LIMOUX.
Dorit Schmitt hat für CHATEAU et CHOCOLAT Ende Oktober 2017 ein überaus lesenswertes Champagner-Spezial zusammengestellt und auf issuu.com veröffentlicht. Darin gibt es nicht nur über 70 Rezepte zur Begleitung von allerlei Schaumweinen von Crémant über Winzersekt und Franciacorta bis hin zum Edelprickler aus der Champagne, sondern auch einen Artikel von mir über die Schaumweine aus dem Limoux im Languedoc. Weniger bekannt, gerade in Deutschland, aber eine Entdeckung wert. Gerade zum Essen.
Hier geht’s zum gesamten Special-Heft bei issuu.com. Mein Artikel entweder dort direkt ab Seite 48f. oder zum hier Lesen auf Baccantus.de.
https://issuu.com/aromenspiele/docs/1017_tok_issuu
Limoux schäumt und prickelt seit Jahrhunderten.
Eine halbe Stunde SüdSüdWest von der berühmten Festungsstadt Carcassonne liegt das Städtchen Limoux. Mit knapp über 10‘000 Einwohnern eher Geheimtipp als Tourismus-Hochburg in Südfrankreich ist es dennoch weltbekannt, zumindest in der Welt der Schaumweine.
Terroir d’Autan / terroir méditerranéen / terroir océanique / terroir Haute Vallée.
In der westlichsten Languedoc-AOC wird neben den eher unbedeutenden 316 Hektar an Stillwein eine Vielfalt an Schaumweinen auf 1.484 ha und vier unterschiedlichen Terroirs AOC LIMOUX erzeugt, die von unterschiedlichsten Böden und Wettereinflüssen der kühlenden Pyrenäen und der nahen Meere geprägt sind. Wie auch in der benachbarten Appellation Malepère ist hier neben dem Mittelmeer eben auch schon der Atlantikeinfluss zu spüren.
Die Trauben im Limoux wachsen auf den höchsten Weinbergen des Haute Vallée de l‘ Aude in einer Höhe von bis zu 500m. Die Temperaturen liegen damit im Durchschnitt 2 bis 3°C unter denen des Languedoc bei ausreichenden Niederschlägen (bis 900mm/Jahr). Heiße Tage und kühle Nächte und eine Verzögerung der Ernte um bis zu einen Monat führen zu haltbaren Weinen bei hohem natürlichen Säuregehalt, welcher für die Schaumweine essentiell ist und im wärmeren Flachland an der Küste so nicht zu erzielen ist.
Der erste Schäumer
Schon weit vor dem Champagner, vor Cava und Prosecco schäumte es in Limoux.
Die AOC ist stolz auf ihre Tradition und rühmt sich als Geburtsort des ersten Schaumweins der Welt, dessen Existenz nachweislich schon 1544 n.Chr. urkundlich erwähnt wurde. Wohl durch Zufall erfunden stellten schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Mönche der Abtei St. Hilaire einen halbsüßen Schaumwein aus Blanquette, dem okzitanischen Wort für die weiße Mauzac-Traubensorte, her. Die durch die sekundäre Gärung entstandenen Bubbles galten vielerorts noch bis weit ins 18. Jahrhundert als Weinfehler, allerdings ein recht erfolgreicher Fehler. Zunächst galt es jedoch, das entstandene Kohlendioxid zu bändigen und explodierende Flaschen zu verhindern.
Blanquette / Méthode Ancestrale / Crémant
Die ersten Ursprungsbezeichnungen der Blanquette de Limoux gehen auf das Jahr 1929 zurück, während man 1990 zusätzlich die Regeln für den moderneren AOC Crémant de Limoux aus Chardonnay, Chenin und Mauzac und Pinot Noir festlegte. Inzwischen ist der Crémant populärer als die historischen, vom Mauzac geprägten Sparkling-Varianten der Blanquette.
Während die Region und ihre Schaumweine zwischendurch ziemlich in Vergessenheit geraten waren und nach Erzählung einiger prominenter Produzenten die Qualitäten bis hin zum Ende des Jahrtausends „weniger rühmenswert“ waren, hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Man exportiert viel in die USA und nach Australien, wie man bei der größten Erzeugergemeinschaft Sieur d’Arques berichtet. In Übersee werden nicht nur der frischere Crémant, sondern auch die süßeren und stoffigeren Blanquette-Varianten sehr geschätzt.
Ein paar Zahlen:
8,9 Mio. Flaschen werden jährlich erzeugt, das sind 5 % der gesamten Französischen AOC-Schaumweine.
Über 33 Mio. € Umsatz werden erzielt.
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Blanquette de Limoux : 31.414 hl
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Blanquette Méthode Ancestrale : 5.334 hl
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Crémant de Limoux : 45.493 hl
Die Unterschiede im Detail:
Blanquette de Limoux: Mauzac (Mindestanteil 90 %), Chenin und/oder Chardonnay
Blanquette Méthode Ancestrale: 100 % Mauzac
Crémant de Limoux: Chardonnay (Mindestanteil 50 %), Chenin (Anteil zwischen 10 und 40 %), Chardonnay und Chenin (Höchstanteil 90 %). Zusätzliche Rebsorten: Mauzac + Pinot Noir (Höchstanteil 40 %), Mauzac (Höchstanteil 20 %).
Stillweine: Auch die AOC Limoux bietet Rot- und Weißweine ohne Bubbles.
In Weiß meist aus dem Holzfass und aus den Sorten Chardonnay, Chenin und Mauzac oder als Verschnitte derselben. Gérard Bertrand beispielsweise erzeugt auf der Domaine de l’Aigle einen reinrassigen Chardonnay, der sich wirklich sehen lassen kann. Ich hatte ihn im Mai hier bei der Chardonnay #WeinRallye #110 besprochen.
Der Rote Limoux muss neben Merlot zwei weitere Rebsorten enthalten: Cot (Malbec) und/oder Syrah, Grenache, Cabernet Franc oder Cabernet Sauvignon. Der Pinot Noir scheint komplett für den Crémant verwendet zu werden, wo offenbar höhere Preise erzielt werden.
Erzeuger und Empfehlungen
Bekanntester Erzeuger und mit 1804 ha Produktionsfläche der Platzhirsch ist die Erzeugergemeinschaft der Vignerons du Sieur d’Arques. Neben den drei Schaumwein-Varianten aus Limoux stellt man inzwischen auch Stillweine aus Chardonnay, Chenin oder Pinot Noir her. Besonders gut gefallen hat mir hier der Crémant Toques & Clochers Edition Limité Brut sowie der Crémant Blason Rouge Brut. Beide 70% Chardonnay, 20% Chenin, 10% Mauzac, beide in Méthode traditionelle vinifiziert. Auch der Crémant de Limoux Aimery „Grande Cuvée 1531“ Brut AOC gefällt mit angenehmer Säure und feinen Bubbles, Akazienhonig, reife Birnen und weißen Blüten.
Achzehn Jahre Feinhefe??
Vielleicht das Beste in Sachen Fines Bulles, dass ich im Limoux in den letzten Jahren verkosten durfte, kommt von der Domaine Delmas aus Antugnac. Bernhard Delmas ist nicht nur seit langem überzeugter Bio-Winzer, sondern produziert auf höchstem Niveau die elegantesten und feinsten Crémants. Seine ultra rare Cuvée an 2000 aus dem Lesejahr 1998, die erst nach 18 (!) Jahren auf der Feinhefe auf den Markt kam ist einfach over the top großartig, oder sagen wir so – ich hatte schon schlechteren Jahrgangschampagner. Alles bekommt hier seine Zeit. Ein eher erhältlicher Hochgenuss ist der Delmas Cuvée des Sacres Brut, Crémant de Limoux. Chardonnay 60%, Chenin Blanc 30%, Pinot Noir 10% sowie die Cuvée Passion. Eine minimale Versanddosage macht das Ergebnis unglaublich federnd frisch. Auch die Blanquette-Creationen aus dem Hause Delmas gehören zur Spitze im Limoux, hier besonders die Cuvée Mémoire aus Mauzac und Chardonnay (2011). Hier werden alle Grundweine im Eichenholzfass ausgebaut, eine Reminiszenz an die Methoden der Großvätergeneration, wo noch mit lokalen Kastanienholzfässern gearbeitet wurde.
Auch in Deutschland vielerorts erhältlich sind die Weine des Familienbetriebes Maison Antech. In der sechsten Generation werden hier in Limoux sämtliche Spielarten von Fines Bulles erzeugt. Gr0ßartig die Grande Cuvée Antech Brut von 2010, Héritage Antech Brut von 2015. Die sympatische und umtriebige Winzerin Francoise Antech Gazeau ist von der Zukunft der traditionellen, Mauzac-geprägten Varianten überzeugt und die Antwort kommt aus der Flasche:
2014 Blanquette de Limoux Réserve Brut. Läuft.
Weitere gute Erzeuger:
Gérard Bertrand (der kräftig dunkelrote Code Rouge sowie insbesondere der elegante lachsfarbene Crémant Rosé de Limoux aus Chardonnay, Pinot Noir und Chenin Blanc) Les Domaines Paul Mas (Rosé Prima Perla), Calmel & Joseph, Société Vins Robert, Domaine Rosier, Château Rives-Blanques, Domaine J. Laurens.
Limoux schäumt und prickelt wozu?
Zum Essen. Überhaupt – egal ob Crémant oder Blanquette, diese Weine sind zum Essen gemacht, nicht zum krampfigen Nippen aus langen Gläsern an Silvester. Zum Apfelkuchen, Brioche, Weihnachtsgebäck. Zu Pasteten und zur Kürbissuppe. Die kräftigeren Blanquette-Varianten passen problemlos auch zum Fisch oder zum Grillabend. Zur Brüllkreme oder Crème Catalane. Zum altdeutschen Apfelkuchen.
Unbedingt versuchen: Eine Blanquette Brut zur Tarte Tatin, gerne auch in der Variante mit Birnen!
Cheers, Santé und Prosit!