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Trollinger – ein Missverständnis auf Schwäbisch?

Missverständnisse und Vorurteile zur WeinRallye #107

Zur Weinrallye #107 geht es um Vorurteile in Sachen Wein und natürlich darum, dass ein oder andere vielleicht auch auszuräumen oder zu überwinden. Vorurteile zurechtstutzen. Gut, da wäre der Dornfelder… und halbtrocken als Höchststrafe. Aber man kann meines Erachtens nach aus den meisten Rebsorten etwas Anständiges und Trinkbares machen, auch wenn kein großer Wein daraus wird. Trollinger – ein Missverständnis auf Schwäbisch? Wir machen es uns also nicht ganz so leicht und nehmen eine Rebsorte, die außerhalb ihres Stammlandes in Württemberg kaum geschätzt oder getrunken wird, sieht man einmal von der italienischen bzw. Südtiroler Spielarten Schiava Grossa oder Vernatsch ab. Logo zur Weinrallye 107 Vorurteile zurechtstutzen

Trollinger – der Beaujolais der Schwaben?

Vielleicht nicht ganz. Beide haben zwar durch die Art ihrer Vermarktung ihre Region nachhaltig geprägt und – wenn man böse ist – nachhaltig beschädigt, aber während es auf der einen Seite immerhin Beaujolais Cru, z.B. aus Morgon gibt >hier mehr dazufehlt ein wirkliches Cru-Pendant aus Württemberg. Und das unabhängig davon, ob man die Rebsorte nun grundsätzlich verachtet oder von den durchaus beachtlichen Geschöpfen am oberen Ende der Qualitätspyramide schlicht nichts mitbekommen hat… ich bin jedenfalls gespannt, ob sich bspw. der“ohne alles“-Trollinger SINE aus dem Fellbacher Lämmler von Aldinger zu einem Geheimtipp mausern wird. Spannend klingt das allemal: Spontane Ganztraubengärung, ungefiltert, ohne Schwefelung…

Klischees gefällig?

Trollinger – ein Missverständnis auf Schwäbisch? Ein Bierdeckel für Kenner?

Kenner trinken Württemberger/ Henkelbecher/ Theodor Heuss/
Trollinger halbtrocken/ mit Lemberger/ Schorle rot süß/
Genossenschaftswein aus der Literflasche/ WZG /
zum Schlotze zu gschmälzte Maultäschle oder Zwiebelkuchen, Tellersulz oder sauren Kutteln.

Trollinger – ein Missverständnis auf Schwäbisch?

Nichts gegen Maultaschen, Saure Kutteln oder Tellersulz. Vorurteile scheint es aber genug zu geben, ein gekürzter Auszug zur Diskussion vor dieser WeinRallye von der Facebook Seite ist Anlass genug für diesen Artikel:Trollinger Bierdeckel II. mit Beschreibung

Der Priorat – Hammer Torsten Hammer schrieb neulich „Erstmalig in meinem Leben halte ich eine Flasche Trollinger in meinen Händen“
#WR107Vorurteilezurechtstutzen

Jürgen Kling Nur vermischt mit Lemberger trinkbar 😉

Frank Seiffarth Bin im Trollingerland, bei älterem Verwandten … der würde trockenen Trollinger wegschütten … ?

Jürgen Kling Im besten Fall sind Trollinger trinkbar, es soll aber Viertelesschlotzer geben, die nur so etwas trinken 😉

Frank Seiffarth Hatte gestern Trollinger … mit viel Frucht und leichtem Zuckerl … war nett. Ich habs überlebt! ??

Martin Nka #notrollingerplease

[…]Trollinger – ein Missverständnis auf Schwäbisch? Ein Shirt für Kenner, nicht nur aus Württemberg :-)

Zahlen bitte.

Immer noch stehen am Neckar und seinen Nebenflüssen teils in den besten Steillagen erstaunlich viele Trollinger-Rebstöcke. Mit 19,6 % bzw. 2.245 ha bestockter Rebfläche in Württemberg liegt der Trollinger knapp vor dem Riesling, allerdings liegen die roten Qualitätsrebsorten Lemberger, Schwarzriesling/ Pinot Meunier und Spätburgunder ebenfalls bei über 10 %. Der Trollinger verliert seit Jahren an Anbaufläche, während Lemberger und Spätburgunder zulegen. Viele halten gerade den Lemberger aka Blaufränkisch inzwischen für eine der aussichtsreichsten roten Rebsorten für den Qualitätsweinbau, und zwar nicht nur im Ländle.

Weinbau in Württemberg - Bestockte Rebflächen und Rebsorten 2015

Fragen an die Expertin

Logo Aromakost in LudwigsburgAber fragen wir doch mal eine Expertin aus dem Weinhandel, die sich nicht nur mitten in der barocken Residenzstadt des Schwabenlandes befindet, sondern sich auch bestens mit Klischees, Vorurteilen in Sachen Wein und natürlich mit Trollinger auskennt:
Birgitt Mockler von Aromakost in Ludwigsburg.

Birgitt, neben Trollinger – muss man sich viel mit den Vorurteilen der Kunden rumschlagen und diese zurechtstutzen oder verkauft man halt, was getrunken und nachgefragt wird?

» Das ist bestimmt für viele so genau richtig.  Es kommt darauf an, was man denn verkaufen möchte und verkaufen kann. Mann und Frau verkauft oft erst einmal was so getrunken wird, müssen wir alle irgendwie. Die kleine Lücke, die zum Glück bleibt – diese sollte jeder so nehmen, wie er kann, um Individualität, Kreativität, Neugierde, Differenzierung und Begeisterung an den Kunden zu bringen. Und ja, man muss sich mit Vorurteilen der Kunden und dem Trollinger „rumschlagen“, selbst hier im Schwabenland. «

Auch du verkaufst sicher mehr europäische und internationale Rotweine als Trollinger, obwohl du ja quasi im Ländle-Zentrum bist…

» Das ist richtig und traurig zugleich, denn wir hier lieben das Motto: kauf Du bei mir und ich bei Dir, buy local oder heimatverbunden und oftmals haben wir die schönsten Dinge vor der eignen Haustüre, und lernen dieses Heimatgefühl oftmals erst in der Ferne kennen. «

Wird er unterschätzt? Ist Trollinger ein schwäbisches Missverständnis und wird völlig falsch getrunken?

» Unterschätzt sicherlich. Der Trollinger hat seine Berechtigung, er wurde in der Vergangenheit oftmals als Missverständnis gesehen, da wir diesen Wein falsch interpretieren. Falsch getrunken wird er allemal. «

Ist Trollinger überhaupt ein Rotwein?

» Ja, unser Trolli ist ein Rotwein! 🙂 Es kommt natürlich auf die Definition von Rot an. Rotwein ist für viele eher dunkelrot, violett bis fast schwarz, kräftig mit mehr oder weniger Frucht, leichtem Tannin und ein bisschen schwer. Das bringt mich immer ein klein wenig zum Schmunzeln, denn unsere Kunden stöhnen oftmals, wenn die Weine mehr als 14% Alkohol beinhalten und zuviel Tannin haben. Hier wissen wir natürlich alle, dass Klimaerwärmung, Anbau, Rebsorten, Ausbau, Terroir, Vorschriften für Reserva-Qualitäten zum Anstieg des Alkoholgehalts führen.  Im Grunde haben wir mit Trollinger ja schon etwas in der Flasche, den Wünschen einer großen Kundengruppe zusagt, also geringerer Alkoholgehalt, leichter und fruchtig.

Aber Trollinger? – „Oh Gott!“

Dabei hat doch jedes Land seine eigene „Trollinger-Variante“: Einen Wein für jeden Tag, Brot&Butter -Wein, Schoppenwein – leicht, fruchtig, süffig und man kann den auch mal gekühlt trinken. Tinto in Spanien, Vernatsch in Südtirol, Beaujoulais in Frankreich, Blauer Wildbacher in Österreich und viele mehr. Wenn wir hier eine SWOT-Analyse machen würden, wäre der Trollinger gar nicht so schlecht dran. «

Woran liegt es? Vermarktung?

» Sicher auch am Handel sowie trauriger und respektloser Vermarktung. Verstehen tue ich das nicht: einerseits wollen alle lokal, heimatverbunden, Slowfood-orientiert sein, leben tun wir das jedoch nur so, dass der Spiegel in die Gesellschaft immer lächelt. «

 Gibt es richtig guten Trollinger, Trollinger Cru?

» Ja klar gibt es richtig guten, nicht nur einen. Es kommt darauf an, was man will. Spontan gefallen mir gerade folgende:

Trollinger – ein Missverständnis auf Schwäbisch? - ein paar Flaschen

Reichen alte Reben und Mengenreduzierung aus oder brauchen wir andere Methoden?

» Trollinger reift sehr spät und wird dann oftmals zu schnell geerntet.
(Stichwort Maischeerhitzung –  durch Erwärmung intensivere Extraktion von Phenolen aus den Traubenschalen, gerade auch bei schadhaftem Traubenmaterial)
Oftmals steht der Trollinger noch in den Herzstücken der einzelnen Weinlagen und wird teilweise recht lieblos behandelt bzw. sukzessive ersetzt durch andere Sorten, die vielversprechender sind. Mengenreduzierung ist schon mal ein Anfang, Regulierung der Höchstzulassungsmengen für Erzeuger ein weiterer hilfreicher Schritt. Kontrolle und Pflege im Weinberg ein weiterer. Höhere Prädikate sind selten und werden auch nicht unbedingt benötigt, da wir sonst wieder verzweifelt versuchen, den Rotwein darin zu finden. «

Oft wird er viel zu warm getrunken, ich sehe ihn eher im Bereich eines feinwürzigen Rosé…

» Wir lieben unsern Trollinger am liebsten leicht gekühlt, das machen auch andere wie die Spanier, Italiener, Portugiesen, Österreicher mit Ihren Brot&Butter-Rotweinen für jeden Tag. Ansätze hierzu gibt es unheimlich viele. Persönlich denke ich, dass wir zuerst einmal definieren müssen, was Trollinger ist, kann und soll, dann kann man die Ansätze im Weinbau festlegen. «

Aus der Reihe „betreutes Trinken“

Welche Weine empfiehlst du für Anfänger und welche für Fortgeschrittene?

» Etwas Unkompliziertes mit viel Spaß im Glas? Eher wie ein Rosé zu trinken, gut gekühlt und ein spaßiger Terrassenwein:

Eher Fortgeschritten:

Vielen Dank, Birgitt!

Ein kurzes Fazit

Die Schwaben machen es einem nicht immer leicht, sie zu mögen. Man muss den Trollinger auch nicht mit High-End Pinot Noir aus dem Burgund vergleichen, um ihm seine Daseinsberechtigung zuzugestehen. Meine Lieblingssorte wird er auch nicht, auch nicht aus dem Ländle, denn das ist der Lemberger (–> die Liste!).
Mit fortschreitender „Altersmilde“ schätze ich ihn aber durchaus als vielseitiger und unkomplizierter Speisebegleiter oder auch einfach mal wie/statt Rosé. Dort schaut auch kaum jemand auf die Rebsorten, gut gekühlt darf’s auch einfach mal runterlaufen, gerne zum Gegrillten, ohne sich vertieft mit Aromenprofil-Neurosen befassen zu müssen. Es ist ein ROT-Wein, eher noch zum Rosé tendierend, kein Blauer oder Schwarzer. Man muss ihn auch nicht ins Barrique legen. Man sollte ihn kräftig zusammenschneiden und nicht zu speckig-marmeladig werden lassen. Maischeerhitzung? Ach lassen wir das einfach… Gesundes, ertragsreduziertes Lesegut, traditionelle Maischegärung, große Eichenholzfässer, alte Reben – da kann schon etwas sehr Anständiges bei rauskommen! Das Ganze noch dezent gekühlt – Passt. Keine Missverständnisse mehr.

Ned gschompfa isch globt gnuag! Bröschderle!

Die Zusammenfassung der #107ten Rallye findet sich HIER mit allen Teilnehmer-Beiträgen.

 

Die Vielfalt war ein Vergnügen, der Erkenntnisgewinn beträchtlich und deren wichtigste Essenz lautet:
„WIR BRAUCHEN EINEN TROLLINGERKONTEST.“

Zum Thema Trollinger @Torsten Hammer bei der Weinrallye #107 – Vorurteile… trollig und zurechtgestutzt

  • Weingut Aldinger; Fellbacher Lämmler Trollinger “Gipfelstürmer”; Würtemberg; 2015
    « Ich glaube, ich hätte da jetzt gerne ein Steak dazu. »

 

 

Zahlen/ Quelle: Statistisches Bundesamt / Federal Statistical Office (Destatis); De u t s c h e r We i n  S t a t i s t i k  2 0 1 6 / 2 0 1 7

Ein Kommentar

  1. W. S.

    Das Problem beim Trollinger ist weniger die Rebe, sondern der Winzer. Die Sorte beansprucht sehr gute Lagen und ist dennoch schwer zur vollen Reife zu bringen. Daher wird er oft mit kaum 70° Oechsle zu früh geerntet, verkocht und mit viel Zucker aufgeblasen. Es entsteht dann eine blasse, süssliche Brühe mit 13% Alkohol und nennt sich auch noch „trocken“.

    Würde man die Trauben doch nur länger stehen lassen und halt auf ein paar Beerle verzichten. Dann voll vergären, trocken ausbauen und mit 11,5 – 12,0 % zufrieden sein. Das steht der Traube gut zu Gesicht und so bekommt sie Ihren allerbesten Auftritt im Glas.

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