letzten Weinmessen, ua. der Millésime Bio war ich sehr angetan von der Qualität und der individuellen Art der ausstellenden österreichischen Biowinzer. Neben dem Weingut Sepp Moser von Nikolaus Moser in Rohrendorf, Krems haben die Weine von Franz Strohmeier in St. Stefan/ Stainz und die vom Weingut Werlitsch in Leutschach sowie von Sepp Muster aus der Steiermark einen bleibenden Eindruck hinterlassen, auch wenn sie nicht unumstritten sind. Kannst du die Kritik nachvollziehen?

GL: Ich habe großen Respekt vor den Bioweingütern in der Südsteiermark. Die versuchen wirklich die echte Steiermark als etwas Unverfälschtes in die Flasche zu bringen. Das ist heute selten. Zu technikverliebt und zu abhängig sind die Winzer von heute. Das gilt nicht nur für die gesamte Steiermark, das gilt im Allgemeinen für die Landwirtschaft. Dort „unten“ wurden schon Amphorenweine gekeltert, da wussten so manche Winzer in Niederösterreich noch nicht, was das ist. Doch leider hängen sich die Medien an andere dran. Wer am lautesten schreit gewinnt, so scheint es. Die Weine unterscheiden sich stilistisch absolut von denen der Kollegen. Ich mache vieles Ähnlich oder gleich, trotzdem schmecken die Weine anders. Es ist halt genauso auch der Mensch, der ein wichtiger Teil des Terroirs ist, von dem wir alle so gerne sprechen. Wahrscheinlich mehr als wir in den letzen Jahren glauben wollten. Der Schwefel ist ein oft diskutiertes Thema im Weinbau. Ich bin für eine Schwefelung, da – so wie ich finde – Oxidation die echten Aromen der Herkunft, der Lage zerstören oder verändern. Hier gibt es verschiedene Ansichten. Seinen wir froh, dass es verschiedene Ansichten gibt. Ich spreche von einem Umgang mit Schwefel in der Weinbereitung in Maßen, weit unter dem gesetzlichen Höchstwert.

Baccantus: Wo geht bei dir die Reise hin? Ziele, Perspektiven für den Herrenhof?

GL: Ziel ist es altes Rebland wieder als Weingarten zu kultivieren. Damit meine ich die Fläche direkt am Hof. Ich habe noch einiges an Platz zur Verfügung und lade jeden ein, dies sich mal anzusehen. Ich bin der Meinung es ist eine Reise wert. Die Weine sollen noch mehr an Herkunftscharakter gewinnen. Sie sollen zeigen, dass sie nur hier wachsen können und sie sollen vor allem eine sein: zeitlos. An der Arbeitsweise wird sich nicht viel ändern, ich würde es nie anders machen wollen.

Baccantus: Gottfried – wir danken für das Gespräch!

Weiterführende Links

Zum Weingut Herrenhof Lamprecht
Bezugsquelle ab Hof: shop.herrenhof.net
Jahresrückblick Herrenhof Jg. 2010
Interview mit Gottfried Lamprecht zum Thema Gemischter Satz, hier bei Baccantus
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Passendes WeinShirt im Baccantus-Shop:


2 Kommentare

  1. schönes Interview, Stefan – ich kann mir gut vorstellen, wie wichtig für Gottfried die Netzkommunikation ist, denn er scheint ja in seiner Gegend mit seinem Projekt und seiner Wahl der Methoden recht einsam dazustehen. Überhaupt kenne ich kaum österreichische Winzer, die bloggen oder sonst wo im Netzt mit etwas anderem als klassischen Webseiten vertreten sind.

    Auch für mich, in meiner isolierten Einzellage im Hinterland des Languedoc sind ja die neuen Medien eine unschätzbare Verbindung zum Rest der Weinwelt, auch wenn die (und vor allem die immer weiter wachsende Gemeinde der Bio- und Naturwein-Winzer) hier im Netz schon sehr umfangreich vertreten ist. Weshalb man sich mit den von Gottfried genannten Methoden in Weinberg und Keller im frankophonen Raum auch in guter Gesellschaft fühlt. Und die Zahl der Salons und Weinmessen (on und off), auf denen man Bio- und Naturweinwinzer aus ganz Frankreich treffen kann, hat so rapide zugenommen, dass die Liebhaber mit dem Besuch kaum nachkommen.

    Und Gottfrieds Entscheidung für autochtone Rebsorten aus seiner Gegend finde ich sehr vernünftig. Der buzz rund um den grünen Veltliner und selbst Blaufränkisch nach der Europäischen Weinbloggerkonferenz in Wien hat ja gezeigt, dass der Exoteneffekt des Namens für den Rest der Welt durchaus gewirkt hat: plötzlich wurde das Wort, nachdem es sogar Aussprachehilfen dazu gab, zum Markenzeichen für österreichische Weine – es ist also durchaus möglich in einem Nieschenmarkt, wie dem für Weine aus der Steiermark auch mit noch selteneren Sorten eine eigenes Markenzeichen zu schaffen – während Sauvignon Blanc doch eher immer in Frankreich angesiedelt oder auf dem Massenweinsektor der aus der Neuen Welt importierten Billigweine wahrgenommen werden wird.

    Die Gruppe der Weinkonsumenten, die ihren Wein nach dem Rebsortennamen auf dem Etikett kauft und dabei wechselnden Moderichtungen folgt, ist wohl nicht die, auf die ein Nischenwinzer aus einer Gegend setzen sollte, in der es sinnlos wäre, auf billige Massenproduktion zu setzten, da die Produktionskosten nie konkurrenzfähig wären.

    Und dass er auch noch Spaß bei der Arbeit hat, merkt man bei Gottfried ja auch:-)!

  2. Sehr wahr, liebe Iris! – Das wäre ja schon fast ein neuer Artikel gewesen! 🙂
    Ich denke auch, dass ganz unabhängig von chinesischen und sonstigen neuen Märkten, die natürlich auch auf die Erzeugerpositionen Einfluss nehmen, sich eine immer weiter ausdifferenzierte Marktlandschaft für Nischenprodukte und Liebhaberweine entwickeln wird – hoffentlich nicht zulasten des Kunden des sicherlich keinen Fan von unübersichtlichen Wein merken sein wird!

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