Parker, Gläser und Adventsweine
Ich schreibe nun ja schon eine ganze Weile über Wein, aber die Artikel über Parker Punkte beim Discounter und Discountschoppen in der Aktion gehören nach wie vor zu den meistgelesenen. Manche der besprochenen Weine tauchen wiederholt in den Aktionen der Märkte auf, andere scheinen einmalige Abverkaufs-Aktionen zu sein. Das Besondere an den Spezialverkäufen der Discounter kann der Wein selbst sein, manchmal ist es auch der Preis und manchmal nur die Aufmachung der Aktion. Nicht immer ist es jedoch, wie der Kunde gerne glauben mag, ein besonders guter Wein für einen besonders guten Preis, der ihm am Point of Sale offeriert wird. Lockangebote gehören auch und gerade im Advent zum klassischen Buhlen um die Kaufkraft der Kunden.
Nicht nur zur Weihnachtszeit, aber gerade dann finden unzählige besondere Weinaktionen statt, es ist schließlich auch die beste Verkaufszeit für Weine im Jahreslauf.
Nicht nur, dass man zurzeit täglich mit Werbesendungen und Mails sämtlicher Händler (und Winzer mit Direktvertrieb) mit ihren Vorschlägen fürs Weihnachtsmenü nebst Weinbegleitung bombardiert wird, auch die Supermärkte und Discounter werben nun verstärkt mit ihrem besonderen Weinangebot in der Vorweihnachtszeit, was sich über das frohe Fest bis hin zu Silvester zieht. Während man zum Jahreswechsel dann prickelnde Schäumer von Reims bis Rheingau bewirbt stehen derzeit noch die kräftigen Roten nebst einigen Spezialitäten hoch im Kurs, bevor man sich dann mit Barolo, Bordeaux und Brunello auf das Christkind einschließt.
Immer wieder…
Tardencuba Crianza 2007 für 4,99 € 90 PP, 14,5%. Der Discounter NORMA präsentierte letzte Woche zum wiederholten Male die Tardencuba Crianza 2007, die mit 90 Parkerpunkten bewertet wurde. Nach einem Ausfall wegen Korkschmecker zeigte sich die zweite Flasche wieder wie gehabt gefällig und wie bereits hier beschrieben. 100% Tinta de Toro von 50-jährigen Rebstöcken… Bemerkenswert dabei: während im Frühjahr der Wein noch bei anderen Händlern zu entsprechend höheren Preisen erhältlich war (12€ und mehr), ist er nun aus dem Sortiment dieser Händler komplett verschwunden, soweit sich dies auf die Schnelle feststellen ließ. Der Discounter hat also dank Kampfpreis gesiegt, das Weingut allerdings auch mutmaßlich nur noch einen Abnehmer in Deutschland. Entsprechend gibt es an der Preisleistungsrelation von Seiten des Konsumenten nichts zu kritisieren, er bekommt einen anständigen Wein für vertretbares Geld. Allenfalls an den 90 PP, die auch nach diversen Flaschen bei verschiedenen Gelegenheiten als zu hoch erscheinen, ließe sich Kritik üben. Allgemein oft ein Problem: ist ein bestimmter Wein – ob nun mit PPs ausgezeichnet oder auch in anderer Form hoch gepriesen – einmal im Discounter oder Supermarkt gelistet, und sei es als spezielle Angebotsware, so ist er für den Weinfachhandel verbrannt, d.h. er lässt sich nicht mehr zu vernünftigen Preisen verkaufen.
[Edit] Neulich Kundengespräch mitgehört bei einem Weinfachhändler: «Ja aber wieso kostet der Wein jetzt 15,90 € und hat nur 89 Punkte? Beim Norma gibt’s einen mit 90 für nen Fünfer! » …
Ludovicus Terra Alta D.O. 2010, 87 PP. 4.99 €, 14% / 40% Grenache, 20% Syrah, 15% Carinena, 15% Tempranillo. 10 % Merlot. Von jedem Dorf nen Köter könnte man böswillig sagen… tun wir aber nicht. Vom Celler Piñol aus Batea in der Denominación de Origen (D.O.) Terra Alta im Nordosten Spaniens, westlich vom Priorat. Die katalanische Weinregion Terra Alta D.O liegt – wie der Name schon vermuten lässt – in einer Hochregion mit Weinbergen in einer Höhe von 350 bis 500 m. In der Region wird viel Cava produziert.
Der Ludovicus ist vier Monate in französischer und amerikanischer Eiche gereift, heißt es auf dem Rück-Etikett, ein paar Monate mehr hätten sicherlich nicht geschadet. Trotzdem ein frisch-fruchtiges unkompliziertes Weinvergnügen für ebenfalls 4.99€. Fruchtbetont mit recht prägnanten Kirschtönen, gerade am Anfang noch etwas Johannisbeerenmarmelade mit einem Hauch zur Klebrigkeit. Mit zunehmendem Trinkverlauf kommt er etwas Alkohol daher, daher sind die angegebenen 14-16°C als Trinktemperatur durchaus empfehlenswert. Für meinen Geschmack etwas weniger überzeugend als der Tardencuba, vielleicht aber auch dem noch recht jungen Jahrgang geschuldet. Erwähnt sei, dass der 2008er im Frühjahr bei Norma noch für einen Euro mehr erhältlich war und auch mit 90 PPs ausgezeichnet wurde – es gibt also auch noch Abwertungen für Folgejahrgänge in den „Niederungen der Punkteorgien“, was auch immer man davon halten mag.
Edle Einfalt… Wer?
Di Cerreto Barbera d’Asti DOCG Superiore2007, 5,99 €, 13,5%. Edel und traditionell, …von fruchtiger Eleganz… so die Beschreibung. Anständiger, fruchtiger Trinkwein, hinterlässt allerdings keinen bleibenden Eindruck, so könnte man auch sagen… keiner von seiner besonderen Würze, die an Kräuter erinnert, oder gar von einem Abgang mit würzigem Nachklang. Gerade davon war jedenfalls nichts zu spüren. Ein Standardrotwein aus Italien, der mit knapp 6 € meines Erachtens nach nicht nur zu teuer ist, sondern mit 2 Gläsern von Gambero-Rosso auch dezent überbewertet erscheint. Wenn man derartige Bewertungen in diesem oder auch anderen Segmenten überhaupt für notwendig erachtet… aber egal.
Der passende Wein ist immer der, an den man sich noch erinnert.
Es gibt auch für um die 6 Euro etliche Weine, bei denen mehr hängenbleibt, und damit meine ich nicht eben eine blaue Zunge oder ein zünftiges Schädelweh am anderen Tag. Und diese gibt es durchaus auch im Fachhandel oder beim Onlinehändler oder den aus dem Boden sprießenden Weinshoppingportalen, nicht nur am Aktionstisch beim Discounter. Also erinnerungswürdige Exemplare…
Ich kaufe nicht beim Discounter… Soso. Aber die meisten Deutschen tun das. Nicht nur Wein, aber auch. Und nicht immer, aber immer wieder. Und auch wenn das vielen nicht passt. Man nimmt halt schnell mal noch was mit. Und das ist auch nicht verwerflich, solange man weiß, was man tut. Einen überteuerten Grau/Weiß/Spätburgunder, hergestellt bei einem reichlich bekannten Weingut im Baden findet man auch Bei Aldi. Ob man ihn wirklich haben muss? Aber das Etikett ist doch so schön…
Und PP-Sind mir egal? Wie schön. Was der Einzelne und gerade der geneigte Weintrinker von Weinbewertungen im Allgemeinen und PPs im Besonderen halten mag, ist eine Sache. (Zu den Medaillen hatte ich mich hier schon ausführlicher geäußert.) Den meisten Käufern ist es nicht egal, sie greifen zu den Punkten, Warentest-Noten und Goldenen Plaketten…. Das ist nachweisbar psychologische Konditionierung, und der Kunde wird den im Wortsinne ausgezeichneten Wein auch entsprechend höher einschätzen.
Michael W. Pleitgen von der Weinakademie Berlin hat hier schon mal umfangreich ein vom Rotsstift geprägtes Weihnachten der kleinen Preise geschildert, mit vielen Beispielen aus dem Weinhandel. Wie ein Wein seinen Weg vom Fachhandelsregal in den Discount findet, beschreibt er hier. Weitere Links zum Thema bei Baccantus: Parker Punkte beim Discounter, Discountschoppen in der Aktion und Fluch und Medaillensegen – alles glänzend?
[EDIT 20.12.2011] Noch ein Lesenswerter Artikel von Herrn Pleitgen zum gleichen Thema und zur Selbstgemachten Vertrauenskrise: Discount: … und die Punkte sind von Parker.
In diesem Sinne – viel Spaß beim Advent-Shopping und bei der Schnäppchenjagd! 😉
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