Zur Weinrallye #95 – Wein & Speise stellte Ausrichter „Einfachwein.net“ viele Fragen in die Runde, deren Beantwortung ein ganzes Buch füllen könnten und doch keine umfassend zufriedenstellende Auskunft geben würden. Neudeutsch nennt sich das komplexe Thema „Wine & Food Pairings“.
Gibt es die perfekte Verbindung?
Keine Ahnung. Perfektion wird ohnehin überbewertet, aber im Zweifel passt Champagner. Oder eben Sherry.
Und täglich grüßt das Murmeltier und fragt nach dir: Was trinken wir?
Mir egal, ich hab Rücken. Fest steht: zu Paracetamol sollte man keinen Alkohol trinken, also nimmt man keins. Ein Nichtsaures Nicht-Opioid-Analgetikum mag ein anständiger Fiebersaft für Kleinkinder sein, für Erwachsene Weintrinker ist es ein Lebergift… neben dem Alkohol, versteht sich. [+] Und hilft bei Rücken ebenso wenig, wie bei den meisten anderen Schmerzen.
Aber welcher Wein zum Essen und welcher passt zu Ibuprofen 600?
Die gibt es sicher ebenso viele Kultur- und Glaubensfragen wie sinnvolle und unsinnige Paarungen.
Die einen trinken nur zum Essen, manche nie und die anderen brauchen keinen besonderen Grund, um eine anständige Flasche zu öffnen. Kulturelle Unterschiede spielen auch eine Rolle. in Frankreich beispielsweise wird Wein fast ausschließlich zum Essen gereicht, das allerdings auch schon zum Mittagessen, während in Deutschland gerade bei großen Weinen gerne auch mal auf das Essen verzichtet wird oder man dazu einfachere reicht, die großen Bouteillen aber erst im Anschluss an das Mahl goutiert.
Natürlich gibt es hervorragende Kombinationen von Speis und Trank, allerdings sind die Wechselwirkungen der Geschmäcker nicht immer eine positive Marriage, sondern können auch mal krass in die Hose gehen. Auch mit Empfehlung des Sommeliers. Etwa so:
Kräftiger Rotwein zum würzigen Käse? Nope.
Über die beliebte Kombination von Käse und Wein wurde und wird ebenso viel Unsinn geschrieben wie etliche wunderbare Weine durch falschen Käse zerstört wurden. Nicht dass wir uns falsch verstehen, ich liebe Käse! Aber einen großen Châteauneuf-du-Pape, Bordeaux oder Barolo zur Käseplatte nach dem Essen? Niemals!
Und nein, das ist kein Spleen des Weinanwalts, sondern eigentlich klar und offensichtlich: Die würzige Fettschmiere setzt die Papillen auf der Zunge zu und die Riechknospen der Nase außer Gefecht. Tannine und Milchsäure-Fermente mögen sich einfach nicht und führen zu merkwürdigen Reaktionen im Mund. Dennoch hält sich kaum ein Klischee als das vom Rotwein zum Käse. Auch in der Gastronomie und selbst im gelobten Land Frankreich hält man an Ritualen fest, bei denen keiner gewinnt, aber beide verlieren. Wo man hinschaut gibt es Kurse, Artikel und sogar Bücher dazu, glücklicherweise spricht es sich ganz langsam rum: Wenn man den Genuss eines wirklich großen Rotweines bestmöglich zerstören will, dann reiche man einen deftigen Käse dazu.
Ein Tawny Port zum blauschimmeligen Stilton mag ein Genuß sein, ein alter Pomerol mit einem Brie de Meaux, Roquefort oder gereiftem Ziegenkäse? Schade um den schönen Wein.
Weißweine wie etwa Riesling oder Gewürztraminer passen meist besser, auch Schaumweine oder aufgesprittete Weine, gerne mit ordentlich Säure, aber auch Restsüße kann wundervoll mit Rohmilchkäse funktionieren. Vins Doux Naturels, etwa der Muscat de Rivesaltes oder Maury (beide hierzulande zu unrecht kaum bekannt) sind nicht nur zum Dessert, sondern eben auch zum Käse oft ein perfect match.
Eine herausragende Kombination sind für mich die Weißweine aus dem Jura, meist Chardonnay und/ oder Savagnin, zu den oft käselastigen Gerichten der Region. Einfach perfekt: gereifter Savagnin zum Comté.
Überhaupt: Savagnin.
Diese uralte Rebsorte, wohl aus der Familie der Traminer stammend, wird schwerpunktmäßig fast nur noch im französischen Jura sowie unter dem Namen Heida oder Païen im Schweizer Wallis angebaut.
Hierzulande am bekanntesten dürfte vielleicht noch die Spielart als Vin Jaune sein, eine Spezialität, die geschmacklich gerne mit Sherry verglichen wird, im Gegensatz zu diesem jedoch nicht aufgesprittet, also mit Alkohol versetzt wird. Vin Jaune ist sicher eine Savagnin-Variante, die zwar nicht jeder mag, aber welche sich unglaublich vielfältig mit den verschiedensten Gerichten kombinieren lässt.
Savagnin, der ein paar Jahre unter Florhefe „sous voile, sans ouillage“ reifen durfte und so die unnachahmlich würzigen eigenständigen Geschmacksnoten erwirbt, kann so manchen diesbezüglich unerfahrenen Weintrinker überraschen. Einzigartige Aromen von Nüssen und markanten Gewürzen sind sehr ungewöhnlich für einen Weißwein, sorgen allerdings auch für seinen hohen Wiedererkennungswert und lassen Savagnin zum beliebten Begleiter der Küche des Franche-Comté werden.
Überhaupt: Saucen.
Immer dann, wenn man Gerichte gerne mit Sherry ablöscht und cremig-würzige Suppen verfeinern will, passt Savagnin, ob als klassischer Weißwein oder als Vin Jaune, meist mindestens ebenso gut. Oder Eine der besten Saucen, die ich in meinem Leben probieren durfte, war eine teuflisch göttliche Montage aus feinster Sahne und einer Cuvée Aimé Cazes von 1978, 80% Grenache Blanc, 20% Grenache Noir von der Domaine Cazes aus Rivesaltes zum Huhn.
Klassische Kombinationen sind Savagnin & Vin Jaune als Aperitif, zur Gänseleber, Hühnchen in Sahnesauce mit Morcheln (göttlich!) oder unter Pilzkruste und natürlich – denn hier passt es – zum Käse: Comté, Mont d’Or, Maroille, Epoisse, Munster… gerne auch mit Walnüssen.
Ein kleiner klassischer Appetitanreger:
Bresse-Hühnchen in Vin Jaune mit Morcheln
(Poulet de Bresse au vin jaune et aux morilles)
Ein Bresse-Huhn grob zerteilen. Mit Salz und grobem schwarzen Pfeffer einreiben, im großen Topf oder Pfanne in Butter bräunen. Sobald die Stücke anständig Farbe haben, etwas entfetten bzw. abgießen (oder auch nicht, wozu eigentlich, ist doch ein Geschmacksträger?), die Morcheln hinzugeben und anschwitzen lassen. Dann ordentlich mit Vin Jaune ablöschen und ein paar Minuten ziehen lassen. Einen Becher Crème Fraîche dazugeben und 30-40 Minuten bei geringer Hitze köcheln lassen. (Man kann auch etwas mehr Crème Fraîche nehmen und etwas mehr Vin Jaune, da sich die Sauce später auch hervorragend weiterverwenden lässt.) Die Hühnerteile herausnehmen und warmstellen und bei Bedarf die Sauce noch etwas reduzieren. vor dem Servieren das angerichtete Huhn mit etwas Vin Jaune beträufeln. Man kann dazu einen Jura-Chardonnay, besser einen Côtes du Jura Chardonnay & Savagnin, z.B. von der Domaine Rolet, oder eben einen reinen Savagnin genießen.
Weniger Klassik, dafür mehr Exotik: Savagnin zum Thai-Curry oder zur japanischen Küche.
Wer einen Fino oder Manzanilla (Sherry ist ohnehin ein klasse Speisebegleiter) zum Sushi schätzt, dem erschließt sich die perfekte Verbindung des Juraweines mit den delikaten japanischen Fischkunstwerken sofort.
Savagnin, Champagner, Sherry
Wenn man mich nach den multifunktionalen Top-Essensbegleitern in Weinform fragt, es gibt kaum vielseitigere Partner. „Aber das sind ja alles Weißweine!“ – Eben. Und jetzt geh deinen Dornfelder halbtrocken trinken.
In diesem Sinne: Kanpai, Prosit und Santé!
[+] Wichtiger Nachtrag und bevor jemand schreit: Alkohol und viele Medikamente sind natürlich meistens eine schlechte Idee, zu konkreten Nebenwirkungen fragen Sie besser Ihren Arzt oder Apotheker… Aber es ist kein Witz: Paracetamol und Alkohol sind wirklich leberschädigend, wenn schon Analgetika, dann ist Ibuprofen sicher die weniger schlechte Wahl… und Zum Thema Paracetamolvergiftung und Leberversagen lesenswert z.B. im PTA-Forum: http://ptaforum.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=6513 .