Den Weinanwalt hungert und dürstet es. Er begibt sich also in den Keller, nachdem er bereits eine Auswahl für das samstägliche Abendmahl getroffen hat. Es gibt Fleisch, Baby! Manchmal findet man allerdings Weine in seinem eigenen Keller, von denen man nicht mehr richtig nachvollziehen kann, wie sie ihren Weg dorthin gefunden haben. Es gibt allerdings Indizien, die für eine Auswahl auch eines unbekannten Aspiranten sprechen: Alter, Herkunft, Name.
In diesem Falle: Nuits-Saint-Georges 1er Cru 1996 Clos des Grandes Vignes, Adrien Leuliot.
Der Autor bekennt: der Négociant Leuliot, also eines der vielen Weinhandelshäuser in Burgund, über die nach wie vor ein Großteil des Weinhandels der der Côte-d’Or läuft und die auch in vielen Fällen die Kellerwirtschaft sowie den Vertrieb übernehmen, ist ihm bisher unbekannt. Eine kurze Webrecherche zeigt jedoch: der Mann bzw. Négociant hat Grand Crus im Portfolio von Chambertin über Clos de Vougeot zu Romanée St. Vivant bis zum – ganz in weiß;-) – Corton Charlemagne… So what. Burgund ist bekanntlich reichlich unübersichtlich, ganz unabhängig von all den großen Namen, aber das ist ja nichts Neues. Das Alter bzw. der Jahrgang 1996 deutet auf einen der besseren Jahrgänge der 90er hin, vielerorts vielleicht nicht ganz so konzentriert wie die 1993er, aber alle Mal schön ausgeglichen. So sagt man. Say what! Ob er noch wahnsinnig lange lagerfähig ist? Diesbezügliche Enttäuschungen und altersschwache Totalausfälle hatten wir chon zu Genüge, aber trinken wird man ihn hoffentlich schon können. Oder noch? On verra.
Blutiges Rindfleisch
Heute Abend wird also kohlehydratarm gegessen, d.h. Fleisch. Eine wunderschöne Rinderhüfte muss dran glauben, dazu etwas bunten Salat, und gut.
In der Not hilft nur Pinot, soll heißen, das passt jedenfalls. Es passt sogar ausgezeichnet!
Der Wein
Genug geschwafelt, here comez da Pinot!
Nuits-Saint-Georges 1er Cru 1996 Clos des Grandes Vignes, Adrien Leuliot. 13,5 % Vol. Vielmehr lässt sich dem Etikett nicht entnehmen, also auf zum (Rest-)Inhalt der Flasche.
Mitteldunkles Rubin mit granatroten Reflexen, eher undurchsichtig denn klar. Zarte Rauchnoten und ganz, ganz leichte Klebstofftöne in der Nase. Ich steh ja auf so etwas. Die Herren Enderle & Moll vom gleichnamigen Weingut in Münchweier/ Baden müssten wissen, was ich meine;-)
Feingliedrig mit deutlicher, aber angenehmer Säure und merklich gereiften Tönen ohne jedwede Opulenz, Primärfrucht oder gar nervigen Bonbon & Kirschtönen, welche ja etwa im klassisch deutschen Spätburgunder recht häufig anzutreffen sind. Etwas Obertonlastig am Gaumen, es fehlt der letzte Druck, dass „Ja, ich will!“
Durchaus ein geistreich intellektueller Begleiter zum fleischlichen Mahl.
Soll heißen:
Ein feiner Speisebegleiter, der wunderbar zu einem blutigen oder medium gebratenen Hüftsteak passt. Hier wird nicht geholzt bzw. hat der Wein wohl genug Zeit gehabt, die eher dezenten Barrique-Akzente anständig zu verarbeiten, so dass sie im Orchester der Obertonsänger nur eine von vielen Stimmen singen, vielleicht eher eine leise.
Der Wein aus dieser klassischen Region in der Bourgogne gewinnt mit der Zeit im Glas durchaus noch etwas an Geschmeidigkeit und zeigt ein erstaunliches Spektrum an Nuancen, die vielen Vertretern der fruchtig- wuchtigen Kirschbomber-Rote-Pinotfraktion so gänzlich abgehen…
Irgendwie findet sich der Geschmack von blutigem Rindfleisch auch im Glas wieder…
Komisch.
Egal.
Passt.
Weiter…