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Dicke Buddeln, BiBs und Papier

Size matters. Gewicht aber auch. Und zwar nicht nur, was die gewichtsbedingt höheren Transportkosten betrifft, die ganze CO2-Bilanz bzw. neudeutsch der Carbon Footprint wird durch schwerere Materialien auch bei Getränkeverpackungen negativ beeinflusst.

Sowohl die Herstellung der schweren Glasflaschen belastet die Umwelt, (Schmelzenergie, Rohmaterialien etc.) als auch der Transport. Dass durch die Schwergewichte in den LKW auch die Straßen verstärkt in Mitleidenschaft gezogen werden, sei dabei nur am Rande erwähnt.

Eine durchschnittliche Weinflasche wiegt zwischen 460 und ca. 750g, was im Einzelfall aber auch durchaus mehr sein kann. Gerade im Premiumbereich und beim Champagner gelten die schweren als die edleren Flaschen, was auch viele Konsumenten bestätigen werden: was Gewicht hat, taugt. Das ist natürlich reine Psychologie…

Aber nicht nur im Bioweinbereich setzt ein Umdenken ein, auch die Champagnerhäuser setzen vermehrt auf leichtere Flaschen, und das sicher nicht nur aus Umweltschutzgründen. Während beim edlen Schaumwein der Druck in der Flasche noch eine entsprechend starke Flasche voraussetzt lässt sich dies aber gerade auch bei normalen Weinen deutlich reduzieren.

Schon seit Jahren gibt es Bestrebungen der Getränkeindustrie, Alternativen zur klassischen Glasflasche zu finden. Der allgemein (Milch, Saft etc.) erfolgreichste ist der Getränkekarton, der allerdings im Weinbereich nur im „Unter-Kniehoch-Segment“ für die billigsten Tropfen eingesetzt wird.

Bag in Box

Populärer ist dabei die BiB-Verpackung, also der Bag-in-Box. Hierbei werden z.B. 3-, 5- oder 10-Liter-Gebinde Wein in einen Kunststoffbeutel aus Folienverbundmaterial, etwa Alu-beschichtetes Polyethylen gefüllt, der dann durch einen meist eckigen Karton geschützt wird. Ich habe aber auch schon einen deutschen Riesling in einer sehr schönen runden 3-Literpackung gesehen… Diese wird dann entsprechend gestaltet und etikettiert in den Markt gebracht. Auf diese Weise lassen sich erheblich mehr Liter Wein auf einer Europalette transportieren und präzise stapeln.
BiBs laufen zwar nicht in allen Handelssegmenten gut, aber sowohl Jacques Weindepot als auch die Metro verkaufen sie seit langer Zeit sehr erfolgreich. Auch die Projekte www.hauswein.de und eine der weitere Spezialisten zollen der zunehmenden Beliebtheit der alternativen umweltfreundlicheren Verpackung Rechnung. Auch die 10 EUR Krisen-box.de von Wein & Vinos mit 3l Biowein ist dabei einfach konsequent:
Bio-Weine aus zertifiziert ökologischem Anbau werden obendrein umweltfreundlich verpackt, das spart Gewicht, Treibhausgase und natürlich auch Kosten… ach ja: das Thema Abfall vergisst man dabei auch schnell und auch hier sieht die Bilanz der Weinkiste sehr anständig aus.

Derzeit werden gerade in Deutschland BiB-Verpackungen oft noch für einfachere Trinkweine verwendet, die sich besonders für den offenen Ausschank in der Gastronomie sowie Grillfeste oder Partys anbieten. Dabei würden sie sich aufgrund der Sauerstoff-geschützten Aufbewahrung allerdings auch für höherwertige Weine eignen, sofern diese innerhalb von ca. drei Monaten nach Anbruch verbraucht werden. (Je nach Wein sind aber auch deutlich längere Lagerzeiten nach Anbruch denkbar… ich hab‘s probiert. Gerade jetzt… ).

Designtechnisch lassen sich auf den großen Flächen der Umkartons natürlich auch entsprechend gestalten, ob nun mit nackter Haut oder Graphikdesign oder auch die Präsentation auf Zapfständern oder inklusive Kühler – für BiBs wurden sogar eigene Kühltaschen zum Mitnehmen erfunden!

PET-Wein

Seit einigen Jahren haben allerdings auch PET-Flaschen als Alternative zu den Glasflaschen verbreitet, auch wenn diesen sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern in Bezug auf Wein mit großer Skepsis und Ablehnung gegenüber getreten wird. Neben dem Billig- Image gehören dazu auch Argumente mit gänzlich anderen Hintergrund. Da sie nicht gasdicht sind, ist eine Diffusion von Kohlendioxid und Sauerstoff möglich, die nicht nur die Haltbarkeitsdauer der abgefüllten Getränke, sondern auch deren Veränderung und Qualität beeinträchtigen kann.
Ob dies in Bezug auf Wein als Füllmaterial schon untersucht wurde, entzieht sich meiner Kenntnis, Langzeitstudien, die sich mit der Frage befassen, wie sich die im Wein gelösten Säuren auf den Kunststoff auswirken und welche Wechselwirkungen dadurch entstehen können, dürfte es noch keine geben.

Neben Acetaldehyd und Antimon enthält PET (Polyethylenterephthalat) auch noch östrogenartige Substanzen. Ob diese durch das verfüllen von Wein statt Wasser und eine längere Lagerung verstärkt abgegeben werden, ist ebenfalls unklar, erscheint aber nicht unwahrscheinlich.

Pappwein, äh, Papierflaschen für Wein? Das Allerneuste…

Jetzt auch noch Papierflaschen? Diese neue Erfindung von Martin Myerscough kommt aus dem Südwesten von England. Nach einer erfolgreich eingeführten zweiteiligen Milchflasche GreenBottle, die sich ähnlich einem Mini-BiB in einen Folien-Innenteil und einer stabilisierenden Hülle aus Karton teilen und getrennt entsorgen lässt, sieht diese neuste Erfindung der Form nach aus wie eine handelsübliche Flasche, besteht aber aus einer beschichteten Folie innen und einer Hülle aus Pappmaschee außen…

Das Bag-In-Box-System wird so zur Bag-in-Bottle.

Der Innenteil mag zwar (noch) nicht so ganz einfach zu rezyklieren sein, die Gewichtsersparnis ist jedoch enorm: Bei 55g verglichen mit den ca. 500g (+/- x, s.o.) der Durchschnittsglasflasche kann man sich vorstellen, dass sowohl Herstellung als auch Emmissionen durch Transport etc. deutlich niedriger liegen, man geht derzeit von ca. 10% aus.

Das Abfall-Aufkommen würde jedenfalls durch eine entsprechend gehäufte Verwendung ebenfalls zurückgehen, man denke an die Fahrten mit dem Auto zum Glascontainer und zurück… wieder weniger gefahrene Kilometer und verbrauchter Sprit. Allerdings lässt sich auch die Produktion der verwendeten Materialien sicher noch umweltfreundlicher gestalten, aber in jedem Falle ein guter Anfang und eine feine Idee.

Mülltrennung und Vermeidung weitergedacht: Nachdenken über umweltfreundlichere Verpackungen sowie Beschaffung, Transport, Herstellung und Entsorgung derselben ist jedenfalls ein lohnendes Geschäft für alle Beteiligten, denn es lässt sich damit offensichtlich auch bares Geld einsparen. Und umsetzen: Erfinder und Unternehmer Myerscough hofft, dass sich der wachsende Erfolg mit den bereits eingeführten GreenBottle-Milchflaschen auch mit der grünen Weinflasche wiederholen wird. Trotz Wirtschaftskrise hat er die kleine Firma ohne Hilfe von Britischen Banken aufgebaut, nur mit Privatinvestoren und EU-Bürgschaften. Er zeigt aber auch, dass man mit guten Ideen, Willen und Kontaktaufnahme mit den richtigen Unterstützern auch in Krisenzeiten und auch ohne Bankenhilfe als Kleinunternehmer erfolgreich sein kann. Interesse an den Leichtflaschen wird schon seitens der Supermärkte und auch von einigen größeren Weinproduzenten angemeldet – man darf gespannt sein, wann die ersten hierzulande gesichtet werden. Das Zeug zum umweltfreundlichen Exportschlager hat die Papierflasche jedenfalls – ob sie der Weinhandel und der Kunde akzeptieren wird, bleibt noch abzuwarten.

Aufreißen statt Entkorken: Eins ist jedoch sicher: Das „Plöpp-Erlebnis“ inklusive anderer vertrauter Zeremonien und Gewohnheiten fällt beim Öffnen alternativer Weinbehältnisse wie der Papierflasche oder auch der BiB natürlich weg, es bedarf also der Begründung neuer Rituale…

Alle Bildrechte bei den Besitzern, bitte beachten!
 

Aus dem Shirtshop von Baccantus…