Sommer, Sonne Ballermann?
Mit den Balearen verbinden wir Deutschen vor allem eines: Sommerurlaub! Darüber hinaus verknüpfen sich mit den spanischen Mittelmeerinseln allerhand Vorurteile, vor allem bei denen, die noch nie dort gewesen sind. Neulich verkostete Hendrik Thoma von TVino einen Rosé von der Nachbarinsel Ibiza – „die Partyinsel“ schlechthin hat in manchen Kreisen mit Klischees zu kämpfen: Schaumpartys, Tekkno und pillenschmeißende Teenies & bleiche oder gerötete Briten, die sich dauernd ausziehen…
Für die Nachbarinsel Mallorca gelten ähnliche Meinungsbilder in leicht abgewandelter Form – hier gesellen sich Sangria aus Eimern mit langen Strohalmen und grölenden Menschenmassen am Ballermann und beim Ausnüchtern am Strand zum Urlaubsbild, dabei werden auch hier durchaus beachtenswerte Weine angebaut, die nur zögerlich auch außerhalb der Region einem breiteren Publikum zur Kenntnis und ins Glas gelangen.
Überhaupt haben die Balearen wie die meisten Mittelmeerregionen eine jahrhundertelange Weinbautradition, die zunächst durch Phönizier, Griechen und Römer geprägt wurde, sich später dann verselbstständigte und zumindest auf den Balearen einerseits Verwandtschaften zu den hispanischen Katalanen und denen aus dem Roussillon aufweist, aber eben auch eigenständige Charakterzüge und autochthone Rebsorten hervorgebracht hat. Die wechselhafte Geschichte des mallorquinischen Weinbaus ist gerade auch von dieser Konkurrenz und Verwandtschaft mit den katalanischen bzw. südfranzösischen Weinregionen geprägt und nicht nur die Reblaus-Katastrophe spielte hierbei eine Rolle…
Die wichtigste Region Mallorcas für den Weinbau ist das Örtchen Binissalem, aus welcher auch die ersten durch die Ursprungsbezeichnung „Denominación de origen“ geschützten Weine der Insel stammten. Die auf eine maurische Siedlung zurückgehende Gemeinde Binissalem liegt quasi mitten in der Insel zwischen Palma und Alcúdia an der Autobahn Ma-13. Noch zum Ende des 19. Jahrhunderts besaß die Region noch ca. 20.000 Hektar Rebfläche. Davon sind heute noch 1200 Ha verblieben, dafür hat sich der Anteil am Qualitätsweinbau in den letzten Jahren deutlich verstärkt.
Schwarze Seele
Der derzeit wohl unumstrittene Star am Weinhimmel Mallorcas ist die
Bodega Anima Negra
Gegründet im Jahr 1994 genießt die Kult-Bodega einen Ruf, der weit über die Balearen bis hin zu uns in den Norden gehallt ist. Die Erzeugnisse der „Schwarzen Seele“ landen trotz geringer Produktion seit Jahren immer wieder unter den hoch- und höchstgoutierten Weinen Spaniens. Ànima Negra ÀN/1 ist der Hauptwein des Weingutes, Son Negre das Topsegment und wohl der bekannteste der ÀN/2 –
Ein erstklassiger Zweitwein
Eine Assemblage aus 65% der autochtonen mallorquinischen Sorte Callet, 20% Manto Negro und Fogoneu, sowie 15% Syrah. 13 Monate in 70% französischen und 30% amerikanischen Barriques gereift, wovon ein Drittel jedes Jahr erneuert werden. Gelesen von Hand in 10kg-Kisten. Gärung bei 28°C in Edelstahltanks mit 7000 bis 10000 Litern, Mazeration: ca. 17 Tage, Malolaktische Gärung in Edelstahlfässern.
Alkoholgehalt: 13,5% Vol., PH: 3,58
Tiefes Dunkelrot im Glas, Himbeer und überreife Schwarzkirschen in der Nase, druckvoll, breit und dennoch elegant am Gaumen, fruchtig ohne marmeladig zu sein. Dunkle reife Beeren, etwas Tabak und Schokolade, sehr stimmig mit der Zeit, die man ihm aber nach dem Öffnen auch geben sollte. Die zweite Flasche wurde dekantiert und anständig lange gelüftet… es lohnt sich, kommt alles noch etwas geschmeidiger und stimmiger daher.
Wer auf Bewertungen steht: Parker 91 Punkte Jg. 2005, 91 Punkte im Guia Penin 2011 für den AN/2 2008
Autochthon und gut Holz
Nicht nur ein Schlagwort, sondern als Respekt vor der Geschichte und zur Erzeugung individueller Weinpersönlichkeiten mit Charakter – so lautet in eigener Darstellung die Ausrichtung des Weingutes mit Schwerpunkt auf autochtonen Rebsorten wie der Callet und Matonegro-Fogoneu und Prensal, um die man sich besonders bemüht, sowie unterstützt von südlichen Klassikern wie Syrah. Man arbeitet mit französischen wie amerikanischen Barriques und lässt sich neuerdings auch entsprechend von renommierten Fassherstellern beraten.
Allerdings würde ich mir persönlich beim AN/2 etwas weniger neues Holz wünschen oder doch andere Fässer? Möglich, dass sich da schon bei den neueren Jahrgängen etwas geändert hat. Vielleicht auch eine Füllung ganz ohne amerikanische Eiche – weniger ist mehr, auch beim Fass! Ein Vergleich wäre jedenfalls spannend… Und falls dann die unergründliche Tiefe und Schönheit der schwarzen Seele in neuem Glanze erstrahlen mag – um so besser!
Fazit: Ein lohnender balearischer Charaktertropfen, gaaanz weit weg von El Arenal!
Zur Bodega Anima NegraErhältlich z.B. bei Amadoro.de für 13,30 €